FC Augsburg:Wärme für Kai-Uwe

Caiuby ist einer der wichtigsten Fußballer des FC Augsburg - und sorgt für ungewohnte Aufregung am ruhigsten Bundesliga-Standort.

Von Sebastian Fischer, Augsburg

Der Fußballer Caiuby Francisco da Silva spielt seit 2014 beim FC Augsburg, und seitdem war er einmal im Gefängnis. 2015 besuchte er die JVA Niederschönenfeld, um mit den Gefangenen zu reden und Fußball zu spielen. "Die Freude, die wir gebracht haben, ist schon cool", sagte er damals im Fan-TV. Er sprach über seine Jugend in São Paulo, über Freunde, die falsche Entscheidungen trafen. Und er erklärte, wie der Fußball ihm half, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Dreieinhalb Jahre später geht es im Leben des Brasilianers Caiuby, 30, auch um ein paar falsche Entscheidungen. Vor allem geht es aber um die Freude, die er dem FC Augsburg bringt. Und damit ist er eine der prägenden Figuren der Liga.

Es sei eine typische Situation für den Stürmer gewesen, sagte der Manager Stefan Reuter am Dienstag, nach dem 3:2-Sieg nach Verlängerung gegen Mainz im DFB-Pokal. Caiuby hatte sich aufgerieben, war gerannt und gerannt, "er kann in der 120. Minute noch einen Gegner anpressen, und das mit höchstem Tempo", sagte Torwart Andreas Luthe. Caiuby hatte als Linksaußen zahlreiche Zweikämpfe bestritten und 64 Prozent davon gewonnen, mehr als etwa Martin Hinteregger, der als Innenverteidiger diese Statistik eigentlich anführen müsste. Caiuby hatte ein Eigentor erzwungen. Und dann schmiss er sich in der 105. Minute in eine Flanke, um mit einem Kopfball aus fünf Metern das entscheidende Tor zu erzielen.

Es waren allerdings auch typische Situationen für Caiuby, die seit Monaten das Thema in Augsburg sind: Er kam mehr als eine Woche zu spät aus dem Sommerurlaub und verpasste ein Trainingslager. Er wurde Mitte Oktober zu einer Geldstrafe von 22 500 Euro wegen Schwarzfahrens verurteilt. Er kam an zwei Tagen hintereinander zu Mannschaftssitzungen zu spät und wurde für den Kader beim 2:1 in Hannover am vergangenen Wochenende nicht berücksichtigt.

caiuby

Krawumms!: Caiuby pflegt nicht nur mit brachialer Wucht zu spielen, sondern auch seine Tore so zu bejubeln.

(Foto: imago)

Es ist nun, vor dem Spiel gegen Nürnberg am Samstag, die Frage, wie diese zwei Caiubys eigentlich zusammenpassen: der verlässliche Teamspieler auf dem Rasen und der Hallodri.

Im April gab Caiuby der Sport-Bild ein Interview, in dem er sagte: "Ich bin der deutsche Brasilianer." Er sprach über seine Spielweise ohne Tricks, "mir machen Zweikämpfe genauso viel Spaß". Er liebe Schweinshaxe und Käsespätzle. Sein Spitzname lautet Kai-Uwe, seit er 2008 aus Brasilien nach Wolfsburg wechselte. So rufen ihn auch Augsburgs Fans. Brasilianisch sei nur noch seine Abneigung gegen Schnee und sein Temperament.

Tobias Werner haben die Fans in Augsburg "Fußballgott" gerufen, inzwischen spielt er für die zweite Mannschaft des VfB Stuttgart. Er war bis 2016 Caiubys Kontrahent auf der linken Außenbahn. Seinen früheren Teamkollegen zu beschreiben, sei nicht einfach, sagt Werner. Caiuby sei "ein Charakter, den es nicht häufig gibt", einerseits Familienmensch mit großem Herz, lustig, beliebt, in der Kabine ein Tänzer und Sänger, gemeinsam waren sie auf dem Oktoberfest. Andererseits stehe sich Caiuby vielleicht ein wenig selbst im Weg. Manchmal, sagt Werner, habe man ihn wachrütteln müssen, wenn ein Training früh morgens angesetzt war. Tomas Oral, der Caiuby in Ingolstadt in der zweiten Liga trainierte, sagt: "Er ist ein Spieler, der unheimliche Wärme braucht, ein gutes Umfeld und keine Leute um ihn herum, die jeden Tag eine andere Idee haben". Die Augsburger Allgemeine berichtet von lauten Partys und Streit mit seinem früheren Vermieter. Gegen Caiuby läuft nach einem Vorfall im Nachtleben ein Verfahren wegen Körperverletzung.

Am Dienstag sagte er im TV-Interview nach dem Sieg gegen Mainz, die vergangenen Wochen seien schwer gewesen. "Trotzdem weiß ich, was ich kann, und das zählt. Die Mannschaft zählt auf mich, wir sind eine Familie." Mehr wollte er nicht erzählen. Auf dem Weg in die Kabine beantwortete er die fragenden Blicke der Journalisten, indem er Kopf und Zeigefinger schüttelte.

Nun ist es so, dass der Bundesliga-Standort Augsburg zu den ruhigsten zählt, Extravaganz ist die Ausnahme. "Es würde über ihn wahrscheinlich auch in der Zeitung stehen, wenn er seine Trinkflasche wegwirft", sagt Werner. Beim FCA versuchen sie zwar, Caiuby zu disziplinieren, nach seinem Sommerurlaub zahlte er eine hohe Geldstrafe. Doch es wirkt, als würden sie die Aufregung gelassenhinnehmen. "Klar gibt es das eine oder andere, wo man mit ihm drüber reden muss", sagte Trainer Manuel Baum am Dienstag. Aber Caiuby sei es "definitiv wert", die Zeit in ihn zu investieren. Manager Reuter sagte: "Was bei ihm heraussticht, ist, dass er sich für die Jungs immer reinhaut, darum verzeiht eine Mannschaft das einfach." Seine Mitspieler verteidigen ihn. Abwehrspieler Hinteregger sagte, Caiuby habe "alles wieder zurückgegeben".

Vielleicht kann der FCA, der zum frühen Zeitpunkt dieser Saison einen sehr reifen Eindruck macht, ja etwas Unruhe verkraften. An Caiubys Wert besteht kein Zweifel. Das kann seine Statistik - 13 Tore in 107 Spielen - nur andeuten. Das zeigt sich eher, wenn er, 184 Zentimeter groß, beim Kopfball mit brachialer Wucht eine Etage höher als alle anderen springt. Er ist wie der Kumpel, der auf keiner Party fehlen darf, auch wenn man befürchten muss, dass ein paar Möbel kaputtgehen.

Tobias Werner, der weiterhin Kontakt zur Mannschaft pflegt, sagt, dass Caiubys Geschichten ein Kabinenthema seien, wenn auch nicht das wichtigste. "Er ist gut beraten, wenn jetzt erst mal nichts mehr passiert." Aber die Aufregung habe auch etwas Positives, glaubt Werner: Gäbe es nur den einen Caiuby, den auf dem Rasen, sei der für Augsburg eigentlich zu gut.

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