Wechsel von Arthur:Ein 72-Millionen-Transfer für die Finanzbücher

FC Barcelona: Arthur bei seiner Vorstellung 2018 in Camp Nou

Geht für 72 Millionen zu Juventus: Arthur, 23, FC Barcelona.

(Foto: imago images/Action Plus)

Arthur enttäuschte bei Barcelona, der Brasilianer war oft verletzt und auf Partys von Neymar. Nun wechselt er für eine Riesensumme zu Juve. Der Deal ist ein Pakt der Alchemisten.

Von Javier Cáceres

Vor fünf Jahren schien die Welt für den FC Barcelona noch in Ordnung zu sein. Der Klub holte im Berliner Olympiastadion gegen Juventus Turin den Champions-League-Titel (3:1) und krönte damit das zweite Triple der Vereinsgeschichte aus Königsklasse, Meisterschaft und Pokal - es war die letzte sagenhafte Saison. Was geschah seither?

In Spanien holte Barca den ein oder anderen Titel, die Hegemonie in Europa aber konnte nie wiederhergestellt werden. Kaderplanerisch griff man gründlich daneben. Unter anderen ging Neymar Jr. verloren, der dazu auserkoren war, Lionel Messi als Ikone abzulösen; Andrés Iniesta und Xavi Hernández verließen den Klub aus Altersgründen; es kamen Spieler wie André Gomes, Arda Turan, Lucas Digne, Paco Alcácer, Yerry Mina, Nelson Semedo, Philippe Coutinho, Ousmane Dembélé, Junior Firpo, Arturo Vidal, Frenkie De Jong, Antoine Griezmann, Martin Braithwaite - und Arthur Melo aus Brasilien, der jetzt gute Karten hat, der teuerste Transfer des Corona-Sommers zu werden.

Arthur brillierte - allerdings nur an äußerst ausgewählten Tagen

Denn: Am Montag wurde Arthur an Juventus Turin verkauft, für rund 72 Millionen Euro und im Rahmen einer akkurat verschachtelten, finanzalchemistisch anmutenden Operation.

Arthur kam 2018 für angeblich 40 Millionen Euro von Gremio Porto Alegre zu Barcelona, es umwehte ihn der Hauch einer angeblich glorreichen Zukunft. Xavi erklärte an seinem Ruhesitz, dass Arthur ihn an sich selbst erinnere, auch von Messi wurde er geadelt. Und wirklich: Arthur brillierte - allerdings nur an äußerst ausgewählten Tagen. Er war oft verletzt, mitunter auf Partys von Neymar, solche Dinge. Arthur sei nicht der erste Profi, der die an ihn gerichteten Erwartungen nicht erfülle, sagt der umstrittene Barcelona-Trainer Quique Setién. Gleichwohl erlöst er nun 72 Millionen Euro, die durch diverse Boni noch um maximal zehn Millionen, also bis auf das Doppelte des Einkaufspreises anwachsen können. Ein Super-Geschäft? Könnte man meinen. Aber ganz so einfach ist es nicht.

Zeitgleich zum Arthur-Transfer gab Barcelona nämlich die Verpflichtung des bosnischen Juventus-Profis Miralem Pjanic bekannt - für 60 Millionen Euro, die um weitere fünf Millionen Euro an Boni anwachsen könnten. Auch Pjanic ist, wie Arthur, ein talentierter Mittelfeldspieler, aber belastbar hat er Arthur nur eins voraus: das Alter. Pjanic ist 30 Jahre alt, Arthur hingegen 23, sprich: entwicklungsfähiger. Arthur wollte Barcelona nicht verlassen, zudem ist Arthur im Haifischbecken der Barcelona-Stars wohlgelitten. Fußballerisch ergibt sein Abschied aus der Barcelona-Perspektive also kaum Sinn. Nur geht es nicht um den grünen Rasen, sondern um Finanzbücher, in denen die strenge Logik des Marktes und der Unternehmensberater alles richtet - und der Bilanzstichtag 30. Juni eine wichtige Rolle spielt.

2019 präsentierte der FC Barcelona ein Weltrekordbudget von rund einer Milliarde Euro - in dem unter anderem ein Transfer-Einnahmeziel von 124 Millionen Euro herausstach. Ohne die Arthur-Operation hätte der Klub weit unter den jetzt komplettierten 133,4 Millionen Euro gelegen. Malcom brachte bei seinem Wechsel zu Zenit St. Petersburg 40 Millionen Euro, für Denis Suárez versprach Celta de Vigo 12,9 Millionen, der FC Bayern zahlte eine Leihgebühr von 8,5 Millionen Euro für Philippe Coutinho. Dass sich Juventus und Barcelona auf die Fantasiesummen für Arthur und Pjanic geeinigt haben, riecht nach Finanzingenieurwissenschaft. Nach Magie.

Für Verluste haften die Barca-Präsidiumsmitglieder mit ihrem persönlichen Vermögen

Der Grund: In den Bilanzen können Transfer-Einnahmen sofort verbucht werden; nicht erst, wenn tatsächlich Geld geflossen ist. Bei Transferausgaben ist das nicht zwingend der Fall. Die können auch für die Dauer der Vertragslaufzeit des betroffenen Profis über Jahre gestreckt, also in den Bilanzen abgeschrieben werden.

Aber: Hätten sich der FC Barcelona und Juventus darauf geeinigt, die beiden Spieler zu tauschen und bloß die Differenz von zwölf Millionen Euro zugunsten Barcelonas zu verbuchen, hätten auf der Einnahmeseite erkleckliche Millionenbeträge in den Jahresabschlussberichten gefehlt. Und der FC Barcelona ist zurzeit sehr darum bemüht, dass die Zahlen in den Büchern nicht allzu rot werden.

Der Grund: Für Verluste haften die Barca-Präsidiumsmitglieder rund um Vereinsboss Josep María Bartomeu mit ihrem persönlichen Vermögen. Das gilt auch als Hintergrund für einen 100-Millionen-Euro-Kredit, den der FC Barcelona bei einem von der Caixa angeführten Bankenkonsortium aufgenommen hat - und für den die staatliche Kreditanstalt ICO (die spanische Version der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW) bürgen soll.

Durch den Deal mit Juventus steht jetzt für Barcelona - andererseits - ein satter Transgewinn in den Büchern. Auch das hat finanztechnische Gründe. Von der vor zwei Jahren verabredeten Ablöse für Arthur von etwa 40 Millionen Euro ist bisher nur die Hälfte verbucht; der Rest sollte über die verbleibende Vertragslaufzeit (bis 2024) abgeschrieben werden. Das fällt nun aber weg, weil der Restbetrag nun ausgetragen werden kann. Das wiederum heißt angesichts von bis zu 80 Millionen Euro Einnahmen für Arthur: Barca macht einen bilanziellen Reibach von 60 Millionen Euro.

Ein solches Geschäft ist umso wichtiger, da auch dem FC Barcelona die Pandemie zu schaffen macht. Ein Defizit droht in jedem Fall, durch diverse Einnahmeausfälle könnte ein dreistelliger Millionenbetrag fehlen - bei einer Ausgabenlast, die sich, wie die Einnahmen, am Rande der Milliardenmarke bewegt. Wie groß die Not zu sein scheint, zeigt sich daran, dass sich das Geschäft für Juventus augenscheinlich noch viel mehr lohnt. Juve bekommt einen talentierten Spieler für relativ wenig Geld und macht mit Pjanic ebenfalls hohen bilanziellen Gewinn. Er war schon 2016 zu Juventus gestoßen, für etwa 35 Millionen Euro - und ist weitgehend abgeschrieben.

Doch es dürfte einen weiteren Grund gegeben haben, um den Transfer auf atemberaubende Höhen zu katapultieren. Denn nicht nur die Spieler müssen von der Notwendigkeit eines Wechsels überzeugt werden, sondern auch die Berater. Mit den Spielern ließ sich rasch Einigkeit herstellen, Arthur wird in den nächsten fünf Jahren angeblich das Dreifache des bisherigen Salärs verdienen, auch um Pjanic muss man sich keine Sorgen machen. Die Berater wiederum partizipieren an der Operation gerne mal mit einer Provision von bis zu zehn Prozent - das würde für die Manager von Arthur bis zu 7,2 Millionen Euro, für jene von Pjanic sechs Millionen bedeuten.

Immerhin: Barcelona und Juventus haben verabredet, dass die Transfers sportlich erst nach dem Saisonende vollzogen werden. Theoretisch ist es also möglich, dass Arthur und Pjanic noch einmal direkt aufeinandertreffen - und gegen ihre künftigen Arbeitgeber spielen. Für das Champions-League-Turnier vom 12. bis 23. August in Lissabon sind beide Teams noch nicht fest qualifiziert. Barcelona (1:1 in Neapel) und Turin (0:1 in Lyon) müssen zuvor das unterbrochene Achtelfinale noch beenden. Aber wer weiß: Vielleicht holt Barcelona sogar den Titel, wie damals in Berlin.

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