Der Mann des Abends genoss erst einmal das Buffet. "Reece isst gerade noch etwas, dann kommt er", informierte eine Mitarbeiterin des FC Augsburg die Pressevertreter, die noch übrig geblieben waren in der beschaulichen Interviewzone des Holsteinstadions von Kiel. Reece Oxford, der an diesem kühlen Mittwochabend im Norden als einziger Augsburger eine überzeugende Leistung hatte abliefern können, sagte in höflichem, sehr britischem Englisch, dass auch er ganz zufrieden war mit seiner Leistung beim 1:0-Sieg über Holstein Kiel: "Wir haben es defensiv ordentlich gemacht, irgendwie die Null gehalten", sagte Oxford, dann fügte er mit einem Lachen an: "Es gab aber auch ganz schön was zu verteidigen."
Dass Oxford diesen Satz am Ende mit einem Lächeln sagen konnte, lag in erster Linie daran, dass die Augsburger überaus schmeichelhaft in die nächste Runde einzogen. Die spielbestimmende Mannschaft war eindeutig der Zweitligafünfte aus Kiel, wie auch dessen Trainer Tim Walter nach dem Spiel sagte: "Wir haben Augsburg 90 Minuten lang dominiert und alles auf den Platz gebracht, was wir uns vorgenommen hatten." Etwa ab der 15. Minute hatten die Kieler mit ihrem aggressiven Pressing und einem zwar risikoreichen, aber überaus präzisen Passspiel aus der Defensive heraus dem Erstligisten die spielerischen Grenzen aufgezeigt, Angriff nach Angriff rollte über die Flügel in den Strafraum der Augsburger, die sich in der 36. Minute beim Pfosten, meistens aber bei Oxford bedanken konnten, dass sie nicht schon zur Halbzeit klar zurücklagen.
Immer wieder klärte der 20-jährige Zugang von West Ham United in höchster Not, während sich seine Nebenmänner schwer taten gegen die flinken Kieler Flügelstürmer. Die Abwehr der Augsburger, soviel sei gesagt, war jedoch unter dem Motto "Jugend forscht" aufgestellt, Oxford spielte neben Kevin Danso, 20, und Felix Götze, 20, im Tor stand Gregor Kobel, 21. Philipp Max, 25, als Linksverteidiger übernahm fast schon eine väterliche Rolle und dämmte immerhin die meisten Angriffe über seine Seite ein - vor allem Götze war jedoch überfordert und wurde von Trainer Manuel Baum noch vor der Pause durch Konstantinos Stafylidis ersetzt.
Die aufgrund der Ausfälle von Alfred Finnbogason, Ja-Cheol Koo (beide nach dem Mainz-Spiel angeschlagen) und Jonathan Schmid (Adduktorenverletzung im Abschlusstraining) unausweichliche Rotation wollte Baum dennoch nicht als Ausrede für das schwache Abschneiden gelten lassen: "Wir sind Erstligist und haben als solcher höhere Ansprüche - auch wenn wir ersatzgeschwächt waren", sagte Baum. "Wir waren im Spielaufbau extrem mutlos, hatten ein schwaches Zweikampfverhalten und haben zu wenig gepresst." In der Analyse waren die Augsburger durchaus hart zu sich selbst, auch Manager Stefan Reuter traf einen ähnlichen Ton wie Baum: "Wir dürfen uns hier nicht so präsentieren, für mich ist das schon ein enttäuschender Auftritt. Dass Kiel so viele Großchancen hat, darf uns nicht passieren."
Dass auch diese deutliche Analyse den Augsburger Verantwortlichen im Nachhinein leicht fiel, lag daran, dass in einer erneut sehr dürftigen zweiten Halbzeit der eingewechselte Fredrik Jensen - mit 20 Jahren auch Teil der Jugend-forscht-Gruppe - zu einem Dribbling ansetzte und die Kieler Defensive mit einer Einzelaktion unter Druck setzte: 84 Minuten lang hatte Walters Mannschaft geordnet auf die wenigen Augsburger Offensivakzente reagiert. Nun jedoch stürmten alle Verteidiger auf den jungen Finnen zu, der zu Michael Gregoritsch querlegte, dessen platzierter Abschluss am Kieler Kenneth Kronholm vorbei den Weg ins Tor fand. "Vielleicht hatten wir am Ende das Glück, was uns bisher in dieser Saison so oft gefehlt hat", sagte Mittelfeldspieler Rani Khedira. Und Baum meinte: "Wir sind am Ende oft nach guten Leistungen mit leeren Händen dagestanden, diesmal war es andersrum."
Auf die Frage, was denn nun - außer dem Erreichen des Pokal-Viertelfinals - Positives blieb von diesem Abend, hatten die meisten Augsburger dieselbe Ant-wort: Reece Oxford. "Den haben wir heute einfach mal so reingeschmissen, obwohl er noch nicht so lange da ist. Dass er dann so eine Leistung zeigt, hat mich doch über-rascht", sagte Baum. "Reece war richtig stark, der hat uns in allen engen Situatio-nen gerettet", sagte Reuter. Und Oxford selbst? Der Engländer schien in Kiel alles zu genießen, außer dem Wetter: "Die Atmo-sphäre war cool, aber ehrlich: Es war ja noch kälter als bei mir zuhause."