Süddeutsche Zeitung

Fans von Borussia Dortmund:Dortmunds Problem mit den "Riots"

  • Der BVB akzeptiert den DFB-Antrag auf Sperrung der Südtribüne im Bundesliga-Spiel am Samstag.
  • Die Sanktionen dürften Borussia Dortmund eine halbe Million Euro kosten.
  • Eine Gruppe namens "0231 Riot" gerät nach dem Darmstadt-Spiel ins Visier der Ermittler - sie soll rechtsradikal durchsetzt und besonders gewaltbereit sein.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Als am Montag um kurz vor zwölf der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes bei Borussia Dortmund anrief, war die Entscheidung bereits gefallen. Der Sicherheitsausschuss des BVB hatte am Vormittag intern getagt und beschlossen, sich dem DFB-Antrag zu beugen. Die mit fast 25 000 Zuschauern größte und wohl bekannteste Stehplatztribüne der Welt wird deshalb bereits am Samstag, beim Spiel gegen den VfL Wolfsburg, erstmals menschenleer bleiben. "Wir haben dem DFB auch Bedenken mitgeteilt, die mit dieser Strafe einhergehen", sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, "aber eine Ablehnung des Strafantrags hätte wie mangelnde Einsicht von uns interpretiert werden können." Und das wäre "ein fatales Signal gewesen".

Der DFB reagierte mit der drakonischen Strafe nicht auf die dramatischen Gewaltszenen, die sich am 4. Februar vor dem Heimspiel des BVB gegen RB Leipzig (1:0) an der Strobelallee vor der Arena abgespielt hatten. Diese werden von Polizei und Staatsanwaltschaft verfolgt - bislang sind 32 Strafanträge gestellt, die Polizei kündigte am Montag jedoch Verfahren gegen weitere Beteiligte an.

Die Sperrung der Tribüne ahndet die zahllosen über die komplette Südtribüne verteilten Banner und Plakate, die zum Teil zu Gewalt aufriefen: "Pflastersteine gegen Bullen" (in Anspielung auf den Leipziger Sponsor "Red Bull"); "Bullen schlachten"; oder, in Erinnerung an die einstige Erkrankung des RB-Sportdirektors Ralf Rangnick am Burn-out-Syndrom: "Burnout Ralle, bring dich um!"

Die Riots gelten als rechtsradikal durchsetzt und besonders gewaltbereit

Die Auswertung hochauflösender Videos der Stadionkameras entlarvten bisher überwiegend Mitglieder der Ultra-Fangruppen "The Unity" und "Desperados", die seit einiger Zeit unter der Obergruppe "Bündnis Südtribüne" auch gemeinsam aktiv sind. Um mehr Eindruck zu machen, hatten sich die Ultras-Fans beim Leipzig-Spiel über die Tribüne verteilt.

Normalerweise stehen die rund 500 Ultras in den zentralen unteren Blöcken 12 und 13. Im Wesentlichen sollen alle beleidigenden Plakate von den Ultras-Gruppierungen stammen. Dortmund akzeptiert außerdem eine Geldstrafe in Höhe von 100 000 Euro. Zusammen mit der Rückerstattung der Eintrittsgelder fürs Wolfsburg-Spiel an die unbescholtenen Fans dürfte die Sanktion den BVB eine halbe Million Euro kosten.

Borussia Dortmund ist für frühere Attacken seiner Fans vorbestraft und war "auf Bewährung". Deshalb geriet der Strafantrag des Kontrollausschusses drastisch. Das Punktekonto beim DFB hatte vor allem die Gruppe "Desperados" angefüllt, die häufig bei Auswärtsspielen mit massivem Pyro-Feuerwerks-Einsatz auffällt, so zum Beispiel beim DFB-Pokalfinale 2015 in Berlin. Eine andere, noch problematischere Gruppe, nennt sich "0231 Riots". Die Gruppe, die aus gut 40 kampfsportgeschulten Mitgliedern bestehen soll, gilt als massiv rechtsradikal durchsetzt und besonders gewaltbereit. Beim DFB-Pokalfinale 2016 gelangte die Gruppe ohne Eintrittskarten ins Berliner Olympiastadion und stürmte einen Block - auch gegen den Widerstand der Polizei.

"0231 Riot" - was Dortmunds Telefonvorwahl mit dem englischen Wort für Randale verbindet - gilt nicht als offizieller Fanklub und ist nicht registriert. Die Ultras-Dachvereinigung "Bündnis Südtribüne" bestreitet, dass die Schlägertruppe zur Ultra-Szene gehöre. BVB-Geschäftsführer Watzke hat in den vergangenen Monaten nach eigenen Angaben "wahrscheinlich etwa drei Viertel der Gruppe Stadionverbote erteilt". Am Samstag, vor dem BVB-Auswärtsspiel in Darmstadt, wurde die hessische Polizei gegen "0231 Riot" aktiv. Auf der Anreise wurden die Mitglieder gestoppt, die Gruppe war mit zwei Bussen und einem Kleinbus unterwegs. Laut Polizei führten die Mitreisenden jede Menge Schlag- und Kampfutensilien, aber auch Schmerzmittel und Drogen mit.

Wie aus Polizeikreisen jetzt bekannt wird, hatten sich die Dortmunder "Riots" für die Reise mit etwa 50 zum Teil polizeibekannten Schlägern aus den Neonazi-Szenen verschiedener Städte in NRW verstärkt, mit dem Ziel, "in Darmstadt alles kurz und klein zu schlagen". Einen Hinweis auf die Anreise der Schlägertrupps hatte der BVB am Samstag sofort an den Hessischen Innenminister Peter Beuth weitergeleitet. Der Fahndungserfolg mit erkennungsdienstlicher Behandlung der Gruppe hat Auswirkungen auf die Ermittlungen der Dortmunder Polizei wegen der Gewaltexzesse beim BVB-Spiel gegen Leipzig. Offenbar konnten durch die Daten der hessischen Polizei auch viele der Täter gegen Leipziger Zuschauer in Dortmund als "Riots"-Mitglieder identifiziert werden.

Ultras wollen am Wochenende der U23 zusehen

Die Ziele der im Kern rechtsradikalen Truppe sind verschwommen. Neben Lust auf Randale sollen die Rädelsführer es vor allem darauf abgesehen haben, das Aushängeschild des sozialdemokratisch regierten Dortmund zu treffen. Und BVB-Chef Watzke zu diskreditieren, den die Rechten besonders ins Visier genommen haben. Die Daten der hessischen Polizei dürften im Kampf der Dortmunder Polizei gegen die bisher hauptsächlich in der Anonymität gebliebenen Gruppe helfen.

Dass die mehr als 20 000 friedlichen Südtribünen-Fans beim Wolfsburg-Spiel von einer "Kollektivstrafe" betroffen sind, bedauert der BVB in einer Stellungnahme. Der Klub regt eine Diskussion um die Vermeidung weiterer Eskalation an. Die Ultras-Fans, auf deren Aktion die Tribünen-Sperre zurückgeht, fordern bereits dazu auf, am Wochenende alternativ zum Regionalliga-Spiel der U23-Mannschaft des BVB bei Rot-Weiß Oberhausen zu fahren. Das Niederrhein-Stadion dürfte voll werden - allerdings ist auch dort mit Aktionen der "Riots" zu rechnen. Borussia Dortmund denkt weiterhin über einen Ausschluss weiterer Ultras-Fans nach. Das aktuelle Augenmerk soll sich aber auf der Bekämpfung der rechtsradikalen Schläger richten.

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SZ vom 14.02.2017/chge
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