Süddeutsche Zeitung

FC Augsburg:Die Tücken der Agenda

Dem FC Augsburg steht gefühlt nur noch das Spiel gegen den direkten Konkurrenten Bremen zur Verfügung, um die Versetzung aus eigener Kraft zu erreichen - umso mehr wirkt es im Saisonrückblick, als sei die Tabelle lange Zeit ein Trugbild gewesen.

Von Maik Rosner

Die stimmungsvollen Momente liegen schon länger zurück, doch in Erinnerung haben sie diese bestens beim FC Augsburg. Das kommt auch daher, dass es die einzigen dieser Art in der laufenden Saison waren. Am zweiten Spieltag gegen Borussia Dortmund durften sie diese Momente erleben, als 6000 Zuschauer die Arena beim ersten Heimspiel bevölkerten. Ausverkauft vermeldete der Stadionsprecher damals im September unter den gegebenen Bedingungen. Die gut 24000 freien Plätze fielen akustisch gar nicht auf. Die Augsburger und ihr Publikum grüßten nach den beiden Siegen bei Union Berlin (3:1) und gegen den BVB (2:0) heiter von Tabellenplatz zwei. Als danach ein 0:0 in Wolfsburg folgte, schien eine Saison bevorzustehen, in der es sportlich die größte Sorge der Vereins- und Teamleitung ist, dass die Begeisterung in Übermut ausartet.

An diesem Samstag sind die Augsburger mit Werder Bremen verabredet, doch vom Frohsinn ist vor dem letzten Heimspiel der Saison nicht viel übriggeblieben. Der Trainer wurde inzwischen gewechselt, statt Heiko Herrlich steht Rückkehrer Markus Weinzierl seit dem 26. April in der Verantwortung. Es geht schon länger nicht mehr um einen möglichen Ausreißer nach oben. Doch dass es nun zu einem regelrechten Abstiegskrimi zweier direkter Konkurrenten kommen wird, damit haben die Augsburger lange Zeit nicht gerechnet. Die Spielweise deutete zwar zunehmend Rückschritte an, doch die Tabelle verschwieg ein Abstiegsszenario bis zuletzt und gaukelte dem FCA ein Trugbild vor.

"Es ist so, dass wir nicht mehr viele Steigerungswochen haben", sagt Weinzierl

Es verbindet Augsburg und Bremen, dass sie immer weiter abgerutscht sind, je länger die Saison andauerte. Doch vor allem der FCA schien noch bis vor Kurzem so viel Vorsprung auf die Abstiegszone zu haben, dass sie sich im Verein kaum vorstellen konnten, noch einmal ernsthaft in Gefahr zu geraten. Vor dem 28. Spieltag betrug ihr Vorsprung neun Punkte, vor dem 31. Spieltag noch komfortable sieben. Zwei Spieltage vor dem Saisonende sind es plötzlich nur noch zwei auf Relegationsplatz 16, so wenige wie nie zuvor in dieser Spielzeit. Stefan Reuter verteidigte sich jüngst gegen Kritik, Herrlich nicht früher von seinen Aufgaben entbunden zu haben. Der Abschwung sei so nicht zu erwarten gewesen, sagte der Manager und verwies auf die Siege gegen Mönchengladbach und Hoffenheim am 25. und 27. Spieltag, nach denen die Versetzung bereits nahe schien.

Nun kommt für Weinzierl erschwerend hinzu, dass er zwar drei Spieltage vor dem Saisonende eingestellt wurde, ihm nach der 1:2-Niederlage bei seinem Debüt in Stuttgart vor acht Tagen aber gefühlt nur noch ein Spiel zur Verfügung steht, um seinen Auftrag zu erfüllen und den Klassenverbleib aus eigener Kraft zu schaffen. Der 34. Spieltag sieht ja die Dienstreise zum FC Bayern vor, und beim FC Augsburg planen sie lieber nicht fest ein, in München zu gewinnen. "Ich wünsche mir, dass wir schnell den Klassenerhalt schaffen", sagte Weinzierl deshalb vorm Spiel gegen Werder. Er verwies auf jene Steigerung, die seine Mannschaft in Stuttgart im Vergleich zu den Auftritten davor gezeigt hatte. Aber der 46-Jährige weiß auch um die Tücken der Agenda, in der gefühlt ja noch weniger Saison übrigbleibt, als der Spielplan vorgibt. "Es ist so, dass wir nicht mehr viele Steigerungswochen haben", sagte Weinzierl, "wir müssen uns schnell steigern und schnell konsequenter werden und schnell effektiver werden."

Die Saison des FC Augsburg erinnert an ein Radrennen

Die Saison des FC Augsburg erinnert ein wenig an ein Radrennen. Bei diesen fahren die Ausreißer teils weit voraus, doch wenige Kilometer vor dem Ziel werden sie oft noch vom Hauptfeld eingefangen und nicht selten sogar durchgereicht. Um das zu verhindern, müssen die Augsburger jetzt noch einmal aus dem Sattel und den letzten Sprint gegen Bremen möglichst gewinnen.

Weinzierl hat lieber Anleihen am Tennis genommen. Er sprach voller Zuversicht von einem "Matchball, und den wollen wir verwandeln". Er sagte: "Wenn wir gewinnen, können die anderen machen, was sie wollen." Aus seiner Sicht sei es "eine sehr, sehr gute Ausgangssituation, alles in der eigenen Hand zu haben". Auf die Unterstützung der Fans müssen sie dabei in der Arena aber verzichten. Doch wenn man so will, soll die Erinnerung ans erste Heimspiel helfen. Weinzierl formulierte es so: "Auch wenn sie nicht im Stadion sind, werden wir uns vorstellen, dass sie hinter uns und da sind."

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