Die Wut des FC Arsenal richtete sich einmal mehr gegen den Schiedsrichter. Diesmal pfiffen die Fans Anthony Taylor aus, der aus ihrer Sicht fälschlicherweise in der 90. Minute einen Zweikampf am Strafraum unterband, der womöglich zum Siegtor gegen den FC Liverpool geführt hätte. Stürmer Gabriel Jesus erhielt nach Abpfiff wegen Reklamierens die gelbe Karte. In den Interviews verweigerte Mikel Arteta einen Kommentar zum Schiedsrichter – und redete dabei trotzdem so aufgebracht, als würde das Match noch laufen. Sein Auftritt verfestigte den Eindruck der Partie: Arsenal wirkt gerade stark angespannt.
Trotz zweimaliger Führung gegen Liverpool kamen die Londoner im Spitzentreffen der Premier League am Sonntag nicht über ein 2:2 (2:1) hinaus. Vom Remis profitierte der ewige Meisterschaftskonkurrent Manchester City, der die Tabellenführung übernahm und nun einen Punkt vor Liverpool liegt. Die Dauerrivalen haben sich an der Spitze nach neun Spieltagen abgesetzt. Der Rückstand des drittplatzierten Arsenal beträgt vor den komplizierten Auswärtsspielen bei Newcastle United und dem FC Chelsea schon fünf Punkte. Eine solche Ausgangslage habe man nach dem ersten Saisonviertel nicht haben wollen, gab Arteta zu.
Dabei präsentieren sich seine Spieler auf dem Platz stets engagiert. Allerdings fehlt es ihnen an Lockerheit und Souveränität. Wenn man so will, dann ähneln die Darbietungen der Mannschaft der Rhetorik des Trainers. Arteta scheint den Ligatitel nach zwei knapp verpassten Anläufen in dieser Spielzeit geradezu erzwingen zu wollen – und das funktioniert bislang eher nicht so gut.
Die Symptome wurden im Duell mit Liverpool erneut offensichtlich. Den euphorisch gefeierten Führungstreffer durch Bukayo Saka (9. Minute) glich Liverpools Virgil van Dijk umgehend aus (18.). Und als Arsenal den von Zugang Mikel Merino (2:1/43.) wiederhergestellten Vorsprung in der zweiten Halbzeit zunächst geschickt verteidigte, winkte Arteta seine Spieler nach vorn, was prompt schiefging: Einem Ballverlust folgte ein Liverpooler Gegenstoß, den Mohamed Salah verwertete (81.).
Er sei „sehr enttäuscht“, das Spiel nicht gewonnen zu haben, bilanzierte Arteta, aber zugleich sei er stolz, weil man sich „wahrscheinlich gar nicht vorstellen“ könne, in welcher Situation sich sein Team gerade befinde. Damit meinte der Trainer wohl Arsenals Abwesenheitsliste, er musste unter anderem auf die Stammkräfte Martin Ödegaard und Riccardo Calafiori verzichten.
In den ersten acht Spielen kassierte Arsenal drei Platzverweise
Arsenal wird in dieser Saison aber nicht nur vom vermeintlichen Verletzungspech verfolgt, das Team schwächt sich auch selbst. Gegen Liverpool fehlte Innenverteidiger William Saliba rotgesperrt. In den ersten acht Ligaspielen kassierte Artetas Elf drei Platzverweise, zwei davon bei eigener Führung, den Vorsprung brachte das Team jeweils nicht über die Zeit.
Selbst die früher verspottete und inzwischen hervorragende Atmosphäre bei Heimspielen des Klubs scheint gerade keine Hilfe zu sein. Die Fans lassen bei ihrer Unterstützung kaum eine Atempause – und die Spieler scheinen sich davon leiten zu lassen. Jedenfalls schlugen sie gegen Liverpool erneut ein Tempo an, das sich nicht durchstehen ließ. Vor der Schlussphase musste Jurriën Timber mit Krämpfen den Platz verlassen. Sein Vertreter, der 18-jährige Myles Lewis-Skelly, beging dann den entscheidenden Stellungsfehler vor dem Ausgleich.
Auch den hochemotionalen Arteta scheint Arsenals Emotionalität mittlerweile ein wenig zu besorgen. Kürzlich verfügte er, dass zumindest die roten Karten aufhören müssten.