Bilder eines TurniersEs war uns ein Fest

Lesezeit: 1 Min.

Wer hätt’s gedacht? Vermutlich nicht mal die Schweizer. England steht am Sonntag im Endspiel der Europameisterschaft in Berlin.
Wer hätt’s gedacht? Vermutlich nicht mal die Schweizer. England steht am Sonntag im Endspiel der Europameisterschaft in Berlin. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Mitten in Europa feiern Hunderttausende Fans eine Fußballparty: ausgelassen, bisweilen provokant, fast immer friedlich. Impressionen einer EM.

Von Johannes Schnitzler

Doch, es gab sie, die unschönen Seiten dieser Europameisterschaft. Rassistische Gesten. Prügelnde Fans. Prügelnde Ordner. Und es gab Kritik am Gastgeber: die Unzuverlässigkeit der Bahn. Das lästige Bezahlen mit Bargeld. Der Regen.

Es war, das kann man zwei Tage vor dem Ende dieses zweitgrößten Fußballturniers auf der Welt so sagen, keine perfekte EM. Aber sie war bis hierhin sehr viel besser, als viele besorgte Bürgerinnen und Bürger dieses oft wütenden Gastgeberlandes es vor wenigen Monaten befürchtet hatten. Das lag zum einen, sportlich, an der deutschen Mannschaft, die nach drei unterirdischen Turnieren plötzlich völlig losgelöst vom Ballast ihrer jüngeren Vergangenheit Fußball spielte. Und zwar nicht den Pokal, aber sehr viel Zuneigung gewann. Zum anderen werteten die Gäste aus den 23 anderen Nationen das Turnier atmosphärisch auf. Aus Fanzonen wurden buchstäblich Fanmeilen.

Schweizer Kräuter sind (angeblich) besser als schottischer Whisky: In den Stadien projizierten die Anhänger ihre sportliche Rivalität auf Vergleiche landestypischer Kultur und Kulinarik.
Schweizer Kräuter sind (angeblich) besser als schottischer Whisky: In den Stadien projizierten die Anhänger ihre sportliche Rivalität auf Vergleiche landestypischer Kultur und Kulinarik. (Foto: Marius Becker/dpa)

Hunderttausende drängten sich in den Innenstädten zum Public Viewing, allein in Berlin gab es mehr als 2300 Orte zum gemeinsamen Gucken auf Großbildschirme. In den Stadien projizierten die Anhänger ihre Rivalität mittels Plakaten auf Vergleiche landestypischer Kultur („Heidi better than Harry Potter“), Sehenswürdigkeiten („Alps better than Loch Ness“), Sportgrößen („Lauda better than Verstappen“) oder Kulinarik („Currywurst better than Paella“). Das Beste daran: Trotz aller Losgelöstheit blieb es weitgehend friedlich.

Taumel in Orange: Die Fans der niederländischen Elftal, hier beim Marsch zum Dortmunder Westfalenstadion, waren die Stimmungskönige des Turniers – bis zur 90. Minute gegen England.
Taumel in Orange: Die Fans der niederländischen Elftal, hier beim Marsch zum Dortmunder Westfalenstadion, waren die Stimmungskönige des Turniers – bis zur 90. Minute gegen England. (Foto: Christoph Reichwein/dpa)

Nach dem zweiten Halbfinale am Mittwochabend in Dortmund zwischen England und den Niederlanden sagte der zuständige Einsatzleiter der Polizei, das Ziel sei erreicht worden: ein Fußballfest mit größtmöglicher Sicherheit zu ermöglichen. Mehr als 100 000 Oranje-Fans und etwa 25 000 Anhänger der „Three Lions“ hatten die Stadt geflutet. Dabei sei es lediglich zu kleineren Scharmützeln und rund zwei Dutzend „Ingewahrsamnahmen“ gekommen. Zwischen Kriegen und Krisen bleiben somit Bilder aus dem Herzen Europas von überschäumender Freude und tiefer Enttäuschung – ausgelöst freilich vom Sport und nicht mit Waffengewalt.

Aus der Traum: Für die türkische Mannschaft, wegen der großen Zahl ihrer in Deutschland lebenden Anhänger eine Art Co-Gastgeber, kam das Aus im Viertelfinale.
Aus der Traum: Für die türkische Mannschaft, wegen der großen Zahl ihrer in Deutschland lebenden Anhänger eine Art Co-Gastgeber, kam das Aus im Viertelfinale. (Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa)

Deutschland wird nicht Europameister, die Bahn kommt weiterhin zu spät (wenn überhaupt), die Kriege dauern an. Ein Fußballturnier kann keine politischen Probleme lösen. Aber fühlt sich der Regen nach diesen vier Wochen nicht ein bisschen wärmer an?

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Thomas Müller
:Abschied vom Balljungen

Alles begann mit Diego Maradona: Nach 14 Jahren beendet Thomas Müller seine Karriere in der Fußball-Nationalmannschaft. Die Rolle, die er in der DFB-Elf zuletzt für sich erfunden hatte, dürfte er nun auch beim FC Bayern ausfüllen.

SZ PlusVon Christof Kneer

Lesen Sie mehr zum Thema

  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: