Fans und Verbände streiten über Pyrotechnik:Zündeln, um Macht zu demonstrieren

Seit Monaten streiten Fans und Verbände über den Einsatz von Pyrotechnik in Fußballstadien. Lange Zeit brannten Ultra-Gruppierungen kaum Bengalos ab, um so deren Legalisierung nach einer Testphase zu ermöglichen. Doch jetzt kam es in Dortmund und Frankfurt zu schweren Zwischenfällen - das unkontrollierte Abbrennen von Pyrotechnik nimmt wieder zu.

Christoph Ruf

Die Bilder gleichen sich. In Kaiserslautern gerieten am Samstag Fans des SC Freiburg mit Ordnern und Polizei aneinander, weil sie massenhaft bengalische Feuer abbrannten. Am Dienstag zündelten Kölner Fans beim DFB-Pokalspiel in Hoffenheim, zeitgleich fackelten Dresdner Fans in Dortmund vor einem Millionenpublikum ihre "Bengalos" ab - drei Beispiele von dutzenden in jüngster Zeit. Die besonders in der Ultraszene beliebten Fackeln werden derzeit mit einer Verve abgebrannt, die geradezu blindwütig wirkt. Diese Häufung ist allerdings kein Zufall, denn weite Teile der Fanszene fühlen sich vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) und von der Deutschen Fußball Liga (DFL) hintergangen.

Borussia Dortmund -  Dynamo Dresden

Feuer in Dortmund: Dresdner Fans hätten fast einen Spielabbruch provoziert. 

(Foto: dpa)

Beide Verbände hatten im Frühjahr mit 150 Ultra-Gruppierungen über ein kontrolliertes Abbrennen der Fackeln debattiert und dabei - so die Lesart der Fanvertreter und ihrer Rechtsbeistände - einen Kompromissvorschlag gefunden, auf den sich die Fans einließen. In einer Testphase verpflichteten sich die beteiligten Ultras, auf jedwedes Abbrennen zu verzichten.

Im Gegenzug würden die Verbände wohlwollend prüfen, ob nach einem Gelingen des Experiments ein kontrolliertes Abbrennen in eigens ausgewiesen Bereichen der Kurve gestattet werde.

Die Fans finden, dass sie ihren Teil der Abmachung eingehalten haben - tatsächlich gab es an den ersten Spieltagen der Saison fast keine Vorfälle. Dass die Verbände das Experiment dennoch aufkündigten, empört sie. "DFL und DFB haben uns nach Strich und Faden verarscht", sagt ein Ultra, dessen Gruppierung Teil der Initiative "Pyrotechnik legalisieren" ist, der aber - die Szene liebt es geheimnisvoll - ungenannt bleiben will.

Der DFB wehrte sich schon im September in einer Erklärung: "DFB und DFL weisen den Vorwurf entschieden zurück, die Faninitiative getäuscht und falsche Hoffnungen geweckt zu haben", heißt es. "Zu keinem Zeitpunkt" seien Zusagen gemacht worden, "die eine restriktionslose Legalisierung von Pyrotechnik in Stadien in Aussicht stellen". Die Verbandsvertreter räumen allerdings ein, dass es "um eine erste Prüfung, ob und unter welchen Umständen eine teilweise Freigabe in ausgewiesenen Zonen überhaupt denkbar wäre" dann doch gegangen sei.

Hinter vorgehaltener Hand sind sich Fan- und Verbandsvertreter in der Beurteilung der Lage dabei übrigens erstaunlich einig. Der langjährige DFB-Sicherheitschef Helmut Spahn, der an den Gesprächen teilnahm, sah im Dialog offenbar eine Chance.

"Da sind Erwartungen geweckt worden"

Das Gros der Vereine verspricht sich jedoch wenig von ausgewiesenen Pyrozonen. Während manch einer findet, dass die DFL die Klubs nicht ausreichend auf den Kompromissvorschlag vorbereitet habe, sind zahlreiche Klubvertreter sauer auf Spahn, der Versprechungen gemacht habe, die nicht zu halten seien. Spahn arbeitet mittlerweile in Doha. Dort soll er die WM 2022 vorbereiten, die in Katar stattfindet.

Wie die meisten Fanvertreter, die seit Jahren nach einem Ausweg aus dem Pyrotechnik-Dilemma suchen, teilt auch Torsten Rudolph vom Dresdner Fanprojekt im Wesentlichen die Sicht der Initiative. "Da sind Erwartungen geweckt worden, die man vielleicht gar nicht erfüllen konnte oder wollte."

Umso größer sei jetzt die Reaktion in der Szene, die nach der Devise "Jetzt erst recht" vorgehe. Offenbar zum einen, um zu zeigen, dass Repression nichts nützt - die winzig kleinen Fackeln sind vom Ordnerdienst nicht effektiv zu kontrollieren. Zum anderen, um eigene Macht zu demonstrieren.

An der Ausgangslage hat sich allerdings nichts geändert. Pyrotechnik ist im Stadion verboten; der DFB bestraft die Vereine, deren Fans auffällig werden, mit hohen Geldstrafen. Mancher Manager, vor allem in den Ligen drei und vier, hat sogar schon eingeplante Spielertransfers zurückgestellt, weil die Geldstrafen sonst das Budget gesprengt hätten.

Das wiederum müsste am Selbstverständnis der Szene rühren. Ultras sehen sich ja als die treuesten Fans ihrer Klubs. Dieses Selbstbild ist kaum aufrechtzuhalten, wenn die Pyro-Aktionen den angeblich so geliebten Verein zigtausend Euro pro Spielzeit kosten. Zumal mancherorts die Mehrzahl der Fans nur noch genervt die Augen verdreht, weil sie die Zündelei eher als selbstverliebte Pose denn als Unterstützung der Mannschaft empfindet.

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