FC Augsburg:Operation stabile Hüfte

Augsburg Deutschland 01 07 2019 1 Bundesliga FC Augsburg Trainingsauftakt Fitnessuebungen Au

Und jetzt alle schön durchstrecken: Dass sich künftig auch die Fitness-Abteilung des FCA auf der Höhe der Zeit bewegt, freut Trainer Martin Schmidt sehr. Er warb Athletiktrainer Daniel Müller vom EHC München ab.

(Foto: imago images / eu-images)

Sechs neue Spieler hat der Klub in der Sommerpause verpflichtet, fünf abgegeben. So unruhig wie in der vergangenen Bundesliga-Saison soll es nicht mehr werden.

Von Thomas Hürner

Vermutlich wollte Martin Schmidt gar nicht vorführen, warum sie ihn beim FC Augsburg für den richtigen Trainer halten, aber seine Intuition führte ihn schnurstracks zu einem ihm offenbar bekannten Reporter. Mit breitem Grinsen streckte Schmidt diesem seine Hand entgegen, ein beherzter Ruck, und beinahe wäre der junge Mann auf die Nase gefallen. "Da fehlt's an Stabilität", analysierte der Schweizer und deutete auf seinen Rumpfbereich.

Lockerheit, Stabilität, das sind ja genau jene Markenzeichen, die den Augsburgern in der vergangenen Saison abhanden gekommen waren. Ab Winter wurden die Niederlagen immer heftiger und die Unruhe immer größer. Als man dachte, die Laune hätte ihr Allzeittief erreicht, kamen sie in Augsburg auch noch auf die abenteuerliche Idee, Jens Lehmann als neuen Co-Trainer zu engagieren. Einen Mann also, der auf eine verdienstvolle Karriere zurückblicken kann, dummerweise hatte zu diesen Verdiensten nur nie eine stimmungsaufhellende Aura gehört. Wenige Wochen später musste Lehmann wieder gehen, weil Manuel Baum als erst zweiter Trainer in acht Jahren Augsburger Bundesligageschichte entlassen wurde. Im April kam dann Martin Schmidt, und mit ihm gab es Zuversicht und dann den Klassenverbleib.

Die Mannschaft deutete an, wozu sie mit dem neuen Trainer in der Lage sein könnte: Sie spielte geradliniger, schneller und fegte sogar mal mit sechs Treffen über den VfB Stuttgart hinweg. Es schien alles vorbereitet für einen heiteren Saisonausklang, aber dann musste sich der FCA noch unbedingt die höchste Bundesliganiederlage der Klub-Geschichte einfangen, ein 1:8 beim VfL Wolfsburg. Für Schmidt war das im Nachhinein aber "ein ganz guter Saisonabschluss", denn ansonsten hätte sich bei einigen im Klub womöglich ein folgenschwerer Irrglaube verfestigt: "Alle dachten schon, jetzt steht eine neue Himmelfahrt an, jetzt geht's nur noch bergauf." Schmidt sei angesichts der unruhigen Vorsaison hingegen klar gewesen: Dieses Team braucht Veränderung, und davon nicht gerade wenig.

Vom FC Dallas kommt der Ecuadorianer Carlos Gruezo, 24

Dem Ansinnen ihres Trainers wollen sie beim FCA offensichtlich Folge leisten. Beim Trainingsauftakt am Montag fehlte der Rechtsverteidiger Jonathan Schmid, der für angeblich vier Millionen Euro zurück zu seinem Jugendverein SC Freiburg wechselt. Langjährige Mitarbeiter wie Konstantinos Stafylidis (Hoffenheim), Ja-cheol Koo, Christoph Janker und Jan-Ingwer Callsen-Bracker (alle bislang ohne neuen Klub) haben ihre Verträge nicht verlängert oder kein neues Angebot erhalten. Dafür durfte Schmidt bereits ein halbes Dutzend neuer Spieler in Empfang nehmen. Und mit Ausnahme von Stürmer Florian Niederlechner, zuletzt in Diensten des SC Freiburg, weisen die Transfers Gemeinsamkeiten auf: Sie können nur wenig oder keine Bundesligaerfahrung vorweisen, sie sind jung und meist in rasantem Tempo auf den Außenbahnen unterwegs.

Unsummen hat keiner gekostet. Der Teuerste ist der brasilianische Linksverteidiger Iago, 22, für den die Augsburger 6,5 Millionen Euro an seinen bisherigen Klub Internacional Porto Alegre überweisen. Von Hannover 96 kommt der Angreifer Sarenren Bazee, 22, den Schmidt aufgrund seines Spielstils bereits mit dem ehemaligen Dortmunder Ousmane Dembélé verglich. Womöglich also eine ergiebige Geldanlage. Die weiteren Flügelflitzer heißen Ruben Vargas (20, zuvor beim FC Luzern) und Mads Pedersen (22, FC Nordsjaelland). Das defensive Mittelfeld verstärken soll der Ecuadorianer Carlos Gruezo, 24, vom FC Dallas. "Ein Krieger, Typ Vidal", sagt Schmidt. Gruezo selbst bedankte sich erst einmal sanftmütig für seinen "zweiten Anlauf in der Bundesliga", sein erster beim VfB Stuttgart erwies sich nämlich für beide Seiten als Missverständnis.

Man kann dem neuen Technischen Direktor Timon Pauls, 27, also nicht nachsagen, dass er nicht eifrig am Augsburger Umbau arbeiten würde, denn neben der Spielersuche auf der ganzen Welt gehört auch die umfassende Berichterstattung darüber zu seinen Kernaufgaben. Bei den täglichen Telefonkonferenzen mit Trainer Schmidt und Manager Stefan Reuter dürfte es besonders interessierte Nachfragen darüber geben, wie es denn mit einem neuen Torwart aussieht. Aus dem Leihengagement von Gregor Kobel, die Nummer eins der Rückrunde, hätten die Augsburger gerne eine dauerhafte Zusammenarbeit gemacht. Dies entsprach aber nicht den Vorstellungen der TSG Hoffenheim, weshalb der Schweizer in der kommenden Saison für den VfB Stuttgart spielt. Medienberichten zufolge haben die Augsburger nach Kobel und Marwin Hitz, der im vergangenen Jahr nach Dortmund abwanderte, aber bereits den nächsten Eidgenossen im Visier: den Leipziger Ersatztorhüter Yvon Mvogo.

Als das komplizierteste Unterfangen gilt die Rückkehr des Verteidigers Martin Hinteregger. Nach öffentlicher Kritik am ehemaligen Trainer Manuel Baum wurde der Österreicher an Eintracht Frankfurt ausgeliehen. Dort haben ihm die rauschenden Europapokalnächte so gut gefallen, dass er gern bleiben würde, die Klubs konnten sich aber bislang nicht auf eine Ablösesumme verständigen. Am Montag wird Hinteregger die neue Spielzeit beim FCA beginnen. Dass er nochmal ein Pflichtspiel für den FCA bestreitet, darf aber angezweifelt werden. Gar nicht erst mittrainieren wird der Brasilianer Caiuby, der eigenhändig seinen Winterurlaub verlängert hatte und zum FC Zürich geschickt wurde.

Angesichts dieser Unwägbarkeiten klingt es wie eine gute Nachricht, dass der für Schmidt "wichtigste Transfer" bereits durch ist. In Athletiktrainer Daniel Müller, vormals für die Fitness der Eishockeyprofis des EHC München und der deutschen Nationalmannschaft verantwortlich, habe man eine "echte Koryphäe" verpflichtet. Wieder deutete Schmidt auf seinen Rumpfbereich: Genau, die Stabilität. Der Gedanke daran schien ihm sichtlich Freude zu bereiten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: