Favoritensterben im DFB-Pokal:"Erste Liga, keiner weiß, warum..."

Werder Bremen, Borussia Mönchengladbach, 1. FC Nürnberg, Eintracht Braunschweig - alle raus. Zahlreiche Favoriten sind bereits in der ersten Runde des DFB-Pokals gescheitert. Die Spieler wirken konfus, die Trainer sind fassungslos und die Fans schimpfen.

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Darmstadt 98 v Borussia Moenchengladbach - DFB Cup

Quelle: Bongarts/Getty Images

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Werder Bremen, Borussia Mönchengladbach, 1. FC Nürnberg, Eintracht Braunschweig - alle raus. Zahlreiche Favoriten sind bereits in der ersten Runde des DFB-Pokals gescheitert. Die Spieler wirken konfus, die Trainer sind fassungslos und die Fans schimpfen.

Darmstadt 98 - Borussia Mönchengladbach 5:4 n.E.

Branimir Hrgota entschied sich für die frechste Art, einen Elfmeter zu schießen. Vier kleine Trippelschritte, lässig sah das aus, dann löffelte er den Ball hoch in Richtung Tormitte. Der Ball flog wie in Zeitlupe und Hrgota wusste, dass es beim Löffelchen-Elfmeter nur zwei Möglichkeiten gibt: Geht der Ball rein, "klopfen dir alle auf die Schulter. Wenn nicht, ist man als Schütze der Depp", wie Gladbachs Sportdirektor Max Eberl hinterher fachmännisch erklärte - und unterschwellig das Urteil über seinen schwedischen Stürmer sprach. Branimir Hrgota war der Depp des Tages.

Dummerweise war es der entscheidende Schuss im Elfmeterschießen zwischen Drittligist Darmstadt 98 und Erstligist Borussia Mönchengladbach. Und dummerweise klatschte der Ball an die Latte und von dort aus vor die Torlinie. Damit hatte Hrgota nicht nur sich blamiert, sondern seine ganze Mannschaft. Und trotzdem: Für Hrgota hätte der Nachmittag wesentlich schlimmer enden können. Mitte Mai hatte der 20-Jährige schon einmal die Löffelchen-Variante gewählt - und getroffen. Damals hatte Sportdirektor Eberl gesagt: "Wenn er nicht getroffen hätte, hätte ich ihm den Kopf abgerissen." Am Sonntag in Darmstadt ließ Eberl Milde walten und beließ es beim Deppen-Urteil.

Borussia Mönchengladbach droht jetzt ein Fehlstart in die neue Saison. Denn am kommenden Freitag (20.30 Uhr) geht es beim Bundesliga-Auftakt zum FC Bayern München. Spielt die Borussia dann wieder so fahrig und unentschlossen wie in Darmstadt, könnte es sogar noch peinlicher ausgehen als am Sonntag. Auch die Bayern haben übrigens einen Pokal-Löffler in den Reihen: Im Januar 2009, im Pokal-Achtelfinale, lupfte Franck Ribéry einen Elfmeter in die Arme von Stuttgarts Torwart Jens Lehmann. Zum Titel "Depp des Tages" reichte es für Ribéry trotzdem nicht. Der FC Bayern gewann 5:1.

(gla)

Gladbachs Havard Nordtveit (rechts) tröstet seinen Mannschaftskameraden Branimir Hrgota nach dessen verschossenem Elfmeter. Links im Bild: Der angefressene Trainer Lucien Favre.

1. FC Saarbruecken v Werder Bremen - DFB Cup

Quelle: Bongarts/Getty Images

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1. FC Saarbrücken - Werder Bremen 3:1 n.V.

Der freie Tag ist gestrichen - und das ist wohl nur die erste Konsequenz, die Trainer Robin Dutt aus der peinlichen Pokalniederlage von Werder Bremen zieht. Einen Tag nach dem 1:3 nach Verlängerung gegen den 1. FC Saarbrücken, einen Drittligisten, dürfen die Fußballer nicht am Werdersee ausspannen, nein, sie sind zum Trainingsgelände beordert worden. Dort stehen auf dem Programm: eine Übungseinheit auf dem Platz und die Videoanalyse, bei der die Werder-Spieler noch einmal über sich ergehen lassen müssen, wie dämlich sie sich am Vortag auf dem Platz angestellt haben. Was von dem Pokalspiel aus Bremer Sicht bleibt, sind katastrophale Missverständnisse in der Abwehr, viel zu zahme Angriffsversuche und eine verdiente Niederlage. Es muss sich einiges ändern, damit der Saisonauftakt am Samstag bei Eintracht Braunschweig nicht ähnlich misslingt.

Erst im Mai hatte Dutt das Traineramt in Bremen übernommen, nachdem der Verein fast 14 Jahre lang von Thomas Schaaf gelenkt worden war. Eine Blamage im ersten Pflichtspiel - schlimmer hätte der Einstand für den ehemaligen DFB-Sportdirektor wahrlich nicht ausfallen können. Mit gesenktem Kopf ging Dutt nach dem Spiel auf die Werder-Fans zu und ließ die nicht gerade freundlichen Worte auf sich einprasseln. "Sie waren richtig sauer, aber der Unmut ist berechtigt", sagte er kleinlaut. "Es gab sicherlich vieles zu erklären, aber nichts schönzureden."

(sonn)

Arminia Bielefeld v Eintracht Braunschweig - DFB Cup

Quelle: Bongarts/Getty Images

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Arminia Bielefeld - Eintracht Braunschweig 2:1

Auch eine halbe Stunde nach dem Abpfiff verteidigte Ermin Bicakcic seine fatale Aktion in der 70. Minute: "Wo soll ich hin mit meinem Arm? Das war keine Absicht." Braunschweigs Abwehrspieler wurde nicht müde seine Unschuld zu beteuern, Schiedsrichter Felix Brych dagegen hatte die Situation als regelwidrige Vergrößerung der Körperfläche und somit als absichtliches Handspiel im Strafraum bewertet. Bielefelds Tim Jerat verwandelte den Elfmeter zum 2:1, durch den die Braunschweiger abermals frühzeitig im Pokalwettbewerb scheiterten. Seit 2006 haben die Niedersachsen nur einmal die erste Runde überstanden. Auch diesmal kam das frühe Aus - obwohl der Verein doch eben erst in die Bundesliga aufgestiegen war.

Entsprechend viel Spott mussten die Braunschweiger nach der Niederlage beim Zweitliga-Aufsteiger über sich ergehen lassen. "Erste Liga, keiner weiß, warum...", erklang es höhnisch aus dem Bielefelder Fan-Block. Sechs Tage vor dem ersehnten Bundesliga-Comeback kämpfte Torsten Lieberknecht noch auf dem Platz gegen die Ernüchterung an. Braunschweigs Trainer rief seine Spieler zusammen und versuchte, sie wieder aufzurichten. "Ich habe den Jungs gesagt, dass wir auf dem richtigen Weg sind", sagte Lieberknecht: "Und ich habe ihnen gesagt, dass das kein großer Rückschlag war. Dafür habe ich zu viele gute Dinge gesehen. Aufgrund der 2. Halbzeit und der Mentalität, die wir da gezeigt haben, bin ich weiterhin sehr, sehr optimistisch."

Eine verbale Trotzreaktion, die die Abwehrschwächen gegen stark aufspielende Bielefelder nicht kaschieren konnte. Und doch: Von Zweifeln will Lieberknecht nichts wissen: "Ganz Braunschweig freut sich nach 28 Jahren auf die Bundesliga. Ich kann Ihnen versprechen: Die Bielefelder haben unglaublich Stimmung gemacht. Aber das wird ein Kindergarten sein gegen das, was nächste Woche bei uns in Braunschweig los sein wird." Am Samstagabend empfängt der deutsche Meister von 1967 den SV Werder Bremen. Die noch deutlich peinlichere Niederlage des Nord-Rivalen beim Drittligisten 1. FC Saarbrücken war der einzige Mutmacher. 

(vf)

SV Sandhausen - 1. FC Nürnberg 5:4

Quelle: Uwe Anspach/dpa

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SV Sandhausen - 1. FC Nürnberg 4:3 n.E.

Wer Meister wird in dieser Saison, wurde Michael Wiesinger gefragt. "FC Bayern München, aber es wird ein Zweikampf mit Dortmund oder einem anderen Überraschungsteam", so die Antwort des Trainers des 1. FC Nürnberg. Wen er mit dem Überraschungsteam meinte? Nach dieser Sonntagnacht steht fest: sicherlich nicht sein Team.

3:4 (1:1 nach Verlängerung) im Elfmeterschießen schied der 1. FC Nürnberg aus dem DFB-Pokal aus, gegen SV Sandhausen, der in der vergangenen Saison eigentlich schon in die dritte Liga abgestiegen war und nur weil dem MSV Duisburg die Lizenz entzogen wurde, doch wieder in Liga zwei antreten darf. Wiesinger verharrte nach der Niederlage im Mittelkreis, er blickte in die Leere. Mittelfeldspieler Markus Feulner (Foto) kniete erst auf den Boden nieder, dann ließ er sich nach hinten fallen und legte die Hände aufs Gesicht. Als die Nürnberger vom Platz schlichen, riefen die Fans ihnen noch wüste Beschimpfungen hinterher.

Im Gegensatz zu Werder Bremen oder Borussia Mönchengladbach zeigte Nürnberg zwar keine katastrophale Leistung, allerdings natürlich auch alles andere als Bundesligareife. Die Franken gingen dank Neuzugang Daniel Ginczek (27. Minute) in Führung, doch in der 58. Minute gelang Sandhausen durch einen Foulelfmeter der Ausgleich. Danach bestimmte weiter Nürnberg das Spiel: In den restlichen 30 Minuten und auch in der Verlängerung gelang es dem "Club" allerdings nicht, den Ball ins Tor zu bringen. Beim Elfmeterschießen hielt Sandhausens Torwart Manuel Riemann gleich zwei Schüsse - die Hanno Balitsch und Marvin Plattenhardt allerdings auch alles andere als platziert abgefeuert hatten. "Ein Elfmeterschießen ist immer auch Glückssache", sagte Wiesinger nach der Partie. "So ein Spiel musst du in der Verlängerung entscheiden. Aber wir haben einfach keine Ruhe ins Spiel bekommen." Es bleiben den Nürnbergern nur noch wenige Tage, um Ruhe reinzubringen. Am Samstag geht es zur TSG Hoffenheim.

(sonn)

Fortuna Düsseldorf-FC Energie Cottbus

Quelle: dpa

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SC Wiedenbrück 2000 - Fortuna Düsseldorf 1:0

Das Entscheidende trug sich erst in der Nachspielzeit zu. Tobias Levels wollte den Ball in der Rückwärtsbewegung in Richtung seines Torhüters köpfen. Das misslang ihm allerdings gründlich. Marwin Studtrucker war schneller am Ball und fokussierte das Tor. Tobias Levels wusste sich nicht anders zu helfen, als den Enteilten umzureißen. Rote Karte und Elfmeter. Ausgerechnet Levels. Norbert Meier hatte den Verteidiger in der vergangenen Rückrunde schon aussortiert, Nachfolger Mike Büskens rehabilitierte den 26-Jährigen - dank einer starken Vorbereitung. Jetzt dieser entscheidende Fehler, der den Favoriten blamierte.

Die Mehrheit der Zuschauer im Gütersloher Heidewaldstadion hatte sich einen gemütlichen Sonntagsausflug versprochen. Mehr als 3000 der 4500 Zuschauer waren aus dem Rheinland nach Ostwestfalen gereist und unterstützten die Fortuna. Spätestens in ersten Minute der Nachspielzeit, als Studtrucker den Foulelfmeter zum 1:0 erzielte, war die gute Ausflugslaune der Düsseldorfer Anhänger dem Frust über das Gesehene gewichen. Auch die Verantwortlichen des Erstliga-Absteigers waren bedient, allen voran Manager Wolf Werner: "Dafür gibt es keine Erklärung. Wir haben keine Einstellung zum Spiel und zum Gegner gefunden. Das ist vollkommen inakzeptabel. Es gab vor dem Spiel eine sehr gute Ansprache, so dass es nicht hätte passieren dürfen. Alle Feldspieler müssen heute mit ihrer Leistung unzufrieden sein."

Als Ursache für das Pokal-Aus machte Büskens die eklatante Chancenverwertung aus: "Wir hatten unsere Möglichkeiten, haben sie aber leichtfertig vergeben." Tatsächlich war der Zweitligist aktiver, im Abschluss fehlte dem Favoriten aber die Präzision. Nach zwei sehenswerten Leistungen und vier Punkten in der 2. Liga hatte er mit allem gerechnet, nur nicht damit. Entsprechender Besserung bedarf es im dritten Zweitliga-Spiel am Freitag (18.30 Uhr), dann kommt der TSV 1860 München. 

(vf)

SC Preußen Münster - FC St. Pauli

Quelle: dpa

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SC Preußen Münster - FC St. Pauli 1:0

Für Michael Frontzeck (Foto) hat sich die 0:1-Pokalniederlage bei Preußen Münster gar nicht so schlimm angefühlt. Denn "gefühlt", sagte St. Paulis Trainer hinterher, sei Münster ja "schon seit längerer Zeit ein Zweitligist." Nun ist es mit Gefühlen bekanntlich so, dass sie einen täuschen können. Die Wahrheit ist: Sieger Preußen Münster spielt in der dritten Liga und Zweitligist St. Pauli steht nach dem Erstrunden-Spiel am Sonntagabend als blamierter Verlierer da.

Bei der Spielanalyse zeigte sich Frontzeck dagegen sachlich: "Das Einzige, was so bisschen gefehlt hat, war die Galligkeit, die Geilheit vor dem Tor". Das war ziemlich treffend, denn St. Paulis Spieler hatten sehr wohl gekämpft und Willen gezeigt, nur eben im Torabschluss hatte man nicht immer das Gefühl, als wollten die Hamburger tatsächlich ein Tor schießen. Aber wie gesagt: Gefühle können auch täuschen. Neben Galligkeit und Geilheit hat schließlich auch ein bisschen Glück gefehlt - zum Beispiel bei Lennart Thys Pfostentreffer in der 59. Spielminute.

Dass beim FC St. Pauli nach der Pokalpleite großer Jammer ausbricht, muss Trainer Frontzeck allerdings nicht befürchten. Denn der Ligastart war ja in Ordnung: Mit vier Punkten aus zwei Spielen stehen die Hamburger gut da. Gelingt am Sonntag gegen Arminia Bielefeld die Wiedergutmachung für die Pokal-Niederlage, könnte St. Pauli sogar auf einen Aufstiegsplatz springen. Na gut, es ist gerade mal der dritte Spieltag. Aber zumindest gefühlt wäre man dann fast ein Erstligist.

(gla)

© Süddeutsche.de
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