Süddeutsche Zeitung

FC Barcelona:Messi zürnt nach Torraub

  • Lionel Messi wird beim 1:1 des FC Barcelona in Valencia ein Tor aberkannt.
  • Spaniens LFP ist die einzige der großen nationalen Ligen Europas, die auf technische Hilfsmittel verzichtet.
  • Zur nächsten Saison will die Liga den Videoassistenten einführen.

Von Javier Cáceres

Es gibt Dinge auf einem Fußballfeld, "die sieht nur Lionel Messi". Sagte der Linksverteidiger des FC Barcelona, Jordi Alba, nachdem er am Sonntagabend davon profitiert hatte, dass der argentinische Ausnahmespieler nicht nur einen magischen Blick hat, sondern auch die Gabe, seinem linken Fuß den richtigen Befehl zu erteilen. In der 82. Minute sah Messi, dass Alba sich anschickte, hinter die Abwehr des FC Valencia zu schlüpfen; und so lupfte Messi den Ball über Valencias Hintermannschaft hinweg, Alba verwandelte zum 1:1-Endstand, volley.

Die Rede war aber nachher weniger davon, was Messi alles sieht, sondern was ein anderer alles nicht gesehen hatte: Schiedsrichter Ignacio Iglesias. Denn er hatte Messi ein Tor aberkannt, als es in einem ebenso umkämpften wie erinnerungswürdigen Spiel noch 0:0 gestanden hatte.

Andrés Iniesta hält den Videoassistenten für "ideal"

Nach einer halben Stunde hatte Messi aus der Distanz aufs Tor gezielt. Valencias brasilianischer Schlussmann Norberto Murara, genannt Neto, ließ den Ball durch die Finger, als ob er seine Torwarthandschuhe mit Kokosfett eingerieben hätte, und bekam dann auch die Beine nicht mehr zu. Neto schlug den Ball wieder ins Feld - freilich erst, als dieser klar erkennbar hinter der Linie war. "Mindestens drei Spannen weit", wie Alba recht präzise und unter Verwendung einer archaischen Maßeinheit sagte. Messi war außer sich: "Fue gol! Gol!! Goooool!", schrie der Argentinier: "Es war Tor." Doch sein Ruf verhallte ungehört.

Es war ihm auch nur ein kleiner Trost, dass Barcelona weiter unbesiegt und Tabellenführer der Primera División ist, mit nunmehr 35 Zählern und einem Vorsprung von vier Punkten auf den FC Valencia sowie jeweils acht auf Real und Atlético, die beiden Spitzenteams aus Madrid. Für entspannte Reaktionen sieht man in Barcelona allein schon deshalb keinen Anlass, weil die Referees schon in der vergangenen Spielzeit für Aufregung sorgten.

Darunter auch Iglesias, der am Samstag übrigens auch noch dabei erwischt wurde, wie er die gelbe Karte wieder einsteckte, die er Rodrigo zeigen wollte. Der hatte eine Perücke aufgesetzt, um seinen Treffer zum zwischenzeitlichen 1:0 zu feiern. Als Iglesias merkte, dass es die zweite Verwarnung und damit der Platzverweis für Rodrigo gewesen wäre, verstaute er den Karton wieder.

Umso deutlicher waren hernach die Erinnerungen an eine Barça-Partie, die Iglesias in der vergangenen Saison geleitet hatte. Beim FC Villarreal hatte Iglesisas Barça zwei klare Handelfmeter verweigert, die den Katalanen wohl zum Sieg verholfen hätten. Sein Kollege Alejandro Hernández wiederum übersah bei der Partie, die Barça bei Betis Sevilla austrug, ein Tor, das ähnlich deutlich war wie der Treffer vom Samstag. Seinerzeit schlug ein Betis-Verteidiger den Ball zurück, als er ebenfalls deutlich erkennbar die Linie überschritten hatte, und auch diese Partie endete unentschieden. "Vielleicht haben wir damals deswegen die Meisterschaft verloren", sagte Alba am Sonntag. Am Ende hatte Barcelona nämlich 90 Punkte, genau drei weniger als der spätere Meister Real Madrid.

Der Raub an Messi vom Sonntag führte zu einer Neuauflage alter Diskussionen. Denn: Spaniens LFP ist die einzige der großen nationalen Ligen Europas, die auf technische Hilfsmittel verzichtet. Die Torlinientechnik wurde verworfen, "zu teuer", hieß es offiziell. Zur nächsten Saison will die LFP den Videoassistenten einführen. Ungeachtet der Debatten, die aus Deutschland herüberschwappen und große Beachtung gefunden haben, sehnen die Protagonisten des Spiels Spaniens überfälligen Eintritt in die Moderne herbei.

"Es wäre ideal, den Videoassistenten zu haben", sagte Barça-Kapitän Andrés Iniesta, Spaniens WM-Finalheld von 2010. Sein Trainer Ernesto Valverde war zwar auch sauer, bewies aber Größe. Er erinnerte daran, dass seinem Team gegen Málaga ein Tor zuerkannt wurde, das nie hätte zählen dürfen: Der Ball war vor dem entscheidenden Pass im Toraus gewesen. Drei Spannen weit, ungefähr.

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SZ vom 28.11.2017/chge
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