FC Augsburg:Sisyphos lässt grüßen

FC Augsburg: Einer von nur noch zwei gesunden Innenverteidigern im Kader: Maximilian Bauer (rechts), Zugang von der SpVgg Greuther Fürth, ist beim FC Augsburg gleich gesetzt.

Einer von nur noch zwei gesunden Innenverteidigern im Kader: Maximilian Bauer (rechts), Zugang von der SpVgg Greuther Fürth, ist beim FC Augsburg gleich gesetzt.

(Foto: Christian Kolbert/Kolbert-Press/Imago)

Dem FC Augsburg brechen im Neuaufbau immer wieder tragende Säulen weg. Vor dem Spiel in Hoffenheim stellt sich sogar die Frage, ob mangels Innenverteidigern die Grundordnung verändert werden muss.

Von Maik Rosner

Eine nennenswerte Anhöhe lässt sich im Augsburger Stadtgebiet nicht finden, jedenfalls nicht dort, wo die Häuser der rund 300 000 Einwohner stehen. Die Höhe der Zentrums wird mit 494 Metern über dem Meeresspiegel angegeben, das Rathaus muss sich laut Stadt mit 489 Metern begnügen. Um deutlich über 500 Meter hinauszukommen, ist in Augsburg eine Reise in die Randgebiete erforderlich. Zum Beispiel in den Südwesten mit dem ländlichen Ortsteil Bergheim, der seinen Namen nicht zu Unrecht trägt, weil sich westlich von diesem ein hügeliges Waldgebiet erstreckt. Die Alternative bietet im Norden an der Autobahn A8 das Ausflugsziel Müllberg. Dieser ist auch deshalb beliebt, weil er als solcher dank Grasbewuchs nicht mehr zu erkennen ist und mit 512 Metern über Normalnull die Umgebung überragt, Fernblick auf die bodenständige Stadt inklusive. Doch diese Ausnahmen bestätigen nur die Regel, wonach Augsburg auf ebenem Grund steht.

Trotz dieser Topografie erinnert beim FC Augsburg gerade manches an die griechische Mythologie und die Figur des Sisyphos. Dieser scheiterte ja stets daran, einen Felsblock an einem steilen Hang bis nach ganz oben zu rollen. Beim FCA haben sie sich vor dieser Saison die ähnlich schwere Aufgabe zum Ziel gesetzt, nach Jahren des Darbens auf niedrigem Niveau einen attraktiven und konstruktiven Spielstil mit mehr Ballbesitz zu entwickeln. Erste positive Impulse des neuen Trainers Enrico Maaßen waren in den bisherigen vier Pflichtspielen in der Bundesliga und im DFB-Pokal schon zu erkennen. Dennoch könnte sich der 38 Jahre alte Fußballlehrer gerade ein wenig fühlen wie Sisyphos. Denn der Neuaufbau beim FC Augsburg ist vor dem Spiel bei der TSG Hoffenheim an diesem Samstag ebenfalls vom Motiv der wiederkehrenden Rückschläge geprägt.

"Es ist auch immer eine Chance, dass man zusammenrutscht": Trainer Maaßen versucht, den vielen Verletzten etwas Positives abzugewinnen

Beim FCA ist es kein Stein, der ständig den Berg hinabrollt. Beim Bundesligisten plagen sie sich damit herum, dass während ihrer Aufbauarbeiten immer wieder tragende Säulen wegknicken. Haben sie gerade Fortschritte bei der Spielkultur gemacht, bröckelt das Fundament schon wieder und sie müssen dieses notdürftig reparieren. Kurz vor Saisonbeginn erlitt der fest eingeplante Sechser Niklas Dorsch bei der Generalprobe gegen Stade Rennes einen Anbruch des linken Mittelfußknochens. Weil er noch einige Wochen ausfallen wird, wurde der zuletzt vereinslose Mittelfeldspieler Julian Baumgartlinger, 34, verpflichtet.

Beim 1:2 gegen Mainz am vergangenen Samstag zog sich der halblinks gesetzte Innenverteidiger Felix Uduokhai einen Riss der Syndesmose zu. Er wird ebenfalls längere Zeit fehlen. Das gilt auch noch für dessen ähnlich wichtigen Abwehrkollegen Reece Oxford nach einer Knie-Operation. Zudem fällt Innenverteidiger Frederik Winther für das Spiel in Hoffenheim angeschlagen aus, ebenso Offensivspieler André Hahn, eine weitere Säule der vergangenen Jahre. Noah Sarenren Bazee und Tobias Strobl befinden sich nach Kreuzbandrissen ohnehin schon länger im Krankenstand.

"Die Verletzungen sind nicht schön, es sind wichtige Spieler, die wegbrechen", sagt Maaßen. Er versucht es positiv zu sehen: "Die Situation, dass so viele fehlen, ist auch immer eine Chance, dass man zusammenrutscht." Man müsse eben kreativ sein. Vom eingeschlagenen Weg ist Maaßen ohnehin überzeugt, er will sich davon nicht abbringen lassen, trotz des prekären Personalstands. "Wir müssen mutig bleiben", fordert Maaßen. Mehr Konstanz in die guten Ansätze zu bringen, sei das nächste Lernziel. Zudem solle sich seine Mannschaft häufiger trauen, in die Räume im letzten Drittel zu spielen, um mehr Chancen zu kreieren.

Mit einer Viererkette würden sie in Hoffenheim gewissermaßen bei Null beginnen

Für den Augsburger Trainer stellt sich allerdings die Frage, wie er die Absenzen auffängt. Als Fachkräfte für die Innenverteidigung stehen ihm nur noch Kapitän Jeffrey Gouweleeuw, 31, und Maximilian Bauer, 22, zur Verfügung. Letzterer war in diesem Sommer von der SpVgg Greuther Fürth ablösefrei zum FCA übergelaufen. Schon in den vergangenen Wochen profitierte der Zugang von den Ausfällen der Kollegen und absolvierte drei der vier Pflichtspiele über 90 Minuten. Nun sind die Augsburger auf seine Dienste sogar angewiesen.

Für das unter Maaßen bisher stets praktizierte System mit einer Dreierkette in der Abwehr fehlt ja schon jetzt ein gelernter Innenverteidiger. Entweder müsste deshalb ein Kollege aus einem anderen Mannschaftsteil die für ihn ungewohnte Position übernehmen oder erstmals eine Viererkette aufgeboten werden. Das hätte allerdings den Nachteil, dass alles, was Maaßen mit der gesamten Mannschaft in seiner mehr als zweimonatigen Aufbauarbeit geübt hat, nun anders aussähe. Denn mit einer neuen Grundordnung verändern sich auch die Lauf- und Passwege, deren Winkel, die gesamte Statik. Mit einer Viererkette würden sie in Hoffenheim also gewissermaßen bei Null beginnen. Sisyphos lässt grüßen. Auch ohne Berg und Stein.

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