FC Augsburg:Erst ist Baum den Tränen nahe - dann tadelt er

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Bremens Davy Klaassen bejubelt seinen Treffer zum 3:2, Augsburgs Torwart Fabian Giefer bleibt nach seinem vorangegangen Totalaussetzer das Nachsehen. (Foto: Stefan Puchner/dpa)
  • Der FC Augsburg verliert in der Bundesliga 2:3 gegen Werder Bremen.
  • Das große Thema hinterher ist der Patzer von Torwart Fabian Giefer vor dem letzten Bremer Treffer.
  • Trainer Manuel Baum denkt über einen Torwartwechsel nach.

Von Maik Rosner, Augsburg

Fabian Giefer zog umgehend die Handschuhe aus und verschwand wortlos im Kabinengang, ohne mit den Kollegen noch zu den Fans gehen, um sich für die Unterstützung zu bedanken. In Giefers Fall war diese allerdings auch nur in Teilen zu vernehmen gewesen. Neben Sprechchören mit seinem Namen hatte der Torwart des FC Augsburg auch einige Pfiffe erdulden müssen, nachdem ihm der bereits dritte folgenschwere Fauxpas in den jüngsten beiden Spielen unterlaufen war. Wie in der Vorwoche vor beiden Gegentoren bei der 1:2-Niederlage in Mainz mündete sein nächster Fauxpas diesmal gegen Werder Bremen in ein 2:3 (1:2), nach dem nicht nur Giefer um Fassung rang, sondern auch sein Trainer Manuel Baum, einst selbst ein Torwart.

Noch im Spielertunnel hatte sich der Augsburger Fußballlehrer lautstark geärgert, und auch wenig später, als er vor die Medien trat, ließ er seinen Frust ziemlich ungebremst heraus. Von einem "absolut dubiosen Ergebnis, das in keinster Weise dem entspricht, wie das Spiel gelaufen ist", sprach Baum, ehe er auf Giefer einging, dem der Ball vor Davy Klaassens Tor zum Endstand nach einer eigentlich ungefährlichen Hereingabe von Max Kruse durch die Arme und Beine gerutscht war (74.). Ein Doppeltunnel sozusagen, der das Malheur für Giefer durch den Slapstickcharakter noch unangenehmer geraten ließ als ohnehin. Das galt auch für jene Tadel, die Baum folgen ließ.

Unklar ist, ob Andreas Luthe am Dienstag überhaupt spielen kann

Im Interview bei Sky hatte er schon emotional reagiert. "Da steht ein Mensch im Tor, für den es mir unglaublich Leid tut", sagte Baum, fasste sich an die Nase, räusperte sich, er war den Tränen nahe. "Aber wir müssen ihn nach den Leistungen beurteilen, und das ist halt zwei Mal schlecht gewesen."

Auf der Pressekonferenz später sagte er dann: "Wenn du als Trainer in der Verantwortung stehst, dann hast du zum einem mit einem Menschen zu tun. Zum anderen hat der Mensch seine Leistung zu bringen und seine Arbeit gut zu machen. Die hat er jetzt zweimal nicht gut gemacht." Natürlich fühle er mit dem Menschen, fügte er hinzu und bat um Verständnis, die Frage nach Konsequenzen vorerst offen zu lassen. Doch auch so wurde sehr deutlich, dass Baum über einen Wechsel im Tor nachdenkt, nachdem er Giefer erst zu Saisonbeginn ein wenig überraschend zur neuen Nummer eins vor Andreas Luthe ernannt hatte. "Ich muss mir erst meine Gedanken dazu machen", sagte Baum, "aber dass es so nicht weitergehen kann, ist uns glaube ich allen bewusst."

Unklar ist allerdings, ob Luthe am Dienstag im Spiel beim FC Bayern wegen anhaltender Oberschenkelbeschwerden überhaupt einsatzfähig wäre, zumal er schon seit einiger Zeit kein torwartspezifisches Training mehr absolvieren konnte. Andernfalls, so ließ es Manager Stefan Reuter anklingen, könnte auch Benjamin Leneis, 19, zu seinem Bundesligadebüt beim Meister kommen. Der eigentliche Regionalligatorwart der Augsburger saß gegen Bremen auf der Bank.

Es war ein äußerst lebhaftes Spiel gewesen, das die Augsburger mit viel Angriffswucht, aber auch zahlreichen vergebenen Chancen geprägt hatten. Hinzu kam der Makel, bald einem 0:2-Rückstand hinterherlaufen zu müssen. Dabei hatte sich zuvor einige Male die Möglichkeit ergeben zu treffen. Wie für Michael Gregoritsch, der gleich mehrfach die Führung ebenso verpasste wie Rhani Khedira und Ja-Cheol Koo, bei denen entweder die Kühle im Abschluss fehlte oder Torwart Jiri Pavlenka noch mit den Fingerspitzen rettete. Die Bremer waren zunächst offensiv eher dezent aufgetreten und nur mit Halbchancen durch Distanzschüsse von Max Kruse und Klaassen sowie durch Claudio Pizarros überraschenden Einsatz von Beginn an auffällig geworden.

Umso überraschender kam die plötzliche Führung der Bremer daher, und offenbar waren die Augsburger von dieser so irritiert, dass sie umgehend auch noch das 0:2 zuließen. Zunächst hatte Kruse nach seinen 903 torlosen Minuten mit einem Kopfball nach einer Flanke von Florian Kainz getroffen (34.), erstmals seit März, damals ebenfalls in Augsburg. Dann vergab Klaassen das mögliche 0:2, als er im Strafraum zu lange mit seinem freistehenden Abschluss zögerte. Doch noch in derselben Minute glückte der Doppelschlag durch Maximilian Eggesteins strammen Schuss aus rund 20 Metern, zu dem Pizarro die Vorlage beitrug (36.). Danach, sagte Trainer Florian Kohfeldt, "sind wir in eine Achterbahn eingestiegen und hatten durchaus Glück, dass wir oben rausgekommen sind." Und zwar mit sehr soliden acht Punkten aus vier Spielen.

Dabei war den Bremern das Spiel trotz der 2:0-Führung entglitten, weil auch Augsburg ein Doppelschlag binnen zwei Minuten Spielzeit gelang, unterbrochen nur durch die Halbzeitpause. Zunächst traf Ja-Cheol Koo nach Caiubys Kopfballablage, indem er den Ball mit der Brust annahm und in einer flüssigen Bewegung mit seinem direkt anschließendem Linksschuss formschön vollendete (45.+3). Kurz nach Wiederanpfiff nutzte Linksverteidiger Philipp Max ebenso hübsch eine Flanke von André Hahn zum 2:2 per Volleyabnahme (47.).

Es war nun ein Spiel geworden, das auf einen Lucky Punch zusteuerte. Doch was folgte, fiel durch Giefers Flutschtfinger eher in die Kategorie Unlucky Punch. Jedenfalls aus Sicht der Augsburger. "In meiner ganzen Laufbahn habe ich noch kein einziges Spiel erlebt, das man so ungerecht verloren hat", befand Baum, "Bremen hat überhaupt keine Ahnung, wie sie das Spiel gewonnen haben. Und wir haben überhaupt keine Ahnung, wie wir das Spiel verloren haben."

Das stimmte zwar nicht ganz, denn Baum benannte die Ursache für die Niederlage ja sehr deutlich. Giefers Fehler sei, wie schon seine beiden Patzer in Mainz, "mit der ausschlaggebende Grund" gewesen, befand der Trainer. Schutz ließ Baum seinem Torwart nicht zukommen, und auch sein Mitgefühl bezog sich vor allem auf die Feldspieler. "Mir tut am meisten die Mannschaft leid, weil sie extrem gut gespielt hat", sagte er. Giefers Leistung sei dagegen "schlecht" gewesen, wie schon in Mainz. Auch das klang eher nicht danach, dass der 28-Jährige am Dienstag in München spielen wird.

© SZ vom 23.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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