FC Augsburg:Plötzlich "Depp"

1.Bundesliga FC AUGSBURG - 1.FC KOELN Augsburg, Deutschland, 7. Juni 2020, Timo HORN, 1.FCK 1 hält den 11 Meterschuss v

Halbhoch nach links: Florian Niederlechner (Mitte) scheitert vom Elfmeterpunkt an Torwart Timo Horn vom 1. FC Köln.

(Foto: Peter Schatz/Pool/Imago)

Der in der Hinrunde überragende Stürmer Florian Niederlechner hat seit zehn Spielen nicht mehr getroffen, auch deshalb kämpft Augsburg weiter gegen den Abstieg.

Von Sebastian Fischer

Eigentlich gehört Florian Niederlechner zu den Bundesligaprofis, für die eine Besonderheit von Spielen ohne Zuschauer gar nicht so besonders ist. Zu Beginn seiner Laufbahn spielte der 29-Jährige für den FC Falke Markt Schwaben in der Landesliga, Amateurfußball. Er müsste sich also noch gut daran erinnern können, wie das ist, wenn man das Wort seiner Mitspieler und Gegner auf dem Platz sehr genau versteht. Doch genau das wurde ihm nun zum Verhängnis. So hat er es jedenfalls erzählt.

"Ich habe den größten Fehler gemacht, den man als Elfmeterschütze machen kann. Ich habe den Ball hingelegt, rechts ist eigentlich meine Ecke, wo ich bisher jeden gemacht habe, und dann kam von hinten ein Kommentar, den ich wegen der scheiß Geisterspiele gehört habe", sagte Niederlechner am Sonntagabend, nach dem 1:1 gegen den 1. FC Köln im TV-Interview. Der angesprochene Kommentar kam vom Kölner Verteidiger Toni Leistner, an den Torwart Timo Horn gerichtet. "Der hat gerufen, du weißt, wo er immer hin schießt. Das hat mich dazu gebracht, dass ich mich umentschieden habe. Das war ein großer Fehler. Ich habe mich beeinflussen lassen." Niederlechner schoss halbhoch nach links, Horn hielt, Augsburg ging nicht in Führung und musste am Ende zufrieden sein mit dem Punkt. Philipp Max glich in der 88. Minute das 0:1 durch Kölns Anthony Modeste aus der 85. Minute noch aus.

Es lässt sich unter anderem an der Formkurve Niederlechners erklären, warum der FC Augsburg vier Spiele vor Saisonende mit vier Punkten Vorsprung vor dem Relegationsplatz noch immer in Abstiegsgefahr ist. Es gab eine Phase im Spätherbst, da war er einer der Bundesligaspieler der Stunde, Augsburg gewann von sechs Spielen in Serie fünf und der Stürmer traf ständig. Elf Saisontore hat er erzielt, acht vorbereitet. Doch inzwischen war er seit zehn Partien an keinem Tor mehr beteiligt. Am Sonntag vergab er nach dem Elfmeter eine weitere Chance. "Ich war schon oft der Held, heute war ich der Depp", sagte er.

Dass die weiterhin latente Abstiegsgefahr die Augsburger offensichtlich etwas nervös macht, war auch an der Reaktion von Trainer Heiko Herrlich abzulesen. Ausgesprochen echauffiert kritisierte er die Entscheidung von Schiedsrichter Benjamin Cortus, Anfang der zweiten Halbzeit nicht noch einen Elfmeter zu pfeifen, nachdem Noah Sarenren Bazee im Zweikampf mit den Kölner Verteidigern Raphael Czichos und Ismail Jakobs im Strafraum zu Boden gegangen war. Herrlich sagte bei Sky: "Es geht hier darum, die Klasse zu halten. Und da sitzt einer, der 30 Kilometer weg von Köln lebt" - er meinte den Video-Assistenten Guido Winkmann, der im rheinischen Kerken etwa 85 Kilometer entfernt von Köln wohnt und dem er damit indirekt fehlende Objektivität vorwarf. "Das kann nicht sein", sagte Herrlich, "so was ist ein Skandal." Er fand: "Einen klareren Elfmeter gibt es gar nicht."

Trotz der durchaus gewagten Unterstellung verzichtet der DFB auf die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch den Kontrollausschuss, wie der Verband mitteilte. In der Pressekonferenz nach dem Spiel fügte Herrlich seiner Kritik immerhin hinzu, sein Team müsse sich ob schwacher Chancenverwertung auch "an die eigene Nase packen". Er lobte den Elfmeter-Fehlschützen Niederlechner zwar für dessen Arbeit für die Mannschaft. Und der Trainer, selbst früher Angreifer, ergänzte, dass man sich um einen Stürmer nur sorgen müsse, wenn er sich keine Chancen mehr erspiele. Andererseits stellte er aber auch in Aussicht, demnächst einen anderen Elfmeterschützen zu nominieren.

Dass es in irgendeinem Mannschaftsteil stets ein wenig hapert, das zieht sich durch die Augsburger Saison. Da war zunächst das Problem auf der Torwartposition, das vorläufig gelöst zu sein scheint, indem der eigentliche Ersatzkeeper Andreas Luthe gerade fehlerfrei hält, während der im Sommer teuer verpflichtete Tomas Koubek als Ersatzspieler zuschaut. Auch auf der Rechtsverteidigerposition, für die der Klub sich auf dem Transfermarkt nach Verstärkung umsieht, spielte Raphael Framberger gut, bereitete den Ausgleich vor. Und selbst das Fehlen von Kapitän Daniel Baier wegen einer Mandelentzündung machte sich nicht so bemerkbar wie sonst, wenn der beste Passspieler im Mittelfeld nicht mitwirken kann. Dass im Sommer als weitere Option für die Sechserposition Tobias Strobl als ablösefreier Zugang kommen soll, bestätigte dessen aktueller Klub Borussia Mönchengladbach am Montag.

Beim Tabellenfünfzehnten Mainz wird es am Samstag genau wie beim Sechzehnten Düsseldorf am 33. Spieltag vor allem darauf ankommen, defensiv gut zu stehen. Selbst zwei Unentschieden gegen die Konkurrenz im Abstiegskampf dürften wohl reichen, um nicht abzusteigen. Ein Stürmertor würde dabei aber nicht schaden.

Bislang scheint von den Offensivspielern nur Sarenren Bazee nach der Corona-Pause in besserer Form zu sein. Der Sommerzugang aus Hannover, 23, vor der Saisonunterbrechung nur insgesamt 14 Minuten auf dem Platz, spielte gegen Köln zum zweiten Mal hintereinander von Beginn an. Außerdem kehrte Alfred Finnbogason nach seiner Knieverletzung als Einwechselspieler zurück. Der Isländer hat allerdings genau wie Niederlechner zuletzt im Februar getroffen.

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