Der Prozess-Marathon gegen die drei Mitarbeiter des Karlsruher Fanprojekts hat am Donnerstag ein Ende gefunden: Gegen Zahlung einer Geldstrafe von 1500 bis 3150 Euro an den Karlsruher Kinderschutzbund stellte Richter Peter Stier das Verfahren ein. Die Verteidiger von Sophia Gerschel, Volker Körenzig und Sebastian Staneker betonten aber, dass damit „kein Schuldeingeständnis einhergeht und die Unschuldsvermutung weiterhin gilt“.
Anlass der Ermittlungen war eine verunglückte Pyro-Aktion bei einem Heimspiel des Karlsruher SC im November 2022 gewesen. Damals war so massiv Pyrotechnik gezündet worden, dass elf Personen verletzt wurden.

Urteil im Karlsruher Fanprojekt-Prozess:Ein hoher Preis fürs Schweigen
In einem viel beachteten Prozess verurteilt das Amtsgericht Karlsruhe drei Fanprojekt-Mitarbeiter zu Geldstrafen. Der Vorwurf: Sie hätten die Ermittlungen behindert, weil sie sich weigerten, als Zeugen auszusagen. Das Urteil ist umstritten - und weitreichend.
Die Staatsanwaltschaft war aktiv geworden, weil sie vermutete, dass die drei Sozialarbeiter mehr über die Hintergründe der Pyro-Aktion wussten. Die aber verweigerten die Aussage – unter Hinweis auf das Vertrauensverhältnis zu ihrer Klientel. Dass sie damit richtig gehandelt hatten, attestierte ihnen ein interdisziplinärer Fachtag, der am Vortag unter dem Motto „Fast im Knast“ in Karlsruhe stattgefunden hatte und aus Sicht von Politik, Wissenschaft und Sozialer Arbeit die Notwendigkeit des Zeugnisverweigerungsrechts (ZVR) unterstrich.
Nach der gegenwärtigen Rechtslage setzten die drei sich mit ihrer Weigerung nämlich tatsächlich ins Unrecht, schließlich haben sie im Gegensatz zu Kollegen in der Drogenarbeit oder der Schwangerschafts-Konfliktberatung kein ZVR. Die vorherige Instanz hatte die drei wegen des Vorwurfs der versuchten Strafvereitelung verurteilt. Sie hatte den dreien (offenbar fälschlicherweise) unterstellt, sie seien über die Planungen der Pyro-Aktivitäten informiert gewesen.
Die Einstellung des Karlsruher Prozesses kann man als Weckruf an die Politik verstehen
Dem Vorwurf der Strafvereitelung widersprach Richter Stier nun am Donnerstag. Angesichts der Tatsache, dass fast alle zivilrechtlichen Verfahren gegen die Ultras wegen gefährlicher Körperverletzung bereits abgeschlossen seien, erkenne er nicht, dass die Sozialarbeiter durch ihr Schweigen die Ermittlungen behindert hätten. Er ließ durchblicken, dass auch ein Freispruch für ihn denkbar gewesen wäre – aufgrund des fehlenden ZVR seien ihm aber die Hände gebunden. Solange das so sei, gelte es, vor Gericht nach pragmatischen Auswegen zu suchen, betonte der Richter: „Man muss sich aufeinander zubewegen. Es hat eine Signalwirkung, wie solche Prozesse zu lösen sind, auch wenn die Gesetzgebung so bleibt, wie sie ist.“ Mit einer Einstellung also – wenn erneut eine Behörde auf die unkonventionelle Idee kommen sollte, gegen Sozialarbeiter zu ermitteln.
Die Einstellung des Karlsruher Prozesses kann man als Weckruf an die Politik verstehen, eine Gesetzeslücke zu schließen. Schon in der vergangenen Legislaturperiode hatten Fachpolitiker der drei Regierungsfraktionen Zustimmung signalisiert, aber auch durchblicken lassen, dass sie dabei gegen Widerstände bei den Innenpolitikern angehen müssten. Die Koalition aus CDU und SPD scheint das Thema allerdings nicht mehr auf der Agenda zu haben. „In Gesellschaft und Politik haben derzeit Law-and-Order-Themen Priorität“, sagte der emeritierte Professor Titus Simon am Rande des Prozesses. Simon setzt sich schon seit den 70er-Jahren für das ZVR in der Sozialen Arbeit ein.

