FC Augsburg:Auf Zeitreise

Chef-Trainer Markus Weinzierl (FC Augsburg) auf dem Trainigsplatz, Traning FC Augsburg, 1.Bundesliga, 27.04.2021 Augsbur

Will "von innen heraus das Feuer entfachen": Markus Weinzierl bei seiner ersten Trainingseinheit am Dienstag.

(Foto: Christian Kolbert/kolbert-press/imago)

Augsburgs neuer, alter Trainer Weinzierl erklärt, wie er mit dem FCA den Klassenverbleib erreichen will - und warum es sich für ihn anfühlt, als sei er nach Hause gekommen.

Von Maik Rosner

Ganz am Ende berichtete Markus Weinzierl noch von einer besorgten Augsburger Hotelangestellten und jenem guten Gefühl, das diese ihm vermittelt habe. Sie habe ihn beim Frühstück gefragt, "ob ich vielleicht noch ein Croissant will, weil ich so abgenommen habe", erzählte der zum FC Augsburg zurückgekehrte Trainer. Dieses Kümmern, diese fast schon vertraute Nähe, "gibt einem einen Wohlfühlfaktor, das gibt einem Sicherheit", sagte Weinzierl und sprach mehrfach von dem Gefühl, nach Hause gekommen zu sein. Wörtlich sagte er: "Ich spüre den Nach-Hause-Kommen-Effekt."

Dass Manager Stefan Reuter neben ihm auf dem Podium einwarf, dann sei es ja gut gewesen, die Hotelangestellten instruiert zu haben, um Weinzierl Selbstvertrauen zu geben, sollte natürlich ein Scherz sein. Doch dieser berührte durchaus den Kern der Unwägbarkeiten jener Rettungsmission, zu der sie den 46 Jahre alten Trainer nach unglücklichen Engagements beim FC Schalke und VfB Stuttgart sowie zuletzt zwei Jahren ohne Job zurückgeholt haben. Reuter gab sich selbstredend zuversichtlich und sprach gar von Euphorie im Verein. Und er verwies auf den "Riesenvorteil", dass Weinzierl sich nicht eingewöhnen müsse und auch noch einige Spieler von früher kenne. Den FCA hatte er ja bereits zwischen 2012 und 2016 trainiert. Im letzten Jahr seiner Amtszeit reisten die Augsburger durch die Europa League, bis zur Zwischenrunde gegen den FC Liverpool als Höhepunkt.

Weinzierl fordert "Spaß am Zweikampf" und geradlinige Spielzüge

Vorausgegangen war seiner Rückkehr nun die Trennung von Heiko Herrlich, 49. Unter dem bisherigen Fußballlehrer hatten die Augsburger zuletzt nur einen Punkt aus den Spielen gegen Schalke, Bielefeld, Frankfurt und Köln geholt. Der Vorsprung auf Relegationsplatz 16 beträgt vor den übrigen drei Saisonspielen in Stuttgart, gegen Bremen und beim FC Bayern nur vier Punkte. Auch wegen dieser Abstiegssorgen ging es ernst zu in der Videokonferenz am Dienstagnachmittag nach dem ersten Training mit Weinzierl, abgesehen von der Hotelanekdote. Und es ging viel um jenen Spielstil, den er einst mit Erfolg in Augsburg etabliert hatte und den sie unter Herrlich sehr vermissten.

"Mir ist so ein bisschen die Identität verloren gegangen", befand Weinzierl ohne Scheu vor Kritik an der Arbeit seines Vorgängers. Nun gelte es, die alten Augsburger Stilmittel zu reaktivieren, mit denen sie sich seit 2011 in der Bundesliga behaupten. Weinzierl sprach über den "Spaß am Zweikampf", das Anlaufverhalten, geradlinige Spielzüge und Konter, die rasch wieder zu sehen sein sollen. "Ich bin ein Freund davon, aus eigener Stärke heraus zu agieren. Die Mannschaft hat meiner Meinung nach zu viel reagiert", sagte Weinzierl. Er wolle wieder mit Mut und Aggressivität spielen lassen, es gehe darum, "die eigene Identität wiederzufinden". Weinzierl sprach noch darüber, eine Achse etablieren und das Flügelspiel beleben zu wollen und langfristig auch eine spielerische Entwicklung voranzutreiben, die Herrlich nicht gelungen war.

Weinzierl bezeichnet Maurer als einen "sehr erfahrenen Hasen", über dessen Zuarbeit er sich freue

Zumindest bei der Mission Klassenverbleib soll auch Reiner Maurer, 61, als Weinzierls Assistent helfen. Reuter hatte den ehemaligen Trainer von 1860 und Türkgücü München für die zunächst bis zum Saisonende befristete Aufgabe vorgeschlagen. Weinzierl stimmte zu und bezeichnete Maurer nun als einen "sehr erfahrenen Hasen", über dessen Zuarbeit er sich freue. Bestenfalls soll vieles von dem, was sie kurzfristig vorhaben, schon am Freitag in einer Woche zu sehen sein, wenn die Augsburger beim VfB Stuttgart antreten. Bei jenem Verein also, mit dem Weinzierl sein bisher letztes Bundesligaspiel als Cheftrainer erlebt hatte. Nach der 0:6-Niederlage beim FC Augsburg am 20. April 2019 wurde er vom VfB noch am selben Abend entlassen. Nun soll die Verabredung mit der eigenen Vergangenheit zum Vorhaben beitragen, "möglichst schnell den Deckel drauf zu machen", sagte Weinzierl, also die Versetzung zu erreichen. Dafür müsse man "von innen heraus das Feuer entfachen", weil der "Faktor Fans fehlt".

Es war ein Auftritt, der in vielerlei Hinsicht wie eine Zeitreise daherkam. Es klang nach alten Augsburger Zeiten und sah auch so aus, als Weinzierl und Reuter zusammen in die Kamera schauten. Dass sie sich 2016 bei Weinzierls Wechsel zu Schalke im Streit getrennt hatten, scheinen sie beide verwunden zu haben. Es fühle sich schon wieder an "wie damals", sagte Weinzierl, wie vorm damaligen Zwist samt Abschied. "Da habe ich auch Fehler gemacht", sagte er, "oft merkt man erst, wenn man weg ist, was man gehabt hat." Das Angebot des FCA anzunehmen, sei nun eine "110-prozentige Entscheidung innerhalb von Sekunden" gewesen, und er hoffe, dass ihm nach dem Verein auch die Fans eine zweite Chance geben. Zumindest eine Augsburger Hotelangestellte hat ihm schon verziehen.

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