Fall Hoeneß:Streit über eine Selbstanzeige

File photo of Bayern Munich's President Hoeness

Hätte der Stern-Reporter nicht Uli Hoeneß nennen müssen, wenn er ihn meinte?

(Foto: REUTERS)

Reichte Bayern-Boss Uli Hoeneß die Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung freiwillig ein? Oder wähnte er sich bereits entdeckt? Seine Verteidiger fechten Letzteres an - vergeblich. Die Strafverfolger legen offenkundig großen Wert darauf, Prominente nicht besser zu behandeln als alle anderen.

Von Hans Leyendecker

Fußballfans sind keine Richter, und ihre Gesänge darf man nicht ernst nehmen. Es klang jedenfalls ziemlich schief, als die Anhänger von Borussia Dortmund am vergangenen Samstagabend beim Supercup gegen den FC Bayern nicht nur das übliche Lederhosenausziehlied anstimmten, sondern plötzlich tausendfach grölten: "Hoeneß in den Knast."

Ist das nur der Schmähgesang von Fans, deren einstiger Lieblingsspieler Mario Götze zu den verhassten Bayern gewechselt ist? Andererseits: Uli Hoeneß kannte das Risiko. In einem 2002 erschienenen Interview über Steuerhinterzieher sagte er: "Es kann doch nicht der Sinn der Sache sein, ins Gefängnis zu wandern, nur um ein paar Mark Steuern zu sparen."

Damals hatte er schon sein heimliches Konto 4028BEA bei der Zürcher Vontobel-Bank mit den vielen Millionen - und die fälligen Steuern auf dieses Konto hatte er nicht bezahlt. Welchen Sinn sollte das haben? Nach eigenen Angaben hat er all die Jahre in Deutschland 50 Millionen Euro Steuern gezahlt, und dass er im Allgemeinen ein sehr sozialer Mensch sein kann, bestreiten selbst seine Gegner nicht.

Mittwoch ist der Tag eins nach Bekanntgabe der Anklage gegen den Steuerhinterzieher Ulrich H., und der Tag danach ist immer ein merkwürdiger Tag. Scheinbare Gewissheiten erscheinen plötzlich nicht mehr als so gewiss. Allein die Existenz der Anklage lässt scheinbar Sicheres unsicher erscheinen. Hoeneß in den Knast - das regt nicht nur Dortmunder Rachephantasien an.

Was ist nicht alles gemunkelt worden? Was haben Experten nicht alles in die Mikrofone gesagt? Dass der hinterzogene Betrag dank Verjährung auf etwa 900.000 Euro geschrumpft sei und dass die Staatsanwälte unbedingt nur auf Bewährung für Hoeneß plädieren wollten. Das wurde gemunkelt, und viele hielten das für Erkenntnis.

Aber die laut Anklage hinterzogene Steuer soll, wie Insider sagen, nach wie vor bei 3,2 Millionen Euro liegen, und die zuständige Staatsanwaltschaft München II legt ausgesprochenen Wert darauf, nicht als Papa-Gnädig-Truppe zu erscheinen. Einen Prominenten-Bonus hat Hoeneß jedenfalls bei den Strafverfolgern nicht.

Bis zuletzt war zwischen den Parteien darüber gestritten worden, ob die Selbstanzeige von Hoeneß wirksam ist oder nicht. Wäre sie wirksam, wäre das Ermittlungsverfahren eingestellt worden.

Der Rosenheimer Fiskus und die Münchner Staatsanwaltschaft sollen sich nicht immer ganz einig gewesen sein, wie der Fall zu bewerten ist. Keiner der Beteiligten, weder Hoeneß noch seine Verteidiger noch die Staatsanwaltschaft, wollen darüber reden. Generell gilt: Steuerfahnder an sich wollen vor allem Mehreinnahmen sehen, Strafverfolger an sich sind dagegen oft strenger - und die Staatsanwaltschaft ist die Herrin des Verfahrens.

Hat Uli Hoeneß mit seiner offenkundig missglückten Selbstanzeige reinen Tisch machen wollen, wie es der Bundesgerichtshof (BGH) von Steuerhinterziehern verlangt? Sicherlich hat er das versucht: "Ein Schuss, kein Tor - die Bayern" höhnen die Fans der anderen Mannschaften. Von der ersten Stunde an stand diese Selbstanzeige im Wortsinn unter einem unglücklichen Stern. Sie wurde überstürzt abgegeben.

Die besondere Lage war dadurch entstanden, dass das Magazin Stern bei Vontobel im Januar hinter einem Konto her war, das einer "deutschen Sportgröße" (Stern) zuzurechnen sei. Der geheimnisvolle Unbekannte hatte angeblich sogar im Penthouse- Appartement der Bank übernachtet. Am 14. Januar hatte der Stern bei der Bank eine "Trifft es zu . . ."-Anfrage gestellt, sich nach dem richtigen Konto erkundigt, aber weder der Name Hoeneß noch der FC Bayern tauchten in der Verdachtsanfrage des Magazins auf.

Das Geldhaus verwies auf das Bankgeheimnis und erklärte lapidar, keine Appartements für Kunden zu unterhalten - und informierte Hoeneß.

Vorurteile und andere Hindernisse

Die Recherchen des Reporters brachten Hoeneß und seine Berater um den Schlaf. Sie verfassten mit dürrstem Material eine Selbstanzeige. Am 17. Januar erschien der Stern mit einer eher allgemeinen Geschichte über ein Vontobel-Konto, das womöglich "einem Vertreter des deutschen Spitzensports" zuzurechnen sei - "angeblich eine Personalie aus der ersten Fußballbundesliga". Am selben Tag reichte der Präsident des FC Bayern seine unvollkommene Selbstanzeige ein.

Aus Sicht der Ermittler war die Tat entdeckt, die Selbstanzeige wäre also unwirksam gewesen. Der Stern habe Hoeneß quasi gewarnt. Zwischen der vorab online veröffentlichten Stern-Geschichte und der Selbstanzeige gebe es, so meinen die Ermittler, einen Zusammenhang. In der Akte befindet sich zudem ein Vermerk der Münchner Steuerfahndung vom 17. Januar, in dem der Anruf eines Stern-Reporters festgehalten wurde, der über Vontobel und "einen großen bayerischen Fußballverein" gesprochen hat. Hätte er da nicht Bayern München sagen müssen, wenn er Bayern meinte? Warum hat er nicht bei Hoeneß angefragt? Dass Entdecken mehr sein müsse als bloße Verdachtsschöpfung, darauf soll die Hoeneß-Verteidigung immer wieder hingewiesen haben. Vergeblich.

Falls die 5. Strafkammer des Landgerichts München II die Anklage zulassen sollte, was zu erwarten ist, wird also auch vor Gericht weiter über die Wirksamkeit oder Nicht-Wirksamkeit der Selbstanzeige gestritten werden. Es wird aber auch um Zahlen gehen.

In einer berühmten Entscheidung hat der BGH 2008 betont, wer mehr als eine Million Euro hinterziehe, müsse in der Regel ins Gefängnis. Die obersten Strafrichter haben in ihrem Grundsatzurteil zwar eine Reihe von Gesichtspunkten genannt, unter denen eine Ausnahme in Betracht kommen könne, aber diese Ausnahmen passen nicht so recht zum Fall Hoeneß.

Wahr ist aber auch, dass die unteren Gerichtsinstanzen die Härte des BGH nicht übernommen haben. Es wurde auch nach 2008 weiter gedealt, und Bewährungsstrafen wurden selbst bei Hinterziehung von fünf Millionen Euro verhängt.

Im Fall Hoeneß wird aber auf offener Bühne verhandelt werden. Insoweit hat er eher einen Prominenten-Malus als einen Bonus. Wenn alles schief laufen sollte, könnte in seinem Fall ausnahmsweise das Prinzip des BGH die Richtlinie sein. Die Million sei "schon ein Pflock", heißt es in Münchner Justizkreisen. Alles ist offen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: