FC Augsburg:Rückkehr des Türstehers

FC Augsburg: Einer, der immer den Ball haben will: Niklas Dorsch (links), hier gegen Jessic Ngankam von Hertha BSC.

Einer, der immer den Ball haben will: Niklas Dorsch (links), hier gegen Jessic Ngankam von Hertha BSC.

(Foto: Matthias Koch/Imago)

Im Heimspiel gegen Bremen steht Niklas Dorsch nach seiner langen Verletzungsmisere vor der Vollendung seines Comebacks. Mit seiner Ausstrahlung soll er helfen, dass Trainer Maaßens junge Mannschaft nicht verstärkt in den Abstiegskampf verwickelt wird.

Von Maik Rosner

Dass Niklas Dorsch ein lieber Enkel ist und ihn seine Oma Rita gerne mit Sauerbraten und Haxe verwöhnt, diese kleine Familiengeschichte gehört seit der U21-EM vor knapp zwei Jahren fast schon zum Allgemeinwissen des Fußballpublikums. Dabei wären für Dorsch auch weniger liebevolle Rollen denkbar. Das liegt an seinem nicht gerade zimperlichen Auftreten auf dem Fußballplatz. Und es liegt an seinem Erscheinungsbild mit den vielen Tattoos, die mittlerweile auch seinen Hals bedecken. Man könnte sich beispielsweise vorstellen, wie Dorsch mit einer Kapuze über dem Kopf und finsterem Blick in eine Arena einläuft, um als Kampfsportler in einen Ring zu steigen. Selbstverständlich unter Begleitung ruppiger Gitarrenriffs, weil er Rockmusik liebt.

Erst brach ihm das Schlüsselbein, dann zweimal der Mittelfuß - diese Zeit sei "brutal" gewesen

Wenn der FC Augsburg an diesem Samstag im ausverkauften Stadion Werder Bremen empfängt, wäre eine Einlaufmusik für Niklas Dorsch, 25, gar keine völlig abwegige Idee. Denn der defensive Mittelfeldspieler dürfte ja sein Comeback vollenden, das er zuletzt schrittweise vollzogen hat: Sofern sich Trainer Enrico Maaßen nicht überraschend gegen ihn an der Seite von Arne Engels, 19, entscheiden sollte, wird Dorsch nach seinem Schlüsselbeinbruch und seinen beiden Mittelfußfrakturen das erste Mal in einem Bundesliga-Heimspiel wieder zur Startelf zählen. Begonnen hatte seine Rückkehr am 25. Januar mit seiner späten Einwechselung gegen Mönchengladbach. Nach drei weiteren Kurzeinsätzen lief er am vergangenen Samstag bei Hertha BSC erstmals wieder von Beginn an auf und spielte eine gute Stunde. Wenn es einen Song gibt, der nun für Dorsch als Einlaufmusik passen würde, dann wohl Marius Müller-Westernhagens "Wieder hier". Musikalisch hätte der Rock-Liebhaber Dorsch vielleicht Einwände, textlich beim Refrain aber wohl weniger. "Ich bin wieder hier, in meinem Revier, war nie wirklich weg, hab mich nur versteckt", heißt es dort, "ich rieche den Dreck, ich atme tief ein, und dann bin ich mir sicher, wieder zu Hause zu sein."

Im Mai 2022 hatte seine Verletzungsserie ihren Anfang genommen. Kaum war der damalige Schlüsselbeinbruch ausgeheilt, zog sich Dorsch im letzten Test vor Saisonbeginn die erste Mittelfußfraktur zu. Als er im Oktober in Augsburgs zweiter Mannschaft in der Regionalliga erstmals Spielpraxis sammeln wollte, war nach 16 Minuten wieder Schluss. Erneut war der Mittelfuß angebrochen. Es folgten eine Operation und viele Zweifel bei Dorsch, wie es weitergehen soll, wofür er eigentlich trainiert, ob er überhaupt noch ins Stadion gehen soll, wenn die Kollegen kicken. Im Rückblick bezeichnet er diese Zeit als "brutal", sein Verletzungspech reiche für die nächsten 20, 30 Jahre, findet Dorsch. Es war die schlimmste Phase seiner Karriere, die in Oberfranken beim 1. FC Baiersdorf und der Deutsch-Tschechischen Fußballschule in Rehau ihren Anfang genommen hatte, ehe es weiterging über die Stationen 1. FC Nürnberg, FC Bayern München II samt einem Spiel und Tor bei den Profis, 1. FC Heidenheim und KAA Gent in Belgien. Von dort aus kam Dorsch im Sommer 2021 für rund sieben Millionen Euro Ablöse als einer der teuersten Zugänge der Vereinsgeschichte nach Augsburg.

Wegen seiner langen Absenz und der Rückschläge war Dorsch Ende Januar umso glücklicher über seine neun Minuten gegen Mönchengladbach, er empfand diese als "megageil". Verstärkt wurde seine Freude über die Rückkehr durch jenes Vertrauen, das Maaßen mit seiner Einwechselung beim Stande von 0:0 signalisierte. Ohnehin hält der Trainer große Stücke auf Dorsch. "Wir alle wissen, wie wichtig er für uns ist. Das ist einfach ein Spieler, der eine Ausstrahlung mitbringt, der eine Qualität mit dem Ball besitzt, der immer den Ball haben will", sagt Maaßen. Dorsch sei zudem ein Charakter, "der diese natürliche Arroganz hat", und mit dieser bringe er zum Ausdruck: "Ich gewinne die Spiele, ich gewinne meine persönlichen Duelle."

Es ist genau diese Ausstrahlung, die sie beim FC Augsburg gerade gut gebrauchen können. "Ich hoffe, alle sind bereit, den Abstiegskampf anzunehmen", sagte Torwart Rafal Gikiewicz nach der 0:2-Niederlage bei Hertha BSC einigermaßen besorgt. Es geht nun darum, dass die Mannschaft mit den vielen jungen Winterzugängen nicht verstärkt in den Abstiegskampf verwickelt wird. Dorsch soll seine Türsteher-Mentalität einbringen, um das zu verhindern.

Für den Sechser geht es zugleich darum, langfristig in seinem Revier zu bleiben. Elvis Rexhbecaj, 25, fehlt gerade wegen eines Muskelfaserrisses. Er wird nach seiner Genesung Ansprüche anmelden. Dorsch wird es wohl mit Müller-Westernhagens drittem Refrain halten wollen. In diesem heißt es: "Und eines ist sicher, ich geh' nie wieder weg."

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