Fall Caster Semenya:Pretoria prescht vor

Südafrikas Sportministerium behauptet, sich mit dem Leichtathletik-Weltverband geeinigt zu haben: Caster Semenya soll 800-Meter-Weltmeisterin bleiben.

Joachim Mölter

Nach allem, was man aus Südafrika hört, geht es Caster Semenya gut. "Sie ist extrem entspannt", versicherte neulich Winnie Madikizela-Mandela, ehemals Gattin des früheren Präsidenten Nelson Mandela und heute führende Politikerin der Regierungspartei ANC: "Sie scheint mit dem ganzen Chaos gut umzugehen."

Fall Caster Semenya: Darf Caster Semenya ihren WM-Titel behalten?

Darf Caster Semenya ihren WM-Titel behalten?

(Foto: Foto: AP)

Semenya sehr fröhlich

Auch ein Reporter der englischen Zeitung Guardian, dem es vor ein paar Tagen gelang, Zugang zu ihr zu bekommen, berichtete, dass Semenya sehr fröhlich gewesen sei, gar nicht, wie man es erwartet, wenn jemand im Mittelpunkt einer weltweiten Kontroverse steht, die sich um intimste Dinge dreht. Caster Semenya ist die Weltmeisterin über 800 Meter, die 18 Jahre junge Sportlerin, die sich Geschlechtstests unterziehen musste, weil die Leichtathletik-Funktionäre (und viele Zuschauer und Gegnerinnen im Übrigen auch) zweifeln, ob sie nicht doch eher ein Mann ist.

In dieser Woche wollte der Leichtathletik-Weltverband IAAF den aufsehenerregenden Fall abschließen und bei der Tagung seines Councils in Monaco entscheiden, ob Semenya ihren Titel behalten und weiter bei den Frauen mitlaufen darf. Am Mittwochabend aber setzte die IAAF das Thema überraschend von der Tagesordnung ab. "Die medizinischen Tests der Athletin sind noch nicht abgeschlossen", hieß es in einer Erklärung, außerdem, dass Vertreter der IAAF, des südafrikanischen Sportministeriums und der Sportlerin selbst derzeit darüber verhandelten, "wie die Probleme zu lösen sind, die Caster Semenyas Teilnahme an der Leichtathletik umgeben".

Das schien auf längere, zähe Gespräche hinter den Kulissen hinzudeuten, doch bereits am Donnerstag preschte Südafrikas Sportministerium in Pretoria mit der Mitteilung vor, dass Semenya das WM-Gold samt Siegprämie von 60.000 Dollar (rund 41.000 Euro) behalten dürfe; zudem sei vereinbart worden, die Ergebnisse der medizinischen Untersuchungen nicht zu veröffentlichen. Die IAAF bestätigte das zunächst aber nicht.

Die Suche nach dem Geschlecht gestaltet sich kompliziert

Die für den Laien simpel erscheinende Frage "Mann oder Frau?" hat sich mittlerweile zu einem undurchsichtigen Fall auf sportpolitischer Ebene entwickelt, bei dem die IAAF unter ihrem aus dem Senegal stammenden Präsidenten Lamine Diack zunehmend in Zugzwang gerät. Der Weltverband war wegen des Geschlechtstests bei Semenya in Südafrika heftig kritisiert worden; der Vorwurf des Rassismus war dabei noch moderat. Sportminister Makhenkesi Stofile drohte gar mit dem dritten Weltkrieg, sollte die IAAF es wagen, die 18-Jährige nicht mehr mitmachen zu lassen.

Einer der lautesten Wortführer gegen die IAAF war zunächst der Präsident des südafrikanischen Leichtathletik-Verbandes ASA, Leonard Cheune, der ironischerweise Mitglied des IAAF-Councils ist. Nachdem jedoch ein leitender Trainer wegen des Umgangs mit Caster Semenya zurückgetreten war, musste Cheune zugeben, dass sein Verband selbst schon einen Geschlechtstest bei der Athletin hatte vornehmen lassen, und das auch noch ohne deren Wissen. Ihr war vorgegaukelt worden, es handele sich bei der Untersuchung um einen Dopingtest.

Wegen der zwielichtigen Rolle von Cheune und seiner Mitarbeiter suspendierte Südafrikas Olympia-Komitee Sascoc vorige Woche den gesamten Leichtathletik-Verband und setzte einen Interims-Verwalter ein. Die IAAF hat darauf noch nicht reagiert. Der Fußball-Weltverband Fifa handelt für gewöhnlich schnell in Fällen, in denen sich staatliche Behörden oder andere Sportorganisationen in die inneren Angelegenheiten seiner nationalen Mitgliedsverbände einmischen: Nach einer feindlichen Übernahme wird der betreffende Verband suspendiert und damit international isoliert.

Auf eine solche Konfrontation will es nun offenbar niemand ankommen lassen. Ray Mali, der Interims-Verwalter von ASA, erklärte bereits: "Wir müssen unsere internationalen Beziehungen wahren." Und die IAAF möchte den Konflikt mit Südafrika auch nicht verschärfen und hält sich mit Äußerungen zurück. Caster Semenya scheint von dem Schlamassel am wenigsten beeindruckt zu sein. Wie der Guardian berichtete, hat sie gerade wieder mit dem Training angefangen.

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