FC Barcelona:So viele Kreative für Hansi Flick

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Europameister Dani Olmo. (Foto: Lee Smith/Reuters)

Yamal, Pedri, Gavi, jetzt auch Dani Olmo: Barça hat viel Spektakelpotenzial im Kader, die Saisonvorbereitung weckt Aufbruchsstimmung. Doch nun stehen Gespräche über Weggänge an – und der Ex-Bundestrainer legt vor allem Wert auf Disziplin.

Von Ferdinand Schwarz

Es war diese eine Szene, die die öffentliche Wahrnehmung von Hansi Flick in Deutschland nachhaltig beeinflusste. In einer TV-Dokumentation zur WM 2022 in Katar hielt Flick eine Ansprache an sein Team, man blickte in recht leere und teilnahmslose Spielergesichter, die nur noch leerer wurden, als Flick begann, von Graugänsen zu erzählen. Die Szene wurde im Nachgang zum Sinnbild für Flicks Scheitern als Nationaltrainer bei der WM, bei der auch interne Querelen und politische Debatten zum Vorrunden-Aus der Deutschen beitrugen. Beim FC Barcelona hat man dieser Episode in Flicks Karriere nicht die Bedeutung zugemessen wie in seiner Heimat, der Sextuple-Sieg mit dem FC Bayern in der Saison 2019/20 wog schwerer. Und so holte Barça den 55-jährigen Trainer als Nachfolger für Xavi, den bei den Fans zwar beliebten, aber letztendlich doch recht glücklosen Coach.

Und bislang, wenn man das nach knapp einem Monat sagen kann, läuft es für Flick in Barcelona: Auf der USA-Tour verlor Barça kein Spiel in der regulären Spielzeit, und im Klub ist nach schwierigen Jahren wieder so etwas wie Aufbruchstimmung zu spüren. Der Transfer von Dani Olmo, 26, dürfte Flicks Stimmung nicht dämpfen. 55 Millionen Euro plus mögliche Boni zahlt Barça für den offensiven Mittelfeldspieler an RB Leipzig, der gebürtige Katalane und frühere Jugendspieler von Barcelona unterschrieb bis 2030. Olmo soll die ohnehin schon gut besetzte Kreativabteilung der Katalanen beleben, der neue Fixpunkt im Mittelfeld sein. Am besten so, wie er es beim Europameister Spanien tat, die er bei der EM in Deutschland mit starken Leistungen in der Endrunde zum Titel führte.

Zweifelsohne war Olmo schon in seinen viereinhalb Jahren Bundesliga einer der spannendsten, kreativsten und technisch besten Spieler der Liga – wenn er denn auf dem Platz stand. Der Spanier, der nach seiner Ausbildung in Barcelonas Jugendakademie La Masia im Alter von 16 Jahren den ungewöhnlichen Schritt über Dinamo Zagreb ging, fehlte den Leipzigern allein in der vergangenen Saison wegen verschiedener schwerer Verletzungen 111 Tage. In seiner Zeit bei RB kam Olmo dennoch auf 148 Spiele, schoss 29 Tore und bereitete 34 Treffer vor.

Flick soll Sportdirektor Deco von seinem Wunschtransfer überzeugt haben. Er kennt den Spanier aus Bundesliga-Duellen mit Leipzig, zudem spricht Olmo etwas Deutsch, könnte ein Bindeglied zwischen Trainerteam und Spielern sein. Und die fußballerischen Argumente hat Olmo spätestens seit der EM ohnehin auf seiner Seite: Er ist torgefährlich, aber nicht eigensinnig, dribbelstark, aber nicht kopflos. Er kann in Flicks favorisiertem 4-2-3-1-System in der Offensive alle vier Positionen spielen. Und aus Leipzig ist er auch kraftraubendes Pressing gewohnt, von dem Flick wohl auch im ehemaligen Tiki-Taka-Barcelona nicht abrückt.

Bei der Kommunikation helfen vor allem Torwart Marc-André ter Stegen und Thiago Alcántara

Um den Rest des Kaders an das intensive Spiel zu gewöhnen, setzt Flick bei Barcelona auf Disziplin. Die spanische Zeitung AS berichtet, dass Pünktlichkeit nun enorm wichtig sei, zudem müssen die Spieler täglich auf die Waage. Bei der Kommunikation helfen Flick, der zwar Spanisch lernt, aber noch nicht gut spricht, vor allem Torwart Marc-André ter Stegen und Thiago Alcántara. Der Spanier, mit dem Flick 2020 beim FC Bayern das Sextuple gewann, ist nach seinem Karriereende derzeit für einige Wochen auf Schnupperkurs in Flicks Trainerteam, die anderen Co-Trainer sind der spanisch sprechende Heiko Westermann, Marcus Sorg und Toni Tapalović, langjähriger Torwarttrainer des FC Bayern.

Neben Olmo setzt Barça auch wieder vermehrt auf die Jugend, wenn auch angesichts finanzieller Schwierigkeiten und nach wie vor hoher Schulden nicht ganz freiwillig. Und die Youngster stechen bislang in der Vorbereitung heraus, in der Barça nur gegen AC Mailand im Elfmeterschießen verlor und die Spiele gegen Manchester City und Real Madrid gewann. Stürmer Pau Victor, 22, ist nach einem Jahr als Leihspieler bei Barças zweiter Mannschaft nun fest vom FC Girona verpflichtet, schoss auf der USA-Reise drei Tore. Marc Casadó, 20, ist der nächste aus dem schier unerschöpflichen Pool der Mittelfeldlenker aus La Masia, Linksverteidiger Gerard Martin, 22, und Innenverteidiger Sergi Dominguez, 19, drängen in den Kader. Dazu kommen Spieler, die trotz ihres Alters schon etablierte Stammkräfte waren und wohl auch unter Flick weiter bleiben: Spaniens Wunderkind Lamine Yamal, 17, Pedri, 21, und Gavi, 20, dazu etablierte Profis wie İlkay Gündoğan, 33, und Frenkie de Jong, 27. Mit Olmo hat Flick fast ein Überangebot an Kreativen mit ähnlichen Fähigkeiten, die Robert Lewandowski, 35, assistieren sollen.

Weitere Bewegungen im Kader sind auch deshalb nicht ausgeschlossen, in den nächsten Tagen soll es eine Sitzung mit Präsident Laporta, Sportdirektor Deco und Flick geben, um über potenzielle Weggänge zu sprechen – denn nur so sind weitere Zugänge wie Nico Williams für die klammen Katalanen möglich. Beim FC Bayern hatte es zwischen Flick und seinen Vorgesetzten bei Transferthemen gekracht, was letztlich auch zur Trennung führte. Im ähnlich aufgebrachten Barcelona, an dem letztlich auch Vorgänger Xavi scheiterte, wird es auch auf Flicks Fähigkeiten als Diplomat ankommen. Bislang, so scheint es, klappt das gut – die Graugänse hat er in Deutschland gelassen.

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