FC Augsburg:Der Richter und der Tänzer

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Ein Bild aus freudigen Augsburger Tagen: Caiuby, der sich selbst als „deutschen Brasilianer“ bezeichnete, mochte Schweinshaxen, Käsespätzle – und Tore. (Foto: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Stürmer Caiuby steht noch beim FCA unter Vertrag, doch keiner weiß, was er gerade treibt, was seine Ziele sind oder ob er überhaupt noch welche hat. Auch zum Prozess am Amtsgericht erscheint er nicht.

Von Thomas Hürner

Auf einmal war er weg, dieser Brasilianer mit dem klangvollen Namen Caiuby Francisco da Silva. Man hat ihn angerufen, nach ihm suchen lassen, Freunde und Bekannte kontaktiert, aber er meldete sich einfach nicht. War ihm etwas zugestoßen? Nein, glaubten die meisten, der Caiuby verspätet sich halt manchmal, aber ein kleines Lebenszeichen wäre jetzt schon eine tolle Sache. Und dann, tatsächlich: Es geht ihm gut, Caiuby macht ein bisschen Party in Sao Paulo, er hat es sogar selbst auf Instagram dokumentiert. Ist ja auch ein bisschen kalt in Augsburg, tiefster Winter sogar, nein, nach Deutschland wollte er erstmal nicht zurück. In der brasilianischen Heimat bleiben, das war der Plan, aber dann landete Caiuby irgendwie doch in Zürich. Und ist's da wirklich so viel wärmer als in Augsburg?

Caiuby wird der Körperverletzung beschuldigt, auch FCA-Manager Reuter ist als Zeuge geladen

Caiuby, 31, ist wie ein Schmetterling, bunt, anmutig, er schwirrt ohne Ziel umher und ist nie so richtig greifbar. Seit diesem Sommer weiß keiner, was dieser eigentlich so begabte Fußballer gerade treibt, was seine Ziele sind oder ob er überhaupt noch welche hat. Formal ist er noch ein Spieler des FC Augsburg, der Angreifer hat einen Vertrag bis 2020, aber der frühere Publikumsliebling ist dort inzwischen unerwünscht. Zu oft hatte er unentschuldigt gefehlt, sich kleine bis mittelgroße Eskapaden geleistet. Das blieb auch bei den Verantwortlichen anderer Vereine nicht unbemerkt. Im Sommer habe sich kein Interessent gemeldet, erzählte der FCA-Manager Stefan Reuter neulich, ein Spiel für Augsburg werde Caiuby aber gewiss nicht mehr bestreiten. Überhaupt: In der Fuggerstadt hat ihn schon lange niemand mehr gesehen.

Das wird wohl eine Weile so bleiben. Am Dienstag musste sich Caiuby zwar am Amtsgericht Augsburg wegen des Vorwurfs der Körperverletzung verantworten, er selbst erschien aber nicht und ließ sich durch seinen Anwalt vertreten. Caiuby war im Mai vergangenen Jahres mit Freunden nachts in der Augsburger Innenstadt unterwegs, das steht fest, abgesehen davon aber nicht mehr so viel.

Was Caiuby in dieser Nacht angestellt haben soll, war jedenfalls schon um 5 Uhr morgens in einem Facebook-Eintrag an der Pinnwand des FC Augsburg zu lesen: Einer der vermeintlich Geschädigten stellte die Frage, was eigentlich los "mit Caiuby und seinen Hampelmännerfreunden" sei, er bekannte sich als "treuer Fan" des Vereins, das wollte er aber jetzt die längste Zeit gewesen sein. Caiuby soll dem FCA-Fan die Brille vom Gesicht gezogen und diese quer durch die Maxstraße geworfen haben, ein anderer Mann bekam angeblich einen Energydrink über den Kopf gekippt. Wiederum einem anderen Mann habe Caiuby eine Kopfnuss verpasst, von einem seiner Begleiter habe es noch einen Tritt in den Hintern gegeben. "Scheiß drauf, ich zahl alles!", soll Caiuby noch hinterhergerufen haben.

Caiubys Anwalt wies die Vorwürfe zurück, die vor Gericht erschienen Freunde des Brasilianers, die nach eigenen Angeben an jenem Abend dabei waren, ebenfalls. Attackiert habe Caiuby niemanden, er sei im Gegenteil wegen schlechter Leistungen provoziert worden. Der Kläger merkte allerdings an, dass er die zum Prozess erschienen Männer noch nie gesehen habe, auch nicht am besagten Abend.

Der FCA-Manager Reuter, der nicht als Zeuge geladen war, blieb nach dem Facebook-Eintrag nicht tatenlos und lud die vermeintlich Geschädigten eilig in die Geschäftsstelle ein. Diskretion sollte gewahrt und interne Aufklärungsarbeit betrieben werden, wie unter anderem der Anwalt des Nebenklägers berichtete, der bei diesem Treffen zugegen war. Die Idee des Caiuby-Krisengremiums: eine Entschuldigung und eine Entschädigungszahlung, damit der Vorfall schnell vergessen und das sympathische Image des Vereins nicht gefährdet wird. Laut des Anwalts habe allerdings irgendwann Funkstille eingesetzt, weshalb das Ganze zunehmend wie "ein taktisches Manöver" gewirkt habe. Einige Wochen zogen ins Land, Caiuby war bereits in Urlaub getreten und der FCA verlor offenbar das Interesse an dem Vorfall. Es kam zur Strafanzeige. Zu einem Urteil wollte der Richter am Dienstag noch nicht kommen, weil er - noch im September - noch weitere Zeugen anhören will, auch Reuter. Und er äußerte Hoffnung, dass Caiuby bei der Fortsetzung des Prozesses auftauche.

Trotz seiner vorhergehenden Skandälchen und Sperenzchen - Absenzen im Training, nächtliche Ruhestörung, chronisches Nutzen der öffentlichen Verkehrsmittel ohne Fahrschein - hatte Caiuby bis zu dem nun verhandelten Fall immer höchste Beliebtheit bei den Augsburger Fans genossen. Kein Wunder, war er doch bestens integriert in Bayerisch-Schwaben, ein Brasilianer mit dem Spitznamen "Kai-Uwe" und ein bekennender Liebhaber von Schweinshaxen und Käsespätzle, das gibt es ja auch nicht alle Tage.

Kai-Uwe war einer, der sich in der Kabine als Sänger und Tänzer hervortat, ein Familienmensch mit großem Herz, lustig und beliebt. Caiuby bezeichnete sich auch mal als "deutschen Brasilianer", damit hatte er seinen Spielstil gemeint. Der Angreifer ist wuchtig und zweikampfstark, er beherrscht aber auch jene kleinen Zuckungen, die seine Gegenspieler große Schritte ins Leere machen lassen. Ein Caiuby in guter Verfassung wäre für viele Bundesligisten eine Bereicherung, ganz bestimmt aber für den schwach gestarteten FCA.

So dachte man eigentlich auch beim schweizerischen Klub Grasshoppers Zürich, wohin Caiuby aufgrund der ganzen Fehltritte in Augsburg verliehen wurde. Vor allem der damalige Trainer Thorsten Fink soll höchst euphorisch gewesen sein, als er im vergangenen Februar von diesem Leihgeschäft hörte, das berichten Fachkundige aus der Schweiz: Der Caiuby! Tolle Sache, so schaffen wir den Klassenverbleib! Schafften sie nicht, Fink wurde schon im März entlassen und die Grasshoppers stiegen ab, die Rückrunde wurde zum Debakel für den Rekordmeister. Und Caiuby? War anfangs durchaus bemüht, doch je näher der Abstieg rückte, desto weniger Mühen waren zu erkennen. Das Züricher Nachtleben, so hört man zumindest aus der Schweiz, war irgendwann interessanter, die letzten Saisonspiele stand Caiuby nicht mal mehr im Kader.

In seinen neun Partien für die Grasshoppers erzielte der Angreifer keinen einzigen Treffer, er bereitete auch keinen vor. Caiuby scheint die Freude am Spiel abhanden gekommen zu sein.

© SZ vom 11.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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