Urteil gegen Claudia Pechstein:Viel Getrommel, wenig Substanz

Wieder ein Urteil, wieder neue Verschwörungstheorien: Der öffentlich geführte Kampf der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein gegen ihre Dopingsperre ist wieder um eine Peinlichkeit reicher.

Claudio Catuogno

Mal angenommen, der hiesige Bundesgerichtshof hätte ein Urteil gefällt, es gäbe jetzt einen enttäuschten Kläger, zerplatzte Hoffnungen - und dann würde sich ein Vertrauter des Klägers hinstellen und mitteilen: Das Urteil sei "an Peinlichkeit nicht zu überbieten", die Richter hätten einen "groben handwerklichen Fehler" gemacht, und überdies hätten sich auch die Vorinstanzen die Sache "hingebogen wie sie wollten".

Claudia Pechstein

Was nun? Die frühere Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein hat nun auch die Bestätigung des Schweizer Bundesgerichts.

(Foto: dpa)

Was dann? Würde Minuten später eine Nachrichtenagentur mitteilen, das hohe Gericht habe seinen Spruch "kurioserweise" auf sachfremde Argumente gestützt und dabei offenbar "auch Fehler gemacht". Eher nicht.

"Das muss jetzt ein Ende haben"

Doch der öffentlich geführte Kampf der Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein gegen ihre Dopingsperre ist nun auch um diese Peinlichkeit reicher. Nicht der Bundesgerichtshof in Karlsruhe sondern dessen Schweizer Pendant, das Bundesgericht in Lausanne, hat diese Woche sein Urteil gesprochen. Es folgten die zitierten Tiraden, sie stammen von Pechsteins Manager Ralf Grengel.

Transporteur war schließlich die dpa. Und im Zusammenspiel wurde fast der Eindruck erweckt, in dem seit 1875 bestehenden Bundesgericht würden unkundige Almhirten unter den Roben stecken - oder man sei Zeuge einer gigantischen Verschwörung geworden. Unter aktiver Mithilfe der obersten Rechtsinstanz der Schweiz.

"Das muss jetzt ein Ende haben." Diesen Satz hat der Bundesinnenminister Thomas de Maizière kürzlich gesagt, immerhin der oberste Dienstherr der Bundespolizistin Pechstein - seinerseits ermüdet vom ewigen Getrommel im Hintergrund. Die ausufernde Fachdebatte über eine womöglich bestehende Blutanomalie war da mehr und mehr zur Daily Soap verkommen: Ein Sponsor tauchte auf, warb um prominente Unterstützer, es meldete sich der Boxer Arthur Abraham, der dann schwadronierte, Pechsteins Blutwerte könne man auch "durch Vitamine und so" erklären, das wisse jeder. Bald wurde der Sponsor zum neuen Lebensgefährten und Pechstein eröffnete eine Currywurstbude. Alles für die Öffentlichkeit hübsch in Szene gesetzt.

Nun also, endlich, eine schlichte Mitteilung aus Lausanne. Liegen die rechtlichen Grundlagen vor, um die Sache neu aufzurollen, das war die einzige Frage. Die Richter sagten: nein. Was zurückführt zum nackten Kern des Falls: dass es bis heute keinen unumstrittenen medizinischen Befund gibt, der Pechsteins Blutwerte eindeutig erklärt. Es gibt bloß eifrige Gutachter, die sich weit aus dem Fenster lehnen, aber auch in ihrem Fall ist da offenbar mehr Getrommel als Substanz.

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