FC Barcelona:Sparkurs für die Teuersten der Welt

Lionel Messi

Himmel, hilf! Lionel Messi erlebt beim FC Barcelona gerade einen Herbst des Haderns.

(Foto: Alvaro Barrientos/AP)

Der Barça-Interimspräsident dementiert zwar eine akute Insolvenzgefahr, bestätigt aber nötige Notfallmaßnahmen. Um Lionel Messi gibt es negative Schlagzeilen.

Von Javier Cáceres

Die gute und die glorreiche Vergangenheit lenkt die Gedanken beim FC Barcelona auch zum Mittwochsgegner in der Champions League: Dynamo Kiew. Im September 1993 waren die Ukrainer im Camp Nou zu Gast, und sie hatten den Katalanen im Hinspiel des Sechzehntelfinales gehörig Angst eingejagt, mit einem 3:1-Sieg. Das Rückspiel endete mit einem 4:1 für Barça, und daran wurde auch deshalb jetzt erinnert, weil der aktuelle Trainer Ronald Koeman damals den vierten Treffer erzielte. Das Spiel galt auch als Meisterwerk des "Dream Teams" von Klub-Ikone Johan Cruyff - mit Spielern wie Zubizarreta, Guardiola, Laudrup, Bakero oder Romário, der später sagen sollte, das sei Fußball in Vollendung gewesen: "Nicht mal Brasilien" habe je so gut gespielt, sagte der Mittelstürmer. Just am Vorabend der Partie im Herbst 2020 mengte sich aber Trauer in die Erinnerung. Cruyffs damaliger Trainerassistent, Tonny Bruins Slot, verstarb am Montag in den Niederlanden.

Aber selbst das wird überlagert von der dramatischen Aktualität des krisengeschüttelten Klubs. Am Montag hatte Carles Tusquets, 69, seinen ersten öffentlichen Auftritt als Interimspräsident des FC Barcelona. Er versuchte, die jüngsten, aufsehenerregenden Meldungen zur Finanzlage zu relativieren: "Der Klub hat sehr viel Zukunft", versicherte Tusquets, der den vor gut einer Woche zurückgetretenen Präsidenten Josep Maria Bartomeu bis zu den nächsten, für Januar geplanten Wahlen ersetzt.

Die Gerüchte um ein möglicherweise drohendes Gläubigerverfahren, die der Sender RAC1 aufgeworfen hatte, wies Tusquets zurück: "Nein. Jetzt, aktuell, nein", sagte er dazu. Wobei wohl die Zeit weisen wird, ob die Betonung auf dem Wörtchen "Nein" oder doch auf dem Wörtchen "aktuell" liegt. Denn in bestem Managersprech gestand Tusquets auch ein, dass der Verein vor "finanziellen Anstrengungen" stehe, um Schlimmstes abzuwenden.

2019 beschäftigte Barcelona noch die teuerste Mannschaft der Welt

"Wir sind weiter gezwungen, kurzfristig unsere Ausgaben zu verringern", sagte Tusquets. Man wolle "niemandem Geld wegnehmen", beteuerte der Finanzunternehmer, aber der FC Barcelona müsse 300 Millionen Euro aufbringen, sei es durch Einsparungen oder durch Einnahmen auf bislang unerschlossenen Gebieten: Zur Debatte stehen die Namensrechte des Stadions, ebenso die Veräußerung von Rechten diverser strategischer Unternehmen wie "Barça Studios" (audiovisuelle Angebote), "Barça Licensing and Merchandising" (BLM), "Barça Innovation Hub" (Forschung und Entwicklung) oder "Barça Academies" (Trainingscamps für Jugendliche).

Der Verein befinde sich aufgrund der Pandemie "in einer komplexen Lage", durch Geisterspiele wie in der Champions League, die zeitweise Schließung des vereinseigenen Museums und die Einbußen in den Merchandising-Shops werde man allein in der laufenden Saison einen satten dreistelligen Millionenbetrag verlieren. Bis zum 5. November will der Klub mit der Belegschaft eine Übereinkunft über eine Stundung der Gehaltszahlungen erzielen.

Das betrifft in erster Linie den Profikader, der laut einer Studie des Instituts Sporting Intelligence noch 2019 die teuerste Sportmannschaft der Welt war. Es gebe Signale, dass die Spieler bereit seien zu verzichten; am 5. November folgt eine weitere Verhandlungsrunde mit ihnen. Er habe kein anderes Szenario als eine Einigung vor Augen, sagte Tusquets. Andernfalls müsse "der Klub sich verteidigen".

Messi sei für einen Trainer "schwer zu führen", sagt sein Ex-Coach Sétien

Eine gewichtige Rolle bei den Verhandlungen spielt selbstredend Lionel Messi, 33. Der Kapitän ist der bestverdienende Spieler im Kader, sein Salär belastet die Ausgabenseite mit weit mehr als hundert Millionen Euro. Nach dem 2:8-Debakel in der Champions League gegen den späteren Sieger FC Bayern hatte Messi schriftlich seinen Wunsch hinterlegt, den Verein zu verlassen - und scheiterte; ab Januar kann er frei verhandeln. Am Dienstag gab es, diesmal in der englischen Zeitung Telegraph, neue Gerüchte um ein Interesse an Messi von Manchester City. Der Premier-League-Klub von Barças früherem Trainer Pep Guardiola galt vor Wochen schon mal als Interessent. Messi selbst hat seine Absichten für 2021 noch nicht erklärt.

Seit dem Adiós von Präsident Bartomeu, mit dem er sich überworfen hatte, soll sich sein Verhältnis zum Klub verbessert haben. Aber klar ist: Auch Messi wird zumindest vorerst auf Teile seines Salärs verzichten müssen, die ersten Sondierungsgespräche mit dem Umfeld des Spielers stimmten Tusquets hoffnungsvoll. Er habe die "Bereitschaft" der Partei Messi vernommen, dem Verein zu helfen. Sollte er am Ende gehen, würde Barça zwar einerseits Geld einsparen. Andererseits verlöre er sein wertvollstes Argument für Marketingeinnahmen - und kurzfristig wäre dann ein weiteres Problem zu lösen: Angeblich stünde Messi bei Vertragsende eine Gratifikation zu, die hoch genug sein soll, um Barcelona im Juni vor neue relevante Probleme zu stellen.

Kurzfristig sind andere zu bewältigen, unter anderem: die Schlagzeilen um Messi. Seit Koemans Vorgänger Quique Setién in El País das Schweigen brach, das er seit dem 2:8 gegen die Bayern hielt, und erklärte, dass Messi für einen Trainer "schwer zu führen" sei, wird über den Zwist der beiden debattiert. Der Sender Cadena Ser berichtete von einem Kabinenstreit zwischen ihnen - Messi habe nach einem Rüffel durch Setién Respekt für seine Mitspieler eingefordert, Setiéns Antwort habe gelautet: "Wenn dir nicht passt, was ich dir sage - da ist die Tür."

Messi habe mitleidig gelächelt und blieb. Ronald Koeman sagte am Dienstag, er sei mit Setiéns Meinung nicht einverstanden: "Ich habe keine Probleme damit, ihn zu führen." Koeman hat Setién aber auch einiges voraus, unter anderem einen Titel in der Champions League. Ein Jahr vor dem Traumspiel gegen Kiew erzielte der Niederländer 1992 im Finale von Wembley gegen Sampdoria Genua das Siegtor - und wurde zur Barça-Legende.

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