FC Augsburg:Anleihen bei Daums Staubsauger-Coaching

FSV Mainz 05 - FC Augsburg
(Foto: Kai Pfaffenbach/dpa)

Beim 1:0 in Mainz zeigt der FCA, dass sich die Mannschaft von Trainer Heiko Herrlich durchaus motivieren lässt. Der Klassenverbleib ist nah.

Von Sebastian Fischer

Zu den Qualitäten des Trainers Heiko Herrlich, 48, zählt ein reicher Erfahrungsschatz in der Bundesliga. Er hat Meisterschaften gewonnen, gegen den Abstieg gekämpft und ist von Oliver Kahn in den Hals gebissen worden. Zu seinen Weggefährten zählte einst in Leverkusen Ulf Kirsten, einer der erfolgreichsten Stürmer der Neunzigerjahre. Und von Kirsten hat Herrlich nun dem Stürmer Florian Niederlechner, 29, erzählt. Vielleicht war es eine wichtige Geschichte.

Kirsten, so geht die Geschichte, traf nach einigen erfolglosen Versuchen auch deshalb wieder das Tor, weil ihm sein früherer Trainer Christoph Daum mit einem Vergleich dabei half: Ein Staubsaugerverkäufer versuche seine Staubsauger auch an der fünften und sechsten Tür zu verkaufen, wenn er vorher viermal vergeblich geklingelt hat. So, erzählte Herrlich, habe er Niederlechner zu motivieren versucht, den Stürmer des FC Augsburg, der vor der Partie bei Mainz 05 am Sonntag zehn Spiele lang nicht getroffen und zuvor gegen den 1. FC Köln einen Strafstoß und eine weitere Großchance vergeben hatte. 43 Sekunden nach dem Anstoß in Mainz versuchte Niederlechner es mit einem Seitfallzieher und traf. "Das war ein großer Schritt im Kampf gegen den Abstieg", sagte er später, als sein Treffer für einen 1:0-Sieg gereicht hatte. "Letzte Woche war ich der Depp, jetzt bin ich der Held."

Drei Spiele bleiben noch in einer kuriosen neunten Bundesligasaison in der Historie des FC Augsburg. Seit Sonntag ist es sehr wahrscheinlich, dass eine zehnte hinzukommen wird, der Vorsprung auf den Relegationsplatz beträgt sieben Punkte, nach der Begegnung mit der TSG Hoffenheim am Mittwochabend könnte der Klassenverbleib feststehen. Niederlechner könnte sogar noch zum erfolgreichsten Augsburger Bundesligatorschützen binnen einer Saison werden, zur Bestmarke von Michael Gregoritsch, 13 Treffer in der Saison 2017/2018, fehlt ihm nur noch ein Tor. Und Herrlich dürfte sein erstes Ziel als Augsburger Trainer erreichen.

Als er kurz vor der pandemiebedingten Saisonunterbrechung als Nachfolger von Martin Schmidt vorgestellt wurde, beschrieb es Herrlich als seine wichtigste Aufgabe, der Mannschaft nahezubringen, dass sie sich trotz einer scheinbar beruhigenden Tabellensituation in Abstiegsgefahr befinde. Die Not wurde auch deshalb etwas akuter, weil Augsburg von den ersten fünf Partien nach der Wiederaufnahme des Spielbetriebs nur eine gewann.

Herrlich ist als Trainer unter anderem für eine emotionale Ansprache bekannt. Er zeigt Mannschaften gerne Sportfilme mit Motivationsbotschaften, zum Beispiel "Miracle - Das Wunder von Lake Placid", über den sensationellen Sieg der USA gegen die Sowjetunion im olympischen Eishocketurnier 1980. Es passt also durchaus ins Bild, dass er Niederlechner von Ulf Kirstens Staubsaugerverkäufer-Mentalität erzählte, beziehungsweise dem Torjäger trotz Torflaute vertraut und "eine alte Geschichte von Christoph Daum ausgepackt" hatte, wie Herrlich es ausdrückte. Bei seiner Vorstellung im März war allerdings auch von anderen Zielen die Rede, etwa von einer besseren Passquote.

In Augsburg planen sie trotz Abstiegsgefahr längst am Kader für die zehnte Bundesligasaison

Und so zeigte das Spiel in Mainz zwar einerseits, dass es ihm zu gelingen scheint, das Team zu motivieren, dass sich sonst aber noch nicht allzu viel verändert hat, vor allem taktisch: Eine Augsburger Passquote von 57 Prozent stand nach dem Spiel in der Statistik, und das bei nur 260 Pässen. Mainz, zum Vergleich, wies bei 501 Pässen eine in der Liga auch nur mittelmäßige Quote von 78 Prozent auf - und mehr Torchancen, von denen Augsburgs Torhüter Andreas Luthe zwei stark parierte. "Wir sind die glücklichen Sieger", so sah das wohl nicht nur Niederlechner.

"Rechnerisch ist alles möglich. Wir versuchen, Punkte zu holen, ohne auf die anderen zu schauen", sagte Herrlich mit Blick auf das Spiel gegen Hoffenheim. Sicher ist im Kampf gegen den Abstieg noch nichts, sollte das heißen. Doch natürlich planen sie in Augsburg längst am Kader für die zehnte Bundesligasaison. Neben der offenbar bevorstehenden Verpflichtung von Tobias Strobl, 30, von Borussia Mönchengladbach ist auch vom Interesse an Daniel Caligiuri, 32, von Schalke 04 die Rede. Beide wären ablösefrei und spielen auf Positionen, auf denen in Augsburg Bedarf besteht: Strobl im defensiven Mittelfeld, Caligiuri auf dem rechten Flügel oder als rechter Verteidiger. Und beide sind wohl eher keine Fußballer, die in die zweite Liga wechseln würden.

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