Faris Al-Sultan:Trennung vom Angriffslustigen

Al-Sultan bald nicht mehr Triathlon-Bundestrainer

Faris Al-Sultan, hier noch aktiv im Jahr 2014 in Klagenfurt.

(Foto: dpa)

Triathlon-Bundestrainer Faris Al-Sultan muss ein Jahr vor Olympia aufhören. Mit dessen umstrittenen Corona-Aussagen soll das alles nichts zu tun haben.

Von Johannes Knuth

Eines sei ihm ganz wichtig, schrieb der Triathlon-Bundestrainer Faris Al-Sultan vor einem Monat auf seiner Website: Er sei "weder Verschwörungstheoretiker noch Anarchist". Er sehe sich vielmehr als "konservativer, muslimischer, politisch sehr mäßig engagierter, deutscher Patriot". Aber mit der politischen Mäßigung, daran ließ er in den folgenden Zeilen keine Zweifel, war es nun erst mal vorbei.

Bundeskanzlerin Angela Merkel? Habe in der Corona-Krise mit zunehmender Zeit versagt. Der bayerische Ministerpräsident? Berausche sich daran, Bürger und "seine Lakaien im Kabinett" im Griff zu haben. Der bayerische Innenminister? Rufe die Bürger öffentlich auf, sich gegenseitig zu überwachen. Und das Volk selbst? Für das schämte sich Al-Sultan natürlich auch: Weil es noch immer "die Hände an die Hosennaht legt und 'Jawohl, mein Führer!', schreit", statt den Kurs der Behörden kritisch zu hinterfragen.

Faris Al-Sultan war schon als Triathlet immer angriffslustig, im Wettkampf und überhaupt. Aber dieses plötzliche politische Engagement ließ die Deutsche Triathlon-Union (DTU), die den 42-Jährigen seit eineinhalb Jahren als Bundestrainer ihrer olympischen Kurzdistanz-Sparte beschäftigt, dann doch sehr mäßig begeistert zurück. Man distanziere sich von den Aussagen des führenden Mitarbeiters, teilte die DTU mit, man verzichte aber auf weitere erzieherische Maßnahmen. Al-Sultan stehe es zu, sich als Privatperson frei zu äußern. Auch Bundestrainer, so das unausgesprochene Fazit, haben das Recht, sich zu irren.

Al-Sultan habe schon am 26. März gebeten, seinen Vertrag aufzulösen

Dann ebbten die Wogen der Entrüstung erst mal ab. Bis der Verband am Montag verkündete, dass man sich von Al-Sultan zum 30. September 2020 trennen werde, drei Monate vor dem ursprünglich fixierten Vertragsende. Als die Olympischen Spiele zuletzt von 2020 auf 2021 verlegt wurden, habe man festgestellt, "dass unsere Vorstellungen über die weitere Zusammenarbeit sehr unterschiedlich sind", sagte DTU-Sportdirektor Jörg Bügner in der Mitteilung. Al-Sultan ließ sich mit den Worten zitieren: "Ich hatte eine sehr lehrreiche Zeit bei der DTU und bin dankbar für die Erfahrungen, die ich machen konnte." Von den jüngsten Turbulenzen: kein Wort.

Das sei auch bewusst so gewählt, beteuerten beide Parteien auf Anfrage. Al-Sultan habe schon am 26. März gebeten, seinen Vertrag aufzulösen, weil Ende September in der Regel die Saison auf der Kurzdistanz endet. Sein streitbares Pamphlet hatte er erst danach präsentiert, und auf ihren inhaltlichen Kern entkleidet, klingen manche Thesen tatsächlich weniger schrill als der Ton, in dem Al-Sultan sie vortrug. Dass er sich im Nachgang aber nicht wenigstens von den Referenzen zum Dritten Reich distanzierte, ließ sie in der DTU dem Vernehmen nach schwer irritiert zurück. An einer Privatmeinung hängt nun mal etwas mehr Gewicht, wenn man gleichzeitig Cheftrainer eines Verbandes ist, der 59 000 Mitglieder und 1500 Vereine unter sich führt.

Trotzdem leiteten sowohl Al-Sultan als auch die DTU am Montag recht schlüssig her, dass hier vor allem ein gewagtes Experiment endet, das vor eineinhalb Jahren unter neugierigen Blicken angelaufen war. Da war zum einen Al-Sultan, 2005 der erst dritte deutsche Sieger beim mythenumtosten Ironman-Triathlon auf Hawaii, der sich damals mit bayerischer Flagge über die Ziellinie schob, was er, der Sohn eines Irakers, bewusst als Zeichen für Integration verstanden wissen wollte. Und zum anderen war da die DTU: Deren größte Erfolgsbringer (Olympiasieger Jan Frodeno, Anne Haug) waren 2018 längst auf die Langstrecke umgezogen, und ihre Nachfolger hatten den Anschluss an die Weltelite fast vollständig verloren. Und hatte Al-Sultan nicht gerade erst eine erfolgreiche Liaison als Trainer hinter sich - mit Patrick Lange, dem Hessen, dessen Talent lange wie eine müde Glut vor sich hin dämmerte, ehe er 2017 und 2018 auf Hawaii gewann?

Die Umschulung zum Bundestrainer gelang Al-Sultan nicht so recht

Al-Sultan war bei diesem Experiment gewissermaßen ein Azubi, der gleich den Chefposten abbekam. "Ich komme aus keinem Verband, der Job als Bundestrainer war meine Premiere", sagte er nun. Sein Habitat war bis dahin vor allem jenes der freischaffenden Langdistanz-Triathleten. Diese haben, je nach Rang und Orden, ein Team um sich, aber nur einen Vorgesetzten: sich selbst. Entscheidungen fallen da "sehr schnell und direkt", weiß Al-Sultan - in den verwinkelten Fluren eines olympischen Verbandes war das "ganz anders als in der freien Wildbahn".

Zumal Al-Sultan als Cheftrainer weniger an der Basis arbeitete, er sollte nun Konzepte für einen ganzen Apparat entwerfen, als Organisator, Kümmerer, Vermittler. Diese Umschulung gelang dem impulsiven Freigeist nie so recht. "Es war auch keine verlorene Zeit, das ist mir ganz wichtig", sagt er, "ich habe viel gelernt, habe auch etwas eingebracht." Und er habe "den Laden besser verlassen, als ich ihn vorgefunden habe".

DTU-Sportdirektor Bügner bestätigte auch das am Montag. Er attestierte dem Experiment mit Al-Sultan eine "durchwachsene Bilanz", er erwähnte aber auch lobend, dass dieser "immer wieder den Finger in die Wunde gelegt hat". Zum Beispiel, wenn es darum ging, viele der zähen Prozesse ein wenig zu verschlanken; Al-Sultan habe auch einige Türen geöffnet, was Sponsoren betrifft. In Laura Lindemann und Jonas Schomburg haben sich zuletzt zwei Athleten für Olympia 2021 in Tokio sehr aussichtsreich in Stellung gebracht, auch wenn sie bis dahin jetzt von keinem Cheftrainer mehr betreut werden. Man wolle, sagt Bügner, bei der Nachfolge "keinen Schnellschuss" wagen.

Und Al-Sultan? Für den geht es Ende September "erst mal zurück in die Sportlerrente" - was dann komme, werde man sehen. Der Stillstand wird bei seiner Angriffslust sicher nicht lange anhalten.

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