Frenkie de Jong zu Barcelona:Ein Spieler für Zeit und Raum

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Frenkie de Jong soll das Mittelfeld des FC Barcelona dirigieren.

(Foto: Stringer/Reuters)
  • Frenkie de Jong wechselt für 75 Millionen Euro nach Barcelona und erhält einen Fünfjahres-Vertrag.
  • Der 21-Jährige ist der absolute Wunschspieler der Verantwortlichen, die sich im Kampf um de Jong gegen etliche internationale Spitzenclubs durchsetzen mussten.
  • Nach dem Transfer des Niederländers stehen bei Barcelona große Umbauarbeiten an.

Von Javier Cáceres

Wenn man in den Niederlanden mit den Älteren spricht, wagen sie es kaum, den Gedanken zu Ende auszusprechen. Und wenn doch, klingt es so wie hinter vorgehaltener Hand. Als begingen sie einen Akt der Blasphemie.

"Er erinnert immer mehr an Johan Cruyff", sagen sie dann, wenn sie das Unaussprechliche doch über die Lippen gebracht haben. Die Rede ist von Frenkie de Jong, einem gerade mal 21 Jahre alten Fußballer, der sich in den letzten Monaten bei Ajax Amsterdam in einen der begehrtesten Profis des Marktes verwandelt hat. Und der am Mittwoch einen Fünfjahres-Vertrag beim FC Barcelona unterschrieb.

Auf 75 Millionen Euro wurde die Ablösesumme fixiert, die der FC Barcelona nach eigenen Angaben an Ajax zahlen wird, hinzu kommen elf Millionen Euro an möglichen Bonuszahlungen. Das ist ein stolzer Preis, und dennoch weniger als für andere Kicker aufgerufen wurden. Neymar verließ Barcelona für 222 Millionen Euro in Richtung Paris. Auch Barcelona selbst griff tief in die Tasche und holte Ousmane Dembélé und Philippe Coutinho für Zahlen, die an der 150-Millionen-Euro-Marke lagen, aus Dortmund beziehungsweise aus Liverpool.

Um keinen Spieler hat sich Barcelona mehr bemüht als um de Jong, der auch lukrative Angebote von Manchester City und Paris Saint-Germain hatte. Gleich zwei Mal reiste Barcelonas Präsident Josep Maria Bartomeu in den vergangenen Tagen nach Amsterdam, um de Jong - und dessen sagenhaft feilschenden Berater Ali Dursun - von einem Wechsel in die katalanische Hauptstadt zu überzeugen. Ein solches Engagement ist nahezu ohne Beispiel - und verdeutlicht, welch strategische Bedeutung Barcelona der Verpflichtung de Jongs beimisst. Dass der Transfer des zwanzigsten Niederländers der Barcelona-Geschichte an einem 22. Januar über die Bühne ging, also auf den Tag genau 30 Jahre nach der Verpflichtung von Ronald Koeman durch Barcelona, rundete die Operation ab. Koeman war der Niederländer, der im Europapokal-Finale der Landesmeister 1992 im Wembley-Stadion das Siegtor gegen Sampdoria Genua schoss - und Barcelona erstmals einen Henkeltopf bescherte.

Dass Barcelona de Jong so dermaßen umschwärmte, mit Interesse regelrecht erschlug, liegt daran, dass es kaum einen Spieler gibt, der dermaßen zu Barcelona passt wie der dies- und jenseits des Platzes ungemein reif wirkende Niederländer. "Die Zukunft ist burgundrot-blau", jauchzte die Zeitung El Periódico de Catalunya am Donnerstag - am Tag, nachdem der FC Barcelona beim Debüt des am Montag vorgestellten Kevin Prince Boateng das Hinspiel im Achtelfinale des Pokals mit 0:2 beim FC Sevilla verlor.

"Er hat viel Takt und viel Übersicht, er denkt schnell. Er ist der Schlüssel des Spiels der Nationalmannschaft", sagte zuletzt Koeman, der die lange leidende Elftal zu neuen Erfolgen geführt hat, im Sender Catalunya Ràdio. Pierre van Hoijdonk, früher Stürmer bei Feyenoord Rotterdam und heute Experte für den TV-Sender NOS, schlägt in die gleiche Kerbe. "Die Ruhe, die er hat, ist unglaublich", sagt er am Telefon. "Normale Spieler geben den Ball ab, wenn sie unter Druck geraten. De Jong wartet eine halbe Sekunde länger als die anderen. Er lässt den Gegenspieler auf sich zukommen und spielt den Ball erst dann weiter. Damit verschafft er seinen Mitspielern Zeit und Raum. Und das sind die wichtigsten Währungen auf dem Rasen."

Niederländer haben ein Faible für die Barcelona-Schule

Derartige Fähigkeiten oblagen in der Vergangenheit bei Barcelona Xavi Hernández und Andrés Iniesta, denen de Jong fußballerisch in vielfacher Hinsicht weit näher ist als Cruyff. Wenn de Jong Niederländer an Cruyff erinnert, dann vor allem wegen seiner unfassbaren Kommandogewalt: Er zeigt auf dem Platz die gleichen Gesten wie der unvergleichliche Johan. De Jong ist nicht nur wahnsinnig stark am Ball und bezaubernd intuitiv, sondern könne jede der drei Mittelfeldpositionen ausfüllen, argumentiert Koeman.

Diese vielseitige Verwendbarkeit, die seine Einsatzmöglichkeiten multipliziert, dürfte auch eine Rolle bei de Jongs endgültiger Entscheidung gespielt haben. Wie so viele Niederländer hatte er stets ein Faible für die Barcelona-Schule, die aus den gleichen Quellen schöpft wie Ajax, sein bisheriger Klub. Allerdings hatte er Bedenken, er könne angesichts des Überangebots an Mittelfeldspielern bei Barcelona zu wenig Spielzeit erhalten. Auch deshalb wurde sein Flirt mit Paris ungemein intensiv - dort bot man ihm einen Stammplatz. Nun aber hat er sich für Barca entschieden - was für einige Umbauarbeiten sorgen dürfte.

Denn: Barcelona wird nicht nur aus sportlichen, sondern auch aus finanziellen Gründen entschlacken müssen. Derzeit liegt der Anteil der Gehaltszahlungen bei 73 Prozent der Einnahmen - eine immer noch horrende Zahl. Zu den Spielern, die nun bei guten Angeboten gehen dürfen, zählt vor allem der frühere Schalker Ivan Rakitic, der als kroatischer WM-Finalist einen guten Abnehmermarkt haben dürfte. Auch der Name des Brasilianers Coutinho fällt immer wieder - weit häufiger übrigens als der des alternden Arturo Vidal, der 2018 vom FC Bayern nach Barcelona wechselte und bei Mitspielern und Fans gut ankommt.

Die Frage wird sein, ob Barcelona genug Geld beisammenhat, um auch die Abwehrachse zu erneuern. Ein Kandidat ist Ajacied Matthias De Ligt, der erst 19 Jahre alt ist, von Koeman aber schon geadelt wird - und ebenfalls von Barcelona träumt. "Er wird der beste Abwehrspieler der Welt", sagt der niederländische Nationaltrainer.

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