FC Augsburg:Erst übersehen, nun im Mittelpunkt

FC Augsburg: Beängstigend konstant für sein Alter: Arne Engels überrascht beim FC Augsburg viele - sogar sich selbst.

Beängstigend konstant für sein Alter: Arne Engels überrascht beim FC Augsburg viele - sogar sich selbst.

(Foto: Bernd Feil/MIS/Imago)

Der 19 Jahre junge Winterzugang Arne Engels hat sich beim FC Augsburg erstaunlich schnell als Stammkraft etabliert - auf einer Position, für die er nicht geholt wurde. Sein ungewöhnlicher Aufstieg zeigt auch, dass zuweilen sogar in den hochgerüsteten Analyseabteilungen der Profiklubs Talente verkannt werden.

Von Maik Rosner

Arne Engels reagierte am schnellsten, er schnappte sich noch in der eigenen Hälfte des Mittelfelds vor dem Kollegen Fredrik Jensen den Ball und schlug mit seinem rechten Fuß einen öffnenden Pass in den Lauf von Kelvin Yeboah. Es war die Einleitung eines Tores, nach dem vor allem über Yeboahs Übersteiger und Flanke gesprochen wurde sowie über Mergim Berishas kunstvollen Volley mit dem rechten Außenrist. Doch die hochwertigen Aktionen am Ende dieses Angriffs hätte es ohne Engels' gedankenschnellen Impuls nicht gegeben. Und damit auch nicht den 1:0-Erfolg gegen Borussia Mönchengladbach.

Ein Heimspiel später steht der FCA bei drei Heimerfolgen - und am 1:0 gegen Bayer Leverkusen am vergangenen Freitag hatte Engels wieder entscheidenden Anteil. Diesmal mit seinem präzise getretenen Eckball, den Berisha per Kopf verwertete. Erneut richteten sich die Blicke nicht zuerst auf Engels.

Dies zieht sich durch seine Karriere, Arne Engels wird zuweilen nicht genug beachtet und manchmal sogar übersehen. Aus seinem 15 000-Einwohner-Heimatort Opwijk in Flandern hatte sich der Belgier einst aufgemacht zu KAA Gent, ehe er 2015 zum Club Brügge wechselte. Besonders viel Interesse zog er dort ebenfalls nicht auf sich. Statt für die Profis lief Engels für Brügges Nachwuchsteam Club NXT in der zweiten Liga auf. Zudem stehen in seiner Vita 14 Einsätze in der Uefa Youth League, der Champions League für Juniorenteams. Als die Scouting-Abteilung des FC Augsburg Engels entdeckte, kam bald die Frage auf, ob sie beim Club Brügge vielleicht etwas übersehen haben bei dem Talent.

Beim FCA waren sie zwar schnell überzeugt von ihrem Fund, den sofortigen Durchbruch trauten sie dem 19-Jährigen aber ebenfalls nicht zu. Er sei ein Perspektivspieler und solle langsam herangeführt werden, war Anfang Januar zu hören, als Engels als erster der sieben Winterzugänge für die Basisablöse von 100 000 Euro kam. Doch dann profitierte Engels von einigen Ausfällen und überzeugte in der Mittelfeldzentrale, zunächst als Aushilfe. Eigentlich war er nämlich für die rechte Außenbahn vorgesehen, was seine Geschichte noch erstaunlicher macht. Dort, im rechten Mittelfeld, tut sich nun ebenso unerwartet der 24-jährige Arne Maier hervor, der im vergangenen Sommer für rund fünf Millionen Euro Ablöse eigentlich für die Zentrale geholt wurde. Nun aber steht Engels im Mittelpunkt des Augsburger Spiels - und bringt sogar Fachleute zum Staunen, zumal er nie zuvor in einer ersten Liga gespielt hatte.

Nur nicht zu sehr hochjubeln, sagt Trainer Enrico Maaßen über Engels, der bisher mit großer Konstanz sehr gute Leistungen zeigt

"Ich weiß nicht, was gerade passiert. Es ist wirklich verrückt, aber ich versuche, ruhig zu bleiben", sagte der Teenager am Freitag nach seinem vierten Bundesligaspiel über 90 Minuten. Stefan Reuter, der Geschäftsführer Sport des FCA, witzelte schon vorher über den ungeplanten Rollentausch zwischen Maier und Engels, dieser komme wohl daher, "weil der Trainer mit zwei Arnes manchmal durcheinander kommt". Doch in Wahrheit war es Enrico Maaßen, der im Training schnell erkannte, welche Fähigkeiten Engels mitbringt. "Was er leistet, ist außergewöhnlich", stellt Maaßen fest, "gleichzeitig ist auch wichtig, dass er bodenständig bleibt und wir ihn nicht zu sehr hochjubeln." Bisher spielt Engels für sein Alter und seine Unerfahrenheit beinahe beängstigend konstant. Das kann fast nicht so bleiben, obwohl ihn Reuter als "extrem reif" erlebt. So spielt Engels auch. Reuter formuliert es so: "Der kriegt keine Hektik, sondern versteht das Spiel, macht's für sein Alter außergewöhnlich gut und hat sich unheimlich schnell integriert."

Engels' Geschichte zeigt auch, dass sogar in den hochgerüsteten Analyseabteilungen der Profiklubs Hochbegabte zuweilen verkannt werden und durchrutschen können. Zugleich scheint Engels ein gutes Beispiel für die besondere Anpassungsfähigkeit mancher Talente zu sein. "Dass er sich so schnell so gut akklimatisiert, das war nicht zu erwarten", sagt Maaßen. Die Ruhe am Ball und seine Übersicht zeichnen Engels aus, zugleich ist er schon recht robust - und enorm laufstark: Gegen Leverkusen kamen rund 13 Kilometer zusammen, mehr als bei jedem anderen Akteur. Ebenfalls den höchsten Wert erzielte er bei den intensiven Läufen, also den besonders zehrenden Sprints. Doch obwohl Engels beständig am Limit agierte, litten weder Konzentration noch Koordination. Eine gute Passquote von 89 Prozent wies die Statistik ebenfalls aus. "Und er ist kein Spieler, der den Ball immer nach hinten spielt", erinnert Maaßen, "das ist schon wirklich gut und beeindruckend."

Seinen Stammplatz dürfte Engels vorerst behalten, auch am Samstag im Ligaspiel beim 1. FSV Mainz 05. Sein Trainer sagt sogar: "Ich hoffe, er rutscht nie wieder aus der Startelf, wenn er so spielt, wie er spielt." Bisher spielte Engels in der Mittelfeldzentrale zusammen mit Elvis Rexhbecaj, 25, und interpretierte seine Rolle offensiver als der Kollege. Der vor seinen Verletzungen gesetzte Niklas Dorsch, 25, war 2021 für sieben Millionen Euro Ablöse verpflichtet worden, derzeit muss er sich über Kurzeinsätze empfehlen. Und es sieht so aus, als stehe er nicht mit Engels im Konkurrenzkampf um einen Startplatz, sondern mit Rexhbecaj.

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