Fall Alex Rodriguez:Schwergewichtsboxen beim Baseball

Miami v Florida State

Alex Rodriguez darf im Moment nur am und nicht auf dem Spielfeldrand bei Baseballspielen stehen.

(Foto: AFP)

Es geht um Doping, eingeschüchterte Zeugen und gekaufte Beweismittel: Die Baseballliga MLB und der mutmaßliche Doper Alex Rodriguez liefern sich derzeit eine juristische Schlammschlacht, die einzigartig sein dürfte.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Vor fünf Jahren, da war Bud Selig ein riesiger Fan von Alex Rodriguez. Warum auch nicht? Rodriguez war einer der profiliertesten Sportler der USA: drei Mal wertvollster Spieler der Saison, 14 Mal im All-Star-Team, Profi bei den New York Yankees, dem bekanntesten Baseballverein der Welt. Ein lieber Bursche, ein Vorbild für Kinder, ein herausragender Repräsentant seiner Sportart. Natürlich fand auch der Chef der Baseballliga MLB so einen klasse.

Seligs Schwärmen für Rodriguez war jedoch nicht die uneingeschränkte Liebe eines Fans zu seinem Idol, sondern durchaus berechnend. Die Liga erholte sich gerade langsam vom Balco-Skandal aus dem Jahr 2003, bei dem der Home-Run-König Barry Bonds als Kunde eines kalifornischen Dopinglabors identifiziert worden war. Rodriguez, so sah es 2008 jedenfalls aus, würde die Rekorde von Bonds brechen können. Ein neuer, dopingfreier Held, genau das brauchte Selig, der sich unbedingt als rigoroser Dopingbekämpfer darstellen wollte.

Mittlerweile ist Selig kein Fan mehr von Rodriguez. Ganz im Gegenteil, die beiden sind erbitterte Feinde und liefern sich derzeit eine juristische Schlammschlacht, die einzigartig sein dürfte in der Geschichte des Sports. Es geht um eingeschüchterte Zeugen und gekaufte Beweismittel, die zuvor gestohlen worden waren. Um intime Beziehungen zwischen Ermittlern und Zeugen. Um Klagen und Gegenklagen.

Eigentlich geht es darum: Selig, 79, wird nach der kommenden Saison nach 22 Jahren als Chef zurücktreten. Er wurde immer wieder kritisiert, Doping im Baseball nicht ausreichend bekämpft zu haben,und würde sich gerne in den Lebenslauf schreiben, wenigstens am Ende seiner Amtszeit anständig durchgegriffen zu haben.

Rodriguez ist dabei die Symbolfigur. Der hatte im Jahr 2009 zugegeben, von 2001 bis 2003 leistungsfördernde Mittel genommen zu haben. Seitdem, so versichert er immer wieder, sei er clean. Anfang des Jahres jedoch wurden Rodriguez und andere prominente Sportler mit der Anti-Aging-Klinik Biogenesis in Florida in Verbindung gebracht, die offenbar nicht nur Falten bekämpfte, sondern auch beim Muskelwachstum von Sportlern nachhalf. Die Liga sperrte 13 Akteure für jeweils mindestens 50 Partien - alle akzeptierten die Strafe. Rodriguez wurde mit einer Sperre von 211 Spielen belegt - er akzeptierte die Suspendierung nicht.

Seitdem haben sich Liga und Rodriguez gegenseitig verklagt und mit reichlich Schlamm beworfen. Am Wochenende veröffentlichte die New York Times eine Titelgeschichte, in der die schmutzigen Einzelheiten dieses Falls detailliert beschrieben werden - und in der enthüllt wird, dass Rodriguez im Jahr 2006 offenbar positiv auf die Einnahme von Stimulanzien getestet worden war. Die Zeitung beruft sich dabei auf zwei Personen, die mit dem Anti-Doping-Programm der Liga zu tun haben.

"Unsere Ermittlungen im Biogenesis-Fall haben dazu geführt, dass 13 Spieler ohne Anfechtung gesperrt wurden", wird Selig im Artikel der Times zitiert, "Nur ein Spieler ging dagegen vor und greift jeden einzelnen Aspekt dieses Prozesses an. Ich glaube, dass das mehr über sein Fehlverhalten aussagt als über das vermeintliche Gebaren unserer Ermittler."

Es geht um Rodriguez' Vermächtnis als Sportler

Es wird klar: Selig möchte unbedingt, dass die Sperre gegen Rodriguez aufrecht erhalten wird, damit dieser womöglich nie wieder Baseball spielt. Bestenfalls soll die Sache noch vor Seligs Abtritt geklärt sein. Rodriguez dagegen, auch das ist nicht zu übersehen, wehrt sich dagegen mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen. Es geht um sein Vermächtnis als Sportler und nicht zuletzt auch um sehr viel Geld: Sein Vertrag mit den Yankees läuft noch vier Jahre und soll mit insgesamt 86 Millionen US-Dollar entlohnt werden - wenn er nicht gesperrt wird.

Daran, dass Rodriguez nach 2003 keine leistungsfördernde Mittel zu sich genommen hat, glauben nur noch Menschen, die auch an den Weihnachtsmann glauben. Die Enthüllung der New York Times klingt daher zunächst wie die Nachricht, dass nicht der Weihnachtsmann 2006 die Geschenke verteilt hat. Das - vor allem juristische - Problem im Fall Rodriguez ist allerdings: So lange es keinen eindeutigen Beweis dafür gibt, dass der Weihnachtsmann nicht existiert, gilt der Mann mit falschem weißen Bart als Weihnachtsmann.

Deshalb versucht die Liga, an Beweismaterial zu gelangen. Selig hat gar, ohne die MLB zu informieren, ein zweites Ermittlungsteam beauftragt. Rodriguez' Anwalt Lanny Davis nannte dieses Vorgehen "nicht nur ungehörig, sondern beschämend". Die Gegner haben Boxhandschuhe und Bandagen längst abgelegt, sie prügeln mit blanken Fäusten aufeinander ein.

Die nächste Anhörung zur 211-Spiele-Suspendierung findet am 18. November statt, 25 Tage später soll ein Urteil gesprochen werden. Am Donnerstag gibt es die erste Anhörung zur Klage von Rodriguez gegen die Liga und Bud Selig, ein möglicher Prozess dürfte frühestens Mitte 2014 beginnen.

Derzeit sieht es so aus, als würde diese Prügelei noch lange dauern. Und es scheint, als würden sowohl Rodriguez als auch Selig am Ende nicht nur mit blauen Augen aus dem Ring steigen, sondern schwer verletzt.

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