Doch, es gab sie, die unschönen Seiten dieser Europameisterschaft. Rassistische Gesten. Prügelnde Fans. Prügelnde Ordner. Und es gab Kritik am Gastgeber: die Unzuverlässigkeit der Bahn. Das lästige Bezahlen mit Bargeld. Der Regen.
Es war, das kann man zwei Tage vor dem Ende dieses zweitgrößten Fußballturniers auf der Welt so sagen, keine perfekte EM. Aber sie war bis hierhin sehr viel besser, als viele besorgte Bürgerinnen und Bürger dieses oft wütenden Gastgeberlandes es vor wenigen Monaten befürchtet hatten. Das lag zum einen, sportlich, an der deutschen Mannschaft, die nach drei unterirdischen Turnieren plötzlich völlig losgelöst vom Ballast ihrer jüngeren Vergangenheit Fußball spielte. Und zwar nicht den Pokal, aber sehr viel Zuneigung gewann. Zum anderen werteten die Gäste aus den 23 anderen Nationen das Turnier atmosphärisch auf. Aus Fanzonen wurden buchstäblich Fanmeilen.

Hunderttausende drängten sich in den Innenstädten zum Public Viewing, allein in Berlin gab es mehr als 2300 Orte zum gemeinsamen Gucken auf Großbildschirme. In den Stadien projizierten die Anhänger ihre Rivalität mittels Plakaten auf Vergleiche landestypischer Kultur („Heidi better than Harry Potter“), Sehenswürdigkeiten („Alps better than Loch Ness“), Sportgrößen („Lauda better than Verstappen“) oder Kulinarik („Currywurst better than Paella“). Das Beste daran: Trotz aller Losgelöstheit blieb es weitgehend friedlich.

Nach dem zweiten Halbfinale am Mittwochabend in Dortmund zwischen England und den Niederlanden sagte der zuständige Einsatzleiter der Polizei, das Ziel sei erreicht worden: ein Fußballfest mit größtmöglicher Sicherheit zu ermöglichen. Mehr als 100 000 Oranje-Fans und etwa 25 000 Anhänger der „Three Lions“ hatten die Stadt geflutet. Dabei sei es lediglich zu kleineren Scharmützeln und rund zwei Dutzend „Ingewahrsamnahmen“ gekommen. Zwischen Kriegen und Krisen bleiben somit Bilder aus dem Herzen Europas von überschäumender Freude und tiefer Enttäuschung – ausgelöst freilich vom Sport und nicht mit Waffengewalt.

Deutschland wird nicht Europameister, die Bahn kommt weiterhin zu spät (wenn überhaupt), die Kriege dauern an. Ein Fußballturnier kann keine politischen Probleme lösen. Aber fühlt sich der Regen nach diesen vier Wochen nicht ein bisschen wärmer an?

