Niederlage in Granada:Barcelona stolpert durch die Liga

La Liga Santander - Granada v FC Barcelona

Nicht immer ganz sicher: Torhüter Marc-Andre ter Stegen und sein FC Barcelona haben Schwierigkeiten.

(Foto: Marcelo Del Pozo/Reuters)
  • Der FC Barcelona steckt in der Krise: Nach dem 0:2 in Granada herrscht Alarmstimmung bei den Katalanen.
  • Die großen Investitionen in Spieler wie Griezmann oder de Jong haben sich bisher nicht rentiert.

Von Jonas Beckenkamp

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ja, auch Marc-Andre ter Stegen ereilten die Erschütterungen, die an diesem Samstagabend beim FC Barcelona Alarmstimmung verbreiteten. Selbst der sonst so sichere Keeper, der in Deutschland derzeit Gegenstand der sogenannten "Torhüter-Debatte" ist, wirkte beim 0:2 in der Liga in Granada verschreckt - doch der Torhüter scheint bei den Katalanen dieser Tage noch das geringste Problem zu sein. Das große Barça, Spaniens Meister und Geldausgeber Nummer eins, erlebt einen monumentalen Durchhänger. Es läuft nicht, weder in der Liga, noch international.

Nach dem miesesten Saisonstart seit 25 Jahren mehren sich die Zweifel an der Klasse des fürstlich verstärkten Millionenteams. Nur Platz sieben belegt der Weltklub derzeit. Nur zwei Siege und schon zwei Niederlagen sowie ein Remis nach fünf Spielen - derart in eine Saison gestolpert war Barça zuletzt 1994/95, damals noch vor Einführung der Drei-Punkte-Regel. Der Trainer hieß weiland Johan Cruyff, und am Ende belegte Barcelona Platz vier - heute wäre so etwas kaum vorstellbar. Es wäre wohl der größte Reinfall überhaupt in der langen Klubhistorie.

Und nun: Nullzwei! Gegen einen winzigen Aufsteiger, der jetzt in La Liga die Tabelle anführt, sowas ist für Barcelona schwer zu verkraften. Kein Wunder, dass das Grummeln am Mittelmeer lauter wird. "Das ist eine wirklich besorgniserregende Niederlage, eine die weh tut. Jetzt ist Analyse und Selbstkritik gefragt", klagte Stürmer Luis Suarez, der gegen Granada gerade in der ersten Halbzeit mit dem Gros seiner Kollegen die Schieflage verursachte. Wie schon beim extrem glückllichen 0:0 bei Borussia Dortmund vier Tage zuvor in der Champions League wirkte bei den Katalanen alles wie ein einziges Bröckelwerk.

Entsprechend alarmiert fallen die Reaktionen aus. Ein knallendes "Desaster" prangte am Sonntagmorgen auf dem Titel des gefühlten Barça-Zentralorgans Sport. Nicht viel versöhnlicher urteilte El Mundo Deportivo: "Ein seelenloses Barca erlebt eine Katastrophe." Um die Demütigung perfekt zu machen, reicht ein Blick aufs Tableau: Selbst das seinerseits wankelmütige Real Madrid liegt immer noch einen Punkt vor dem Titelverteidiger - und Barcelona hat den Spott, ligaweit die meisten Gegentreffer zu verbuchen (neun).

Bei der Suche nach Schuldigen kam es noch am Samstagabend zu verblüffenden Selbstanklagen. "Ich bin verantwortlich für diese Niederlage", stellte Trainer Alejandro Valverde klar und sich gleichzeitig schützend vor seine Spieler: "Diese sind natürlich die handelnden Personen, aber ich als Coach fühle mich zuständig dafür, was geschieht." Bei den beiden frühen Gegentreffern in Andalusien verhielten sich gleich mehrere Barça-Akteure arg schläfrig. Beim 0:1 in der zweiten Spielminute ließ sich Linksverteidiger Junior Firpo von Granadas Alvaro Vadillo übertölpeln, dem 0:2 durch einen Strafstoß von Alvaro Vadillo ging ein plumpes Handspiel von Arturo Vidal voraus.

Deutschlands Nationaltorhüter ter Stegen, in Dortmund noch der große Elfer-Retter gegen Marco Reus, ließ sich vom allgemeinen Kuddelmuddel beeinflussen und in der 62. Minute eine harmlose Hereingabe von Carlos Neva durch die Hände gleiten. Ter Stegen bekam den Ball im Nachpacken noch auf der Torlinie in Griff. Immerhin: Bei den beiden Gegentreffern konnte er wenig machen. Trotzdem hatte man ihn lange nicht mehr so sehr in der Bredouille erlebt wie in dieser stürmischen Nacht im Estadio Nuevo Los Cármenes.

Messi und Fati reichen nicht

Als zur zweiten Halbzeit Lionel Messi, der nach seiner Waden-Verletzung weiterhin nicht zu Vollzeitfußball in der Lage ist, sowie Youngster Ansu Fati ins Spiel kamen, frischten die Bemühungen kurzzeitig auf. Doch diese beiden allein können die müde, uninspirierte Mannschaft aktuell nicht tragen. Millionenzugang Antoine Griezmann enttäuschte wieder einmal und auch Frenkie de Jong ist noch längst nicht der prägende Faktor im Mittelfeld, wie man es sich erwartet hatte. Bei all den Sommer-Zugängen im Gesamtwert von 255 Millionen Euro bestehen ernste Bedenken, ob Barcelona nicht am falschen Ende investiert hat - die Probleme beginnen nämlich hinten.

Abwehrchef Piqué zum Beispiel tut sich wie seit mehreren Jahren schwer, in die Saison zu finden. Seine fehlende Form plagt den gesamten Defensiv-Verbund, als Kapitän ist er jedoch unverzichtbar. Schon im Spiel gegen Osasuna (2:2) hatte er mit einem Handspiel den Ausgleich des Gegner ermöglicht, diesmal gelang es ihm nicht, mit seinem zentralen Kollegen Clement Lenglet Granadas Ansturm zu verhindern. Selbst der ewige Taktgeber und Chefstratege Sergio Busquets ist - so die Zeitung Marca - "erstmals seit zehn Jahren nicht mehr unantastbar". Er saß zu Saisonbeginn sogar auf der Bank, in Dortmund wurde er vorzeitig ausgewechselt.

"Man kann verlieren, aber wenn man verliert, sollte man wenigstens den Sieg verdient haben. Und den hatten wir nicht verdient", sagte Coach Valverde. Eine philosphisch anmutende Analyse, aber am Ende auch Ausdruck einer gewissen Verzweiflung. Valverde wirkte schon in der Vorsaison machtlos, als sein Team gegen Liverpools Comebackhelden aus der Champions League ausschied - obwohl man das Hinspiel 3:0 gewonnen hatte. Jetzt muss er lauter Baustellen beackern - und die schwachen Vorträge einer Mannschaft ohne jeden Esprit moderieren.

Vor allem Barças Auswärtsbilanz ist dabei eine Zumutung. Inklusive des Spiels in Dortmund traten die Katalanen viermal auf fremdem Platz an. Die niederschmetternde Bilanz: Ein Remis, drei Niederlagen, dreimal ohne eigenes Tor. "Das besorgt mich", räumte Valverde ein: "Das kann in einem Spiel passieren. Wenn es aber in drei oder vier geschieht, zeigt das, dass wir nicht wirklich gut sind." Damit dürfte er Recht haben - und wenn man Luis Suarez glaubt, lassen sich die Probleme auch nicht so schnell beheben. Der Uruguayer kam zu dem Schluss: "Das wird eine lange und komplizierte Saison." Das gilt für alle in Blau-Rot - auch für den oft in Gelb spielenden Torwart ter Stegen.

(mit Material des sid)

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