FC Augsburg:"Der Trainer hat eingesehen, dass es nicht optimal war"

16.05.2020, FC Augsburg - VfL Wolfsburg 16.05.2020, Fussball 1. Bundesliga 2019/2020, 26. Spieltag, FC Augsburg - VfL W

Herantasten an die neue Wirklichkeit: Augsburgs Geschäftsführer Stefan Reuter vor dem Heimspiel gegen Wolfsburg.

(Foto: imago images/Poolfoto)

Der FCA verliert nach der Shopping-Tour von Heiko Herrlich gegen Wolfsburg.

Von Maik Rosner, Augsburg

Am Sonntag liefen jene 48 Stunden ab, die die Agenda des FC Augsburg beinahe mehr bestimmt hatten als die Wiederaufnahme des Spielbetriebs. Es ging beim FCA seit Donnerstag vor allem um Trainer Heiko Herrlich und dessen Einkauf von Zahnpasta und Hautcreme, von dem er freimütig berichtet hatte. Erstaunlich war seine unbedachte Aktion schon deshalb, weil er als geheilter Krebspatient nach seinem Hirntumor im Jahr 2000 wegen seines weiterhin geschwächten Immunsystems als besonders gefährdet gilt im Falle einer Corona-Infektion. Erstaunlich war seine Erzählung aber auch, weil er diese mit dem Hinweis unterlegte, mit seinem Gang in einen Supermarkt wissentlich gegen die Quarantäneauflagen der Deutschen Fußball Liga (DFL) verstoßen zu haben. Nach Darstellung des FCA hatte er sich deshalb selbst die Sperre für das Wolfsburg-Spiel auferlegt, das er am Samstag aus einer Stadionloge verfolgte. Dass seine Elf in der Nachspielzeit durch ein Tor des eingewechselten VfL-Stürmers Daniel Ginczek 1:2 (0:1) verlor, fügte sich ins Bild des vermasselten Augsburger Restarts.

Herrlichs Logen-Debüt ist schon jetzt eine der besonders kuriosen Anekdoten der an kuriosen Anekdoten reichen Bundesliga-Geschichte. Im Grunde hätte er seinen Einstand bereits am 15. März geben sollen, fünf Tage nach seinem Dienstbeginn als Nachfolger von Martin Schmidt. Doch weil die Zwangspause wegen der Pandemie folgte und kurz vor der Wiederaufnahme des Spielbetriebs jetzt Herrlichs unerlaubter Ausflug aus dem Mannschaftshotel, wird er seinen Einstand auf der Bank voraussichtlich erst am kommenden Sonntag im Spiel beim FC Schalke geben - 75 Tage nach seinem Arbeitsbeginn in Augsburg.

Immerhin dafür stehen die Voraussetzungen nun gut. Am Freitag war Herrlich erstmals nach seiner Shoppingtour negativ auf das Virus getestet worden, weshalb am Sonntag jene 48 Stunden abliefen, nach denen der zweite Test erfolgen darf. "Sehr zeitnah", hatte Geschäftsführer Stefan Reuter am Samstagabend gesagt, werde die zweite Testung durchgeführt. Sollte auch diese negativ ausfallen, darf Herrlich das Training wieder leiten. "Wir sind alle froh, wenn er nächste Woche dabei ist", sagte Linksverteidiger Philipp Max. Indirekt bestätigt hatte er damit Reuters Überzeugung, dass Herrlichs Ansehen bei seinen Spielern trotz des Fauxpas nicht gelitten habe. "Heiko hat große Akzeptanz innerhalb der Mannschaft", versicherte Reuter.

Allerdings hatten einige Spieler nach der Niederlage durchaus geäußert, nicht erfreut gewesen zu sein über Herrlichs vermeidbare Absenz. "Es war nicht einfach, dass der Cheftrainer nicht dabei sein kann", sagte Torwart Andreas Luthe, "das ist natürlich scheiße." Und auch Max verwies darauf, dass Herrlich zunächst auch seiner Mannschaft gegenüber seine Vorbildfunktion verletzt habe. "Der Trainer hat eingesehen, dass es natürlich nicht optimal war", sagte Max. Wohl auch um der Außendarstellung des Vereins keinen weiteren Schaden zuzufügen, habe der FCA darauf verzichtet, dass Herrlich seine Mannschaft von der Tribüne aus coacht, sagte Reuter. Die DFL hätte das wegen der besonderen Umstände durchaus erlaubt, "aber das hätte sehr viel Unruhe gebracht".

Zumindest phasenweise waren Herrlichs Trainingsimpulse für mehr Offensive bereits bei der insgesamt verdienten Niederlage gegen den Europapokal-Anwärter aus Wolfsburg erkennbar gewesen. Das galt besonders für den Beginn der zweiten Halbzeit nach dem Rückstand durch Renato Steffens Kopfballtor (43.), als der von Co-Trainer Tobias Zellner betreute FCA durch Tin Jedvaj zum Ausgleich kam (54.) und bald darauf sogar durch Felix Uduokhai das vermeintliche 2:1 erzielte. Doch Schiedsrichter Felix Brych verwehrte dem Tor die Anerkennung, weil Florian Niederlechner im Abseits stand und Wolfsburgs Torwart Koen Casteels irritierte. Danach allerdings war der VfL wieder klar spielbestimmend und kam zum späten Siegtor.

Beim abstiegsgefährdeten FCA versuchen sie nun, den Blick nach vorne zu richten. Allein schon wegen der nur noch vier Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz und der erst vier Zähler aus den neun Spielen im Jahr 2020, womit Augsburg das schlechteste Team der Rückrunde stellt. "Das späte Siegtor wird Wolfsburg pushen, uns darf es aber nicht runterziehen", sagte Jedvaj. Und Luthe, der sich nun vorerst als Nummer eins bestätigt fühlt, erkannte trotz des späten K. o. positive Signale für die verbleibenden acht Spiele: "Wir waren als Mannschaft auf dem Platz, die zweite Hälfte war richtig gut."

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