FC Augsburg:Reservisten-Aufstand

Nach dem 4:0 gegen Hertha BSC äußert der nächste Augsburger seine Unzufriedenheit: "Ich muss immer spielen", sagt Verteidiger Jeffrey Gouweleeuw.

Von Sebastian Fischer

Augsburger Fans haben eine der anspruchsvollsten Aufgaben aller Anhänger in der Bundesliga. "Jeffrey", rief der Stadionsprecher ihnen am Sonntagnachmittag beim Verlesen der Startaufstellungen entgegen. "Chau-We-Lu!", antworteten sie. Es war die respektable Aussprache des komplizierten Nachnamens eines Augsburger Innenverteidigers. Seit Mai hatten sie ihn nicht mehr gerufen. Viel zu lange, fand Jeffrey Gouweleeuw.

Der Sonntag war eigentlich ein Tag der guten Laune für den FC Augsburg. Die Mannschaft, die zu Saisonbeginn für teils groteske Fehler belächelt wurde, danach mit defensiv soliden Leistungen an Sicherheit gewann, schlug Hertha BSC mit 4:0 - rund sechzig Minuten in Überzahl zwar, aber trotzdem überzeugend. Es war der zweite Sieg in Serie. Und doch ging es danach auch um ein Problem, um "die Moderation dieses tollen Kaders", wie es Trainer Martin Schmidt ausdrückte.

Der Niederländer Gouweleeuw zum Beispiel, 28 Jahre alt, seit 2016 in Augsburg und in den vergangenen Jahren der wohl wichtigste Abwehrspieler, ging nach der Partie eher schlecht gelaunt in die Kabine. Er hatte nach Verletzungsproblemen erstmals seit dem 18. Mai, also seit dem 34. Spieltag der Vorsaison, von Beginn an gespielt. "Es hat zu lange gedauert", sagte er. "Meine Meinung war, dass ich vor drei, vier Wochen schon hätte spielen können." Überhaupt: "Ich finde, wenn ich fit bin, muss ich immer spielen." Und: "Ich finde, dass es zu lange gedauert hat, bis der Trainer mit mir geredet hat."

Torchance Jeffrey GOUWELEEUW (Augsburg-li), scheitert an Torwart Dennis SMARSCH (B) Aktion. Fussball 1. Bundesliga,12.Sp; Gouweleeuw

„Ich finde, wenn ich fit bin, muss ich immer spielen“, sagt Jeffrey Gouweleeuw (links) – und wenn er spielt, schießt er auch mal auf das Tor.

(Foto: Frank Hoermann/imago)

Die ersten sieben Spiele der Saison hatte Gouweleeuw wegen Adduktorenproblemen im Kader gefehlt, Schmidt hatte ihm eine lange Pause verordnet, damit er erst bei bester Fitness in den Spielbetrieb einsteigt - anders als in der Vorsaison, als er offenbar spielte, obwohl er eine Pause benötigt hätte. Beim 0:0 in Wolfsburg Ende Oktober war er erstmals für die letzten sieben Minuten eingewechselt worden.

Es war auch Gouweleeuws Verletzung, die überhaupt erst die Ausleihen der Innenverteidiger Tin Jedvaj und Felix Uduokhai notwendig gemacht hatte. Nun spielte Gouweleeuw vor allem deshalb, weil Uduokhai angeschlagen war. Er habe zuletzt nicht wechseln wollen, damit sich die Abwehr einspielen könne, stabilere Leistungen hätten ihm recht gegeben, sagte Schmidt: "Die Spiele haben das nicht hergegeben, dauernd durcheinander zu wirbeln."

Mit Gouweleeuw habe er in der vergangenen Woche ein gutes Gespräch geführt. Angesprochen auf den Frust des Verteidigers, außerdem stellvertretender Kapitän, sagte der Trainer: "Er, mit seinem Status, darf das so artikulieren."

Gouweleeuw ist allerdings nicht der einzige Spieler im Kader, der zuletzt seine Unzufriedenheit geäußert hat. Michael Gregoritsch, der unter anderem mit den Worten "Hauptsache weg" seinen Wechselwunsch im Winter hinterlegt hatte, ist deshalb noch bis Dienstag suspendiert. Gouweleeuw sagte dazu: "Ich finde, jeder Spieler darf seine Meinung haben."

24.11.2019, 1.Bundesliga, 12.Spieltag, FC Augsburg vs Hertha Berlin, WWK Arena Augsburg, Fussball, im Bild: Trainer Mart; Gouweleeuw

Sagt, er habe mit Gouweleeuw (r.) in der vergangenen Woche ein gutes Gespräch geführt: Trainer Schmidt (l.).

(Foto: Philippe Ruiz/imago)

Manager Stefan Reuter sieht das etwas anders. Er erzählte am Sonntag, wie er einst als Spieler bei Borussia Dortmund unter Matthias Sammer auf der Bank saß, obwohl er sich nach einer Verletzung wieder fit fühlte. Kein Trainer der Welt werde an Qualität vorbeikommen, auch Gregoritsch werde "definitiv" noch gebraucht. Nur mahnte Reuter zu Geduld: "Wenn die Chance kommt, musst du da sein, das ist die richtige Reaktion." Auch dafür hatte er ja am Sonntag Beispiele gesehen.

Da war zum einen Stürmer Sergio Córdova, der ebenfalls erstmals in der Startelf stand, als Vertreter des verletzten Alfred Finnbogason. Gemeinsam mit Florian Niederlechner rannte er die Berliner Verteidiger an, was diese schon in Gleichzahl oft überforderte. Außerdem traf Córdova zum wegweisenden 2:0, als Hertha-Torwart Rune Jarstein zunächst den Ball gegen Niederlechner verlor und dann foulte, sodass er nach dem Treffer die rote Karte sah.

Da war außerdem André Hahn, der erstmals seit Anfang Oktober wieder spielte, weil Marco Richter leicht angeschlagen ausgewechselt werden musste. Hahn nutzte die Räume in Überzahl, um nach einem Dribbling vom rechten Flügel nach innen das 3:0 zu erzielen. Nach einem weiteren Alleingang hätte er fast das 4:0 geschossen. "Überragend", fand Reuter Hahns Leistung am Sonntag.

Auch in der Viererkette gab es zuletzt eine Änderung, bereits beim 1:0 in Paderborn: Raphael Framberger spielt derzeit anstelle von Stephan Lichtsteiner als Rechtsverteidiger. Ob dies nun die neue Stammbesetzung in der Abwehr sei, da wollte sich Gouweleeuw nicht festlegen. "Ich finde: Wenn ich spiele, ist alles gut", sagte er und lachte dann doch ein wenig. Seine Wut hatte er da auch bereits ins Positive umgedeutet. Früher, als der FC Augsburg mal für Ruhe stand, seien halt alle zufrieden gewesen, überhaupt in der Bundesliga mitspielen zu dürfen. Aber: "Man muss immer höhere Ziele haben."

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