FC Augsburg:In den Händen des Helfers

l r Philipp Max 31 FC Augsburg und Andreas Luthe 1 FC Augsburg liegen sich nach dem Schlusspfi; Andreas Luthe - FC Augsburg

Gespräche vor jedem Spiel: Andreas Luthe (rechts) ist nicht nur Torwart, er ist in Augsburg auch Mentor für Spieler wie Philipp Max (links).

(Foto: imago/kolbert-press)

Nach den Fehlern von Fabian Giefer ist die neue Nummer eins Andreas Luthe, den nicht nur seine Fähigkeiten als Torwart auszeichnen.

Von Sebastian Fischer

Der Fußballer Andreas Luthe hat im Sommer eine Ausnahme gemacht: Er hat mehr als üblich an Fußball gedacht. Der Torhüter des FC Augsburg ist Mitgründer des Vereins "In safe Hands", der sich für die Integration benachteiligter Jugendlicher einsetzt. Luthe kümmert sich um Fundraising und Strategieentwicklung. Doch für die Saisonvorbereitung hat er sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Er hatte nämlich etwas wichtiges vor. Und mit leichter Verspätung hat er sein Vorhaben erfüllt: Luthe, 31, ist nun erstmals in seinem Leben Bundesligastammtorwart.

Gegen Freiburg könnte Alfred Finnbogason zurückkehren

Am Dienstag, nach dem 1:1 beim FC Bayern, verließen im Abstand von ein paar Minuten zwei der Protagonisten des Augsburger Fußballs der vergangenen Wochen das Stadion. Zunächst kam Fabian Giefer, 28, der als Stammtorwart in die Saison gestartet war - bis ihm am dritten und vierten Spieltag drei schlimme Fehler unterliefen, die zu Niederlagen in Mainz und gegen Bremen führten und Trainer Manuel Baum vor Mitleid und Enttäuschung mit den Tränen kämpfte. "Freuen tut so was einen nicht", sagte Giefer. Gegen München saß er auf der Bank. "Fragt die anderen Jungs, die haben heute einen besseren Job gemacht", sagte er den Journalisten.

Einer der anderen Jungs war Luthe. Er sprach von "harten Wochen", er sagte: "Ich habe eine gute Vorbereitung gespielt und musste mich dann doch hinter Fabian einordnen." Zuletzt war er an der Patellasehne verletzt, erst am Vortag des Spiels gegen München trainierte er schmerzfrei. "Mich kriegt man nicht so leicht überrumpelt", sagte er ruhig und lächelte. "Ich weiß, wie ich Fußball spielen kann und was ein Torhüter zu leisten hat." Am Sonntag gegen Freiburg, wenn auch der bislang verletzte Stürmer Alfred Finnbogason zurückkehren könnte, um die Augsburger Sorgen in der Chancenverwertung zu mindern, wird Luthe wieder im Tor stehen. Er ist die neue Nummer eins.

Luthe hielt gegen den deutschen Meister unter anderem einen Schuss von Serge Gnabry und einen aus nächster Nähe von Sandro Wagner, dem selbsternannt besten Stürmer Deutschlands. Er machte die einfachen Dinge richtig. Luthe hat seit 2016, als er vom Zweitligisten Bochum nach Augsburg wechselte, in insgesamt vier Ligaspielen stets zuverlässig gehalten, wenn er als Nummer zwei den im Sommer nach Dortmund gewechselten Marwin Hitz ersetzen sollte. "Er hat uns mit in der Liga gehalten", sagt Augsburgs Torwarttrainer Zdenko Miletic. Doch man würde Luthe wohl nicht gerecht, würde man ihn nur mit Paraden beschreiben, seiner Stärke auf der Linie, der Leistung auf dem Platz. Er sagt selbst: "Für mich bedeutet der Job Fußballprofi nicht nur, 90 Minuten auf dem Platz zu stehen. Training, Kabine, das alles ist Profifußball." Und: "Ich definiere mich nicht nur darüber, ob ich in der Bundesliga spiele."

Luthe ist vor allem ein Teamspieler, als Ratgeber unter den Kollegen ausgesprochen geschätzt. Schon in Bochum, bei seinem Heimatklub, bei dem seine Fußballkarriere eher unverhofft als Informatikstudent begann, genoss er den Ruf großer Loyalität. Wenn man etwa seinen früheren Trainer Peter Neururer nach einem Beispiel fragt, dann erzählt der, wie ihn der Torwart einst in Bochum begrüßte: Luthe sagte Neururer, dass er sich beim Vorstand gegen einen Trainerwechsel ausgesprochen habe, das solle er als neuer Trainer wissen. Luthe blieb der Kapitän, von dem Neururer noch immer schwärmt.

In Augsburg, noch ein Beispiel, trinkt Luthe vor jedem Spiel einen Kaffee mit Linksverteidiger Philipp Max, 24, auf dessen Wunsch. "Wenn die Jungs einen Rat brauchen, ist es oft so, dass sie zu mir kommen. Dann versuche ich zu helfen", sagt Luthe. Die Gespräche handeln dann nicht immer von Fußball. Es ist nicht nur sein Engagement für Kinder, das ihn vom Stereotyp des Profis trennt. Man kann sich auf Youtube ein Video ansehen, in dem er für vegane Ernährung wirbt. Im Sommer las er nur ausnahmsweise die Biografie des Mixed-Martial-Arts-Trainers John Kavanagh, eigentlich interessiert er sich für Philosophie. Abseits des Trainingsgeländes beschäftigt er sich eher wenig mit seinem Job. Er macht täglich Übungen, um besser auf seinen Körper zu hören: Ruhe finden im unruhigen Geschäft, sagt er.

"Ich bin fußballerisch besser geworden", sagt Luthe

Bei aller Ausgeglichenheit hat er sich trotzdem geärgert, als sich Baum vor dem ersten Spieltag, nachdem Luthe im DFB-Pokal überzeugt hatte, für Giefer entschied. Und es hat auch nicht unbedingt geholfen, dass sein Trainer, der frühere Torhüter, den Entschluss nur mit einer Bauchentscheidung begründete.

Luthes Kritiker sagen, er sei für die erste Liga eine typische Nummer zwei, fußballerisch nicht gerade der Typ moderner Torwart. Er selbst findet, dass er so gut ist wie noch nie. "Ich bin fußballerisch besser geworden", sagte er vor der Saison. Beim FC Augsburg suchen sie nach der Dramatik um Giefer keinen Helden, sondern einen Rückhalt. Einen, der unaufgeregt spielt, nicht übermotiviert. Sie verlassen sich auf Luthe.

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