FC Arsenal:Arsène Wenger - erst gedemütigt, dann zerrissen

FC Arsenal: "Pass auf, Arsène ...": Arsenal-Coach Wenger gerät nach dem 1:5 gegen den FC Bayern zunehmend unter Druck.

"Pass auf, Arsène ...": Arsenal-Coach Wenger gerät nach dem 1:5 gegen den FC Bayern zunehmend unter Druck.

(Foto: AFP)
  • Arsenal-Trainer Arsène Wenger lobt trotz der 1:5-Niederlage gegen den FC Bayern sein Team - und sucht die Schuld beim Schiedsrichter.
  • Die englische Öffentlichkeit fällt ein anderes Urteil. Sie fordert einen Neuanfang beim FC Arsenal.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Champions League.

Von Thomas Hummel, London

Bisweilen ist es ein überlebenswichtiger Trick, sich an das Gute und Schöne im Leben zu erinnern und das Schlechte und Hässliche zu vergessen. Der Fußballlehrer Arsène Wenger bediente sich am Dienstagabend dieser Psychologie, was ihm eventuell eine halbwegs ruhige Nacht einbrachte. Sein Pech war, dass er in seinem Job als Trainer des ruhmreichen FC Arsenal von vielen Menschen beobachtet wird - und die wollten das Schlechte und Hässliche überhaupt nicht vergessen. Im Gegenteil hatten sie keine Lust mehr dazu, dem Guten und Schönen auch nur einen Gedanken hinterherzuwerfen.

Arsène Wenger verantwortete das zweite 1:5 gegen den FC Bayern München binnen drei Wochen. 2:10 im Achtelfinale der Champions League. So ein Desaster hatte noch nie ein englischer Fußballverein in einer K.-o.-Runde eines europäischen Wettbewerbs erlebt. Als er um seine Meinung dazu gebeten wurde, sagte Wenger: "Heute Abend zeigten wir das, was wir wollten: eine Leistung mit der richtigen Einstellung und Stolz."

Da hatte er nicht einmal unrecht. 54 Minuten überraschte seine Mannschaft den Favoriten aus München mit herzhaftem Offensivfußball, mit Mut und schönen Spielzügen. Der FC Arsenal führte 1:0, und auch wenn der Rückstand aus dem Hinspiel noch immer groß war, es deutete sich ein ehrenhafter Abgang an. Dumm nur, dass danach noch 39 Minuten (36 plus drei Minuten Nachspielzeit) folgten, in denen Wengers FC Arsenal weggeweht wurde wie ein schlecht gebautes Vogelnest im Sturm. Oder wie die Zeitung The Times schrieb: "Wenger hat eine Mannschaft aus Stroh statt aus Stahl gebaut."

Schuld? Hatte für Wenger vor allem der Schiedsrichter

Klar, es war ein wenig unglücklich, dass eine Szene das ganze Spiel änderte: das Foul von Laurent Koscielny an Robert Lewandowski und die anschließende Doppel-Bestrafung mit Elfmeter und Rot für den Verteidiger. Koscielny musste schon im Hinspiel kurz nach der Pause verletzt raus und hat persönlich das Duell gegen die Münchner mit 2:1 gewonnen. Ohne den Franzosen erspielte Arsenal anschließend in beiden Partien ein sagenhaftes 0:9.

Das 1:1 durch den Elfmeter Lewandowskis zog den Stecker bei den Gastgebern. Während draußen ihr Trainer mit dem vierten Schiedsrichter debattierte, verloren auf dem Feld alle den Kopf. Konfus versuchten die Londoner, einfach irgendwie weiter nach vorne zu spielen, während sie bei den Kontern des Gegners wie Polizisten Spalier standen, die den Verkehr durchwinken. Die Bayern liefen so frei auf das Tor zu, wie man das selten sieht im professionellen Fußball. Und bei der Klasse von Arjen Robben, Franck Ribéry, Douglas Costa, Lewandowski oder Arturo Vidal fielen die Tore zwangsläufig.

Wenger aber wollte sich und seine Spieler nicht an den letzten 39 Minuten messen. Und schon gar nicht von Fehlern sprechen. Schuld hatte der Schiedsrichter. Tasos Sidiropoulos aus Griechenland hätte vor der Halbzeit vielleicht einen Elfmeter für Arsenal geben können, als Xabi Alonso Ball und Gegner Theo Walcott im Strafraum spielte. Der Referee hätte eventuell auf die rote Karte für Koscielny verzichten können vor dem 1:1. Diese Haltungen kann man vertreten als Trainer der Verlierer. "Ich bin sehr wütend, sehr frustriert. Das ist absolut unerklärlich. Das war skandalös", erklärte Wenger standhaft. Doch ist es klug, nach einem 1:5 allein den Schiedsrichter verantwortlich zu machen? Wohl kaum. In England schon gar nicht, wo es der Kodex zwingend vorschreibt, für seine Leistungen Verantwortung zu übernehmen.

"Arsenal, ruhe in Frieden", schreibt die Sun

Die englische Öffentlichkeit fällte da ein anderes Urteil: Lieber Arsène, es ist gut. Nach 21 Jahren als Erbauer des modernen FC Arsenal musst du nun deinen Platz räumen und einen Neubeginn ermöglichen. Okay, einige formulierten es tags darauf etwas drastischer. Der Daily Mirror schrieb: "Witzfiguren. Wengers Schwächlinge hissen die weiße Fahne. Nach dieser Kapitulation ist Wengers Position unhaltbar geworden." Und die Sun: "Wenger raus! Das 10:2 ist der Beweis, dass Wenger den Klub umbringt und gehen muss. Arsenal, ruhe in Frieden."

Der abendlichen Demütigung folgte die Nacht der Abrechnung. Die Wenger-Gegner hissten im Stadion ihre Transparente, die meisten anderen Zuschauer waren weit vor dem Schlusspfiff schon zur U-Bahn gegangen. Jedes Detail fliegt dem Klub nun um die Ohren, etwa dass der bereits ausgewechselte Alexis Sanchez beim 1:5 durch Vidal auf der Bank leicht grinste. Ob das in böser Absicht geschah oder ob Sanchez angesichts des Debakels nur eine Art von Galgenhumor blieb, interessiert in London am Mittwoch nicht. Es reicht, dass er grinste. Ausgerechnet Sanchez, der sich zuletzt mit Mitspielern gestritten haben soll, von Wenger mal nicht aufgestellt wurde und gegen Bayern als einer der wenigen sogar vor der Halbzeit enttäuschte.

Das siebte Achtelfinal-Aus in Serie

Weder Sanchez noch der Deutsche Mesut Özil, dessen Vertrag ebenfalls 2018 ausläuft, noch Wenger wollten sich in der Nacht zu ihrer Zukunft äußern. "Ich rede nicht über mich, ich rede über Fußball", sagte der 67-Jährige stur. Er hatte den Klub vor 21 Jahren aus dem Rumpel-Fußballalter geführt, ihm einen neuen Stil gegeben und nun 13 Jahre in Serie in die K.-o.-Phase der Champions League geführt. Allerdings schied Arsenal nun auch zum siebten Mal in Serie im Achtelfinale aus und für viele Fans und Beobachter ist eben nichts öder als dauerhafter Stillstand. Der Klub macht im Gegenteil den Eindruck, als wünsche man sich lieber eine Auflösung als ein Weiterso. Da mag Wenger noch so oft sagen, dass der Klub in einer großartigen Verfassung sei, nur "aktuell in einer schwierigen Situation".

Immerhin versprach der Trainer, sich nun um das nächste Spiel kümmern zu wollen. Am Samstag trifft seine Mannschaft im FA-Cup auf Lincoln City, den ersten Fünftligisten, der in der 103-jährigen Geschichte des Wettbewerbs das Viertelfinale erreichte. Lincoln gewann übrigens am Dienstagabend bei einem Klub namens Braintree mit 4:0. The Sun titelte: "Pass auf, Arsène ..."

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