FC Augsburg:Ende der Castingshow

04.10.2020, xjhx, Fussball 1.Bundesliga, VfL Wolfsburg - FC Augsburg emspor, v.l. Rafal Gikiewicz (FC Augsburg), Josip

Derzeit ganz schwer zu bezwingen: der Torwart Rafal Gikiewicz, im Sommer von Union Berlin zum FC Augsburg gekommen.

(Foto: Jan Huebner/imago images)

Der FCA legt dank des 0:0 gegen Wolfsburg den bislang besten Saisonstart seiner Bundesliga-Geschichte hin. Ein weiteres Mal überzeugt dabei Torwart Rafal Gikiewicz.

Von Thomas Hürner

Nein, "Robocop" sei er gewiss nicht, hat Rafal Gikiewicz einmal gesagt, und doch waren seine Bewegungen am Sonntag von mechanischer Präzision. Ein Trippelschritt auf der Torlinie, dann der zweite, Gikiewicz hatte den Ball in der 53. Spielminute fest im Blick. Dann der Pass des Gegners in die Mitte des Strafraums, ein weiterer Trippelschritt, diesmal nach vorn. Gikiewicz war jetzt abflugbereit, er streckte den Rumpf und noch weiter seinen rechten Arm, und so kratzte er den satten Schuss des freistehenden Admir Mehmedi noch heraus. Es wäre das 1:0 für den VfL Wolfsburg gewesen.

Bei einem Fußballtorwart geht das bekanntlich ganz schnell: Heute noch der Held, ein Robocop, Spiderman oder was auch immer, und morgen greifst du halt doch mal daneben und bist der Depp. Gikiewicz, 32, war in seiner Karriere wie jeder andere Torwart natürlich auch schon beides, Held und Depp, aber seit der Pole als neue Nummer 1 im Tor des FC Augsburg steht, überwiegen eindeutig die sportlichen Großtaten. Erst einen Gegentreffer hat Gikiewicz in dieser Saison hinnehmen müssen, am ersten Spieltag beim 3:1 gegen seinen früheren Klub Union Berlin. Beim 2:0-Überraschungserfolg gegen Borussia Dortmund war er dann die manifeste Endstation zahlreicher gegnerischer Sturmläufe, und selbiges darf auch für das 0:0 beim VfL Wolfsburg am Sonntag gelten, wenigstens für die zweite Halbzeit, in welcher die Heimelf drückend überlegen war und sich immer wieder in die gefährlichen Zonen kombinierte.

Fußball sei keine Mathematik, heißt es gerne, aber manchmal lässt sich ja schon aus biederen Zahlen einiges ablesen: Zum selben Zeitpunkt der Vorsaison hatte der FCA neunmal so viele Gegentreffer kassiert, bei gerade einmal einem Siebtel der gewonnen Punkte. Und jetzt? Haben die Augsburger in ihrem zehnten Bundesligajahr den bislang besten Saisonstart hingelegt, mit sieben Punkten aus drei Spielen, genauso viele wie der Tabellenführer Leipzig. Und die Vermutung liegt nahe, dass das auch was mit dem neuen Torwart Gikiewicz zu tun haben könnte.

Die Leihe des Mittelfeldspielers Eduard Löwen endet vorzeitig - er kehrt zurück zu Hertha BSC

Zwischen den Augsburger Pfosten wurde zwei Jahre lang so etwas wie eine Castingshow aufgeführt, mal durften hoffnungsvolle Neuankömmlinge auf die Bühne, mal erprobte Haudegen, aber konstant gute Auftritte hat es seit dem Weggang von Marwin Hitz nie gegeben. Und da ein Torwart der natürliche Referenzpunkt aller defensiven Solidität ist, haben die Augsburger in dieser Zeit hinten deutlich mehr gewackelt als es der standortgebundene Matchplan erlauben würde.

Gikiewicz ist zwar keiner dieser ultramodernen Torhüter, die mit ihrem schwachen Fuß zwei Presslinglinien des Gegners überspielen, aber das "sagt er ja selbst", wie der FCA-Manager Stefan Reuter nach der Partie in Wolfsburg offenbarte: "Seine Aufgabe ist es, Bälle zu halten." Und auch vonseiten des Augsburger Kapitäns gab es noch ein paar lobende Worte. "Rafal", sagte der ebenfalls überzeugende Innenverteidiger Jeffrey Gouweleeuw, "hat uns ein paar Mal gut im Spiel gehalten." Nicht nur bei der eingangs erwähnten Chance von Mehmedi reagierte Gikiewicz exzellent, sondern auch nach Abschlüssen des Wolfsburger Stürmers Wout Weghorst (6. Minute) und von Josip Brekalo (67.). Brekalo hatte zuvor sogar einmal ins Netz getroffen, aus 17 Metern mit einem strammen Schuss ins Eck (27.). Das Tor wurde nach Überprüfung des Videoassistenten für ungültig erklärt, da sich die Achillesferse von Weghorst beim vorangegangenen Angriff wohl ein paar Nanometer im Abseits befunden hatte.

Es sind Nuancen, die beim kleinen FCA darüber entscheiden werden, ob er eine sorgenfreie Saison spielt oder wieder bis zum Schluss um den Klassenverbleib bangen muss. In der ersten Hälfte hätten die Augsburger auch in Führung gehen können, aber angesichts des weiteren Spielverlaufs wäre der dritte Sieg im dritten Spiel zu viel der Glorie gewesen. "Wir haben noch 31 Spiele", sagte Gikiewicz nach der Partie. So eine Saison sei "kein Sprint, sondern ein Marathon".

Eine alte, vielleicht auch etwas abgenutzte Fußballweisheit, die gerade aber gut auf Heiko Herrlich zutrifft, den Augsburger Trainer. Er hatte sich vor dem Spiel mit einem Lungenkollaps in stationäre Behandlung ins Krankenhaus begeben. In Wolfsburg wurde er deshalb von seinem Co-Trainer Iraklis Metaxas vertreten. Nicht im Kader stand der Mittelfeldspieler Eduard Löwen, der seine Leihe vorzeitig beendet und zurück zu Hertha BSC wechselt, wie der Klub am Montag bekannt gab.

Manager Stefan Reuter hatte vor der Partie versichert, dass Herrlich sich auf dem Weg der Besserung befinde, ihm sei "fast schon etwas langweilig in der Klinik". Ein paar Tage müsse der Trainer noch dort bleiben, sagte Reuter. Gut, wenn man sich da keine Gedanken über Augsburger Torwartprobleme machen muss.

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