Fan-Debatte im Fußball:"Wir können auch härter"

Das Übel gezielt bekämpfen und trotzdem im Dialog bleiben: DFB-Sportrichter Hans E. Lorenz über die neue Strategie gegen gewaltbereite Fans im Stadion.

Fabian Heckenberger

Drei Tage, drei Urteile. Hans E. Lorenz, 59, hat als Vorsitzender des DFB-Sportgerichts in dieser Woche die Verfahren gegen die Fußball-Bundesligisten 1. FC Nürnberg, 1. FC Köln und Hertha BSC geleitet. Ein Gespräch über die wachsende Zahl an Ausschreitungen, Geisterspiele und die neue Linie des Sportgerichts.

SZ: Können Sie am Wochenende entspannt Fußball-Bundesliga schauen?

Hans E. Lorenz: Ziemlich entspannt. Es gab aber Zeiten, da war ich entspannter.

SZ: Sie haben gerade Fälle von Ausschreitungen in den Stadien verhandelt. Hat die Bundesliga ein Problem?

Lorenz: Lassen Sie mich positiv beginnen: Wir haben in dieser Saison eine so geringe Zahl an gelben und roten Karten wie noch nie, auf dem Platz herrscht Ordnung. Auf den Rängen allerdings kommt es zunehmend zu Übergriffen. Das ist eine Entwicklung, die wir mit Sorge beobachten. Allerdings muss man die Fälle differenziert betrachten.

SZ: Nürnberg und Köln wurden für das Abbrennen von bengalischen Feuern bestraft; Berlin, weil Fans das Spielfeld gestürmt und randaliert hatten.

Lorenz: Die bengalischen Feuer sind nicht als Gewalt geplant. Sie sind ein Ritual der Ultra-Szene, das aber zu schweren Verletzungen führen kann. Und in Berlin sind nicht alle, die auf das Spielfeld gelaufen sind, gewalttätig geworden. Aber man muss klar sagen: Beides sind Verstöße gegen Verbote und absolut nicht zu akzeptieren.

SZ: Im Gegensatz zu früher haben Sie nicht einfach Geldstrafen verhängt, sondern gezielt geurteilt: Nürnberger Fans bekommen bei Auswärtsspielen keine Stehplatzkarten. Köln muss in Hoffenheim ohne Fans antreten, in Berlin werden 6600 Dauerkartenbesitzer ausgeschlossen.

Lorenz: Randalierer gehen neuerdings strategisch so vor, dass sie das eigene Nest nicht beschmutzen, aber auswärts auf die Pauke hauen. Wir haben bislang bei Auswärtsspielen immer mit Heimsanktionen geantwortet und festgestellt: So kommen wir nicht weiter. Deswegen haben wir die Weichen umgestellt. Wenn gewaltbereite Gruppen strategischer vorgehen, werden wir das auch tun, und gezielt das Übel bekämpfen. Berlin ist ein Einzelfall, aber auch hier trifft das Urteil vor allem die Kurve, von der die Übergriffe ausgingen.

SZ: Ein Geisterspiel als Sanktion gegen alle Fans stand nie zur Debatte?

Lorenz: Als ich die Szenen erstmals sah, war mein erster Gedanke: Geisterspiel. So denken viele. Das Sportgericht ist aber nicht dazu da, die herrschende Meinung umzusetzen. Wir haben im Fall Hertha fünf Strafmilderungsgründe gefunden. Erstens: Hertha ist selten aufgefallen. Zweitens: Es war keine geplante Aktion. Drittens: Verletzt wurde niemand. Viertens: Die Ausschreitungen fanden nach dem Spiel statt. Fünftens: Hertha selbst hat 23 Stadionverbote gegen den harten Kern der Störer verhängt.

SZ: Also ein mildes Urteil?

Lorenz: Alle drei Urteile sind nicht besonders hart, es sind aber unüberhörbare Denkanstöße.

SZ: Hat auch die Überlegung eine Rolle gespielt, dass schärfere Urteile die Fronten zwischen Fans und Verband verhärten und zur Eskalation in den Stadien führen könnten?

Lorenz: Der DFB will im Dialog mit den Fans bleiben. Aber Dialog alleine hat bislang nicht weitergeholfen. Fanarbeit wird heute so aufwendig betrieben wie nie zuvor, gleichwohl nehmen Ausschreitungen an Quantität und Qualität zu. Deswegen muss man auch mal ein Zeichen setzen und den Fans sagen: Wenn ihr mit uns im Dialog bleiben wollt, dann zu Bedingungen, die wir mitbestimmen. Die Urteile sind durchaus so zu lesen: Wir können auch härter, Geisterspiele sind nicht ausgeschlossen. Wer randaliert, dem nehmen wir die Bühne weg. Und wer an seinem Verein und am Fußball interessiert ist, der muss sich an die Regeln halten.

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