Süddeutsche Zeitung

3:1-Sieg im Clásico:Barça zupft, Ramos fällt

Mal wieder entscheidet der abgeklärte Sergio Ramos eine wichtige Partie: Real Madrid gewinnt den Clásico - und stürzt Barcelona in noch größere Turbulenzen.

Von Lisa Sonnabend

Sergio Ramos lief los, zögerte - und traf dann abgeklärt ins linke Eck. Wieder einmal hatte der Abwehrchef von Real Madrid ein wichtiges Spiel entschieden. Mit 3:1 (1:1) gewann sein Team am Samstagnachmittag gegen den FC Barcelona, im berüchtigten Clásico. Ramos verwandelte nicht nur den vorentscheidenden Elfmeter zum 2:1, sondern hatte ihn zuvor auch herausgeholt. Mit einer typischen Ramos-Aktion. Als in der 60. Minute ein Freistoß von Toni Kroos in den Strafraum segelte, zupfte Barça-Verteidiger Clément Lenglet an Ramos' Trikot. Da der Recke mit dem langen Bart erkannte, dass er den Ball nicht optimal erreichen würde, nahm er das Angebot an und ließ sich fallen. Der Schiedsrichter sah sich die Szene noch einmal im Video an und gab den Strafstoß, Barcelona-Trainer Ronald Koeman beschwerte sich später bitter. Doch es war eine vertretbare Entscheidung - und die Schlüsselszene der Partie.

Zwei Spiele hatte Madrid zuvor in Serie verloren, gegen vermeintlich kleinere Gegner. In der Liga gegen Cádiz, in der Champions League gegen Donezk. Der 34-jährige Ramos fehlte beide Male wegen einer Knieverletzung, zum Clásico war der Kapitän rechtzeitig zurück. Ramos ist ein Fußballer, dem es wie kaum einem anderen gelingt, seine Mitspieler mitzureißen, und er wird, je älter er wird, immer torgefährlicher. In der vergangenen Saison traf der Verteidiger in der Liga elf Mal - bei Real schoss nur Stürmer Karim Benzema mehr Tore. Seine Rolle bei den Königlichen ist wichtiger als je zuvor.

Der prestigeträchtige Sieg im Camp Nou kommt dem Team und dem zuvor hart kritisierten Trainer Zinedine Zidane gerade recht. "Ich freue mich für die Spieler", sagte der Franzose nach der Partie. "Wir können heute zufrieden sein." Ramos beschwor den Teamgeist: "Wir sind gemeinsam gerannt, wir haben zusammen auf dem Platz gelitten. Wenn die Dinge schwierig sind, müssen wir vereint auftreten." Barcelona stürzt nach der zweiten Liga-Niederlage in Serie noch tiefer in die Krise, Madrid dagegen übernimmt zumindest über Nacht wieder die Spitze.

Ein munterer, aber betrübter Clásico

Es war ein spielerisch munterer Clásico, aber kein hochklassiger. Und es war einer der betrübtesten in der Geschichte. Die Coronavirus-Pandemie trifft Spanien wie kaum ein anderes Land in Europa, mehr als eine Million Bewohner haben sich bereits infiziert, schon bald könnte der nationale Notstand ausgerufen werden. Zuschauer waren im Stadion Camp Nou in Barcelona deswegen keine zugelassen, die Emotionen auf dem Platz fielen verhaltener aus als sonst.

Real ging früh in Führung. Nach einem überlegten Zuspiel von Karim Benzema traf Federico Valverde bereits in der fünften Minute aus spitzem Winkel sehenswert ins lange Eck. Doch nur drei Minuten später flankte der erfahrene Jordi Alba auf den erst 17-jährigen Stürmer Ansu Fati, der den Ball mit der Fußspitze ins Tor stupste, das Vereinsemblem auf seinem Trikot küsste und sich zum jüngsten Clásico-Torschützen der Geschichte schoss. Die beiden Mannschaften ließen sich gegenseitig viel Raum, immer wieder kam es zu Chancen. Zur Halbzeit hatte jedes Team fünf Schüsse aufs Tor abgegeben.

Barça ist offensiver, Madrid cleverer

Barça war danach das offensivere Team, Lionel Messi zeigte sich spielfreudig. Fati flankte in der 54. Minute perfekt auf den freistehenden Philippe Coutinho. Doch der Offensivspieler, der nach dem Ablauf seiner Ausleihe zum FC Bayern plötzlich wieder eine tragende Rolle in Barcelona spielt, köpfelte fahrlässig neben das Tor. Wenig später fiel Ramos im Strafraum - und sorgte dafür, dass an diesem Nachmittag nicht das bessere, sondern das clevere Team gewann. Barcelonas Torhüter Neto, der zurzeit für den verletzten Marc-André ter Stegen einspringt, ahnte zwar die Ecke, hielt den Ball aber nicht. Ramos streckte die Zunge raus und ließ sich von den Mitspielern umarmen.

Messi, Fati und Coutinho spielten fortan Chance um Chance heraus, zwingende waren allerdings keine dabei. Auch nicht, nachdem Barcelona-Coach Koeman den so oft von ihm geschmähten Antoine Griezmann für Fati einwechselte. Bei Real vergaben Kroos und Ramos kurz vor Schluss gute Möglichkeiten, ehe Luka Modric Torhüter Neto ausdribbelte und in der 90. Minute alles klar machte. Messi bewegte sich nicht mehr, verharrte auf dem Rasen und blies die Backen auf. "Wir haben gut gespielt, haben viele Chancen herausgespielt", sagte Koeman nach der Partie. "Wir hätten es verdient, dieses Spiel zu gewinnen." Doch am Ende steht eine eindeutige Niederlage.

Barcelona kämpft mit sich selbst

Spätestens seitdem Barcelona sich im August beim 2:8 im Champions-League-Viertelfinale gegen den FC Bayern blamierte wie nie zuvor, kämpft der Verein nicht nur gegen andere Mannschaften, sondern vor allem mit sich selbst. Der Streit zwischen den Spielern und dem Präsidenten Josep Maria Bartomeu eskalierte. Messi kündigte daraufhin im Sommer an, den Verein zu verlassen, und blieb schließlich nur, weil die Verantwortlichen ihn mit einem Rechtsstreit überziehen wollten. Auf dem Platz gibt sich Messi zwar Mühe, doch verziehen hat er den Verantwortlichen bislang nicht, auch weil sie seinen Mitspieler und Freund Luis Suárez zum Konkurrenten Atlético Madrid verschacherten.

Am Freitag legte nun Gerard Piqué in einem Interview mit der Zeitung La Vanguardia noch einmal nach. Während er Messi schmeichelte, kritisierte er die Verantwortlichen heftig. Der Verein kommt nicht zur Ruhe, die Niederlage gegen Real im Camp Nou verschärft die Lage weiter. Am Montag tagt bei Barcelona das Präsidium. Vieles ist nun denkbar, sogar ein sofortiger Rücktritt des Präsidenten.

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