Facebook-Auftritt des Rekordmeisters:Medienstrategie des FC Bayern: Mia san auf allen Kanälen

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Mit einer Teampräsentation via Facebook geht der FC Bayern neue Wege bei der Internationalisierung. Das Format ist gewöhnungsbedürftig, die Fans in Deutschland reagieren eher skeptisch.

Von Filippo Cataldo

18 Jahre ist die Metapher vom Laptop und der Lederhose mittlerweile alt, die den Aufstieg Bayerns beschreiben sollte. Ungefähr zur gleichen Zeit begann man übrigens wieder, in Tracht auf die Wiesn zu gehen; das unterarmknochengroße Mobiltelefon steckte man sich einfach an den Bund der Krachledernen. Die Fußballer reaktivierten den aus dem 19. Jahrhundert stammenden Spruch vom Mia san Mia, den die Zugänge heute schon als Hashtag verwenden müssen, bevor sie unfallfrei Servus sagen können.

Mit Laptop und Lederhose braucht man niemandem mehr zu kommen. Doch den Spagat zwischen Tradition und Moderne, den will, den muss der FC Bayern immer noch hinbekommen. Am Donnerstag kehrte die Mannschaft von einer Amerikareise zurück, in der es, wie Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge freimütig zugab, mehr darum ging, "Geld zu verdienen" als sich auf die kommende Spielzeit vorzubereiten.

Am Samstag präsentierte der Meister nun seine Mannschaft für die neue Saison. So richtig neu ist die nicht, bis auf die neuen Trainer um Carlo Ancelotti sind nur der Herzensmünchner und Dortmund-Rückkehrer Mats Hummels und Europameister Renato Sanches neu dabei. Ziemlich neu war aber die Art der Präsentation.

Schweinsteigers Degradierung: Ein Beweis für Menschlichkeit?

Es begann noch scheinbar normal, mit einer kurzen, recht erwartbaren Pressekonferenz im Bauch der Allianz Arena mit den beiden Zugängen, Ancelotti und Rummenigge. Sanches, 18, versprach brav , von "den Besten lernen" zu wollen, um "einer der besten Spieler zu werden". Hummels zitierte einen ziemlich guten Satz des früheren Bremer Verteidigers Sebastian Prödl ("Man muss wie zu einem Zahnarztbesuch einmal im Jahr nach München. Dann tut es weh") und kündigte folgerichtig an, dass man "die Arena zu einer Festung machen" wolle.

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Und Rummenigge schloss eine Rückkehr des bei Manchester United zur Reserve verbannten Bastian Schweinsteiger aus, bedauerte aber dessen Degradierung - nicht ohne sie sich zu Nutzen zu machen, schließlich erkenne man am Falle Schweinsteigers nun "vielleicht auch den Beweis, dass man beim FC Bayern etwas menschlicher, fairer und seriöser mit den Spielern umgeht".

Dann ließen die Bayern bei der Vorstellung der Mannschaft eine unerwartbare Show folgen.

Angekündigt worden war die "erstmals in digitaler Form" live und exklusiv bei Facebook gestreamte "Team Presentation" des deutschen Rekordmeisters als Veranstaltung "im Stile einer Late-Night-Show", sie wurde zudem noch mit dem schicken Hashtag "FCBDay1" garniert. Man hätte sich also denken können, dass die primäre Zielgruppe für eine digitale Late-Night-Show um 14 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit weder unbedingt aus Bayern stammen, noch unbedingt älter als vielleicht 21 Jahre alt sein würde.

Womöglich wird sich aber auch die bayernaffine Generation Pokemón-Go, sollte sie von Facebook in den etwas mit technischen Problemen zu kämpfenden Stream gelassen worden sein, ein wenig gewundert haben: Wieso stellen da zwei laute und überdrehte Moderatoren namens Poet und Vuj, die in England einen angeblich sehr erfolgreichen Youtube-Channel betreiben, die Bayernspieler so vorstellten, als ob deren aktive Karrieren schon vorbei seien? Wieso wirkt das so, als seien die Spieler gerade dabei, in irgendeinen Big-Brother-Container einzuziehen oder in den Dschungel verfrachtet zu werden? Eine Mannschaftsvorstellung wie eine Reality-Show. Für rund 17.000 Zuschauer, die in der Spitze gleichzeitig live dabei waren.

Ein typischer Dialog zwischen englischen Moderatoren und bayerischen Spielern ging etwa so: "Mats, Helles or Weißbier?" - "I don't drink beer" - "Oooh, Woooh, Wow!". Oder so: "He's a legend! He is Thomas MULLER!" - "Hi, excuse me for my English" - "Noooo, nooooo, no problem. I am from England and my English is terrible".

Etwas mehr als eine Stunde lang durfte Thomas Müller eine Glaskugel streicheln, David Alaba und Xabi Alonso ihre eigenen Trikots designen, Thiago, Joshua Kimmich und Javi Martínez Fußball auf der Playstation gegen Konsolenprofis spielen und Ancelotti mit der Engelsgeduld und Schicksalsergebenheit, die wohl nur haben kann, wer schon Großvater ist, erklären, dass seine linke Augenbraue ein Eigenleben habe und er sie nicht kontrollieren könne. Besagte Augenbraue befand sich dabei übrigens fast auf Höhe seines Haaransatzes.

Zwischendurch wurde immer wieder zu Stadionsprecher Stephan Lehmann ins Stadion geschaltet, der wie die Außenreporter einst bei "Wetten, dass..." kleine Wettkämpfe zwischen Fans und Spielern (Golf gegen Müller, Elfmeter gegen Neuer) anmoderieren musste und sich mit ziemlich bajuwarischem Englisch ("are you aufgeregt?") durch seine Auftritte pflügte. Zwischen Mia san Mia und mia ren Englisch eben.

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Der Busfahrer fährt den Bus: "WOOOH!!!"

Wer sich noch nicht fremdschämte, konnte sich noch die kurzen Beiträge über die "unsung heroes" des Klubs ansehen, in denen ein paar Fans, der Greenkeeper oder Busfahrer Michael Lauerbach vorgestellt wurden. Diese sonst unbesungenen Helden durften als einzige an diesem Nachmittag Deutsch reden, weswegen ihre Aussagen untertitelt wurden. "Die Hauptaufgabe besteht darin, den Bus zu fahren", sagte Lauerbach etwa am Ende seines Beitrages. Auch dafür gab es von den zwei hyperaktiven Moderatoren ein "WOOOH!!!".

Während die Show bei den internationalen Fans recht gut ankam, gab es von der deutschsprachigen Internetgemeinde einen veritablen Shitstorm für den FC Bayern. Die Kommentare reichten vom noch eher freundlichem "ich lache Tränen. Das hat mit Fußball nichts zu tun. International Freak Show", über "Yo Digga"-Getue geht gar nicht. Wir sind nicht der FC Neukölln" bis hin zur totalen Fassungslosigkeit und der Frage, wieso der FC Bayern überhaupt eine Präsentation auf Englisch mache. "Ich hoffe, das war das erste und das letzte Mal! Präsentation auf Englisch??? Im Studio??? Mit zwei Kasperl? Macht sowas in den USA, aber nicht hier. Und dann die Bildqualität... Aber die wird bestimmt besser, wenn alle direkt abschalten. Great Fail!", kommentierte jemand etwa auf Facebook.

Wobei die Frage, wieso auf Englisch, noch am einfachsten zu beantworten wäre. Die Frage, wieso unbedingt so, könnten sich die Marketingstrategen des Klubs aber vielleicht doch noch einmal stellen. Bis Samstagabend wurde das Video auf Facebook mehr als eine halbe Million Mal angeschaut.

© SZ vom 07.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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