Fabelhafte Elf der Bundesliga-Saison:Als Guardiola zur Micky Maus mutierte

Dem Bayern-Trainer entgleiten wegen Lewandowski die Gesichtszüge. Ein Augsburger betreibt "Vandalismus im Strafraum" und Fritzle vergießt Alligatortränen. Die SZ-Elf der Saison.

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Thomas Tuchel

Thomas Tuchel

Quelle: dpa

Ganz zum Schluss, da war er einmal richtig sauer. "Wir sind so weit von unserer absoluten Topform entfernt, wie wir es noch nie waren. Ich mache mir große Sorgen. Wir haben die Saison nach dem 32. Spieltag beendet!", schimpfte Thomas Tuchel. "Wir haben einen Spannungsverlust in der Haltung, den ich nicht akzeptiere." 2:2 gegen Köln gespielt, bester Zweiter der Bundesliga-Geschichte - im Grund also nix passiert.

Doch der Trainer von Borussia Dortmund hat sich binnen eines Jahres einen riesengroßen Respekt erarbeitet. Er darf schimpfen, niemand wird ihm widersprechen. Im Jahr 1 n.K. (nach Klopp) gelang es ihm, den BVB neu zu erfinden, ihn eine dominante Spielweise zu lehren. Er führte die Mannschaft zu einer großartigen Saison. Was noch fehle, den FC Bayern schlagen zu können, wurde er einmal gefragt. Antwort: "Alles. Von allem ein bisschen." Mal sehen, wie viel er im Jahr 2.n.K. aufholen kann.

(hum)

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Marwin Hitz

1. FC Koeln v FC Augsburg - Bundesliga

Quelle: Mika Volkmann/Getty Images

Der Platz sei nicht in Ordnung gewesen, hat Marwin Hitz nach dem Spiel des FC Augsburg in Köln gesagt. Niemand hat Hitz widersprochen, denn der Platz war tatsächlich nicht in Ordnung, und der Grund dafür stand in Augsburgs Tor. Der Schweizer hat der langen Geschichte der Bundesliga am 15. Spieltag das Unterkapitel "Vandalismus im Strafraum" beigefügt. Er hat ein Loch gegraben, ein spielentscheidendes dazu.

Und das kam so: Die 56. Minute, Köln hatte einen Elfmeter bekommen, den nicht alle berechtigt fanden. Vor allem nicht: Marwin Hitz. Der Torhüter lief also zum Elfmeterpunkt und wühlte den Rasen auf, erst mit der Fußspitze, dann mit der Ferse. Zurück im Tor sah er Kölns Anthony Modeste beim Strafstoß wegrutschen - Hitz parierte, Augsburg siegte 1:0. "Das war nicht ok & kommt nicht mehr vor!", teilte er später via Twitter mit. Der Kölner Stadion-Chef schickte Hitz dennoch eine Rechnung über die Schadenssumme von 122,92 Euro. Für die Rasenpflege.

(chge)

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Aytac Sulu

SV Darmstadt 98 v Eintracht Frankfurt - Bundesliga

Quelle: Bongarts/Getty Images

Vermutlich haben sie es in Darmstadt zu Beginn dieser Saison selbst nicht gewusst, dass sie den torgefährlichsten Abwehrmann Europas im Kader haben. Aytac Sulu, das ist der Typ, dessen Kopfbälle wie Torpedos einschlagen. Kein Verteidiger wuchtete so viele Geschosse aus der Luft ins Tor wie der Darmstädter. Mit sieben Saisontoren liegt Sulu in der teaminternen Schützenliste auf Rang zwei. Nur Sandro Wagner traf bei den Lilien häufiger. "Er ist einer der besten Innenverteidiger der Bundesliga", schwärmt Trainer Dirk Schuster.

Und natürlich sind auf Sulu, diese Ein-Mann-Bisonherde aus Heidelberg, schon andere Klubs aufmerksam geworden. Freiburg kursierte zuletzt als Abnehmer, doch ob das wirklich eine Option ist? Eins steht jedenfalls fest: Dieser Sulu weiß sich zu helfen - erst zeigte er den Bayern-Fans im Dezember im Pokal den Mittelfinger, dann holte er sich absichtlich die fünfte Gelbe ab, um sich das Rückrundenspiel in München zu ersparen. Clever fanden das manche. Man könnte auch sagen: dreist.

(jbe)

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Joshua Kimmich

Borussia Dortmund v Bayern Munich - German Bundesliga

Quelle: REUTERS

Vermutlich gibt es in Deutschland keinen 20-Jährigen, der jemals so gelobt worden ist. Lob ist ja nicht gerade die Stärke der deutschen Mentalität, also musste schon ein Spanier kommen. Trainer Pep Guardiola wusste bisweilen gar nicht, wohin mit seinen Worten. Er liebe Kimmich. Kimmich habe den Klub gerettet. Kimmich könne alles. Kimmich habe eine große Zukunft. Kimmich "ist fast mein Sohn." Und er spielte natürlich immer "Wahnsinn". Dass einer bei so vielen Lorbeeren nicht im Schwindel Richtung Diskothek wankt und Champagner für alle ausgibt (Geld ist ja genug da), das ist schon bemerkenswert. Vermutlich ist das die Meisterschaft des Joshua Kimmich, der als junger Mittelfeldspieler plötzlich Innenverteidiger beim FC Bayern spielen musste. Weil dort alle verletzt waren. Er hat es nicht so wahnsinnig gut gemacht, wie sein Trainer die Welt glauben machen wollte. Aber sehr viel besser, als es die meisten vorher geglaubt hätten.

(hum)

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Elkin Soto

1. FSV Mainz 05 v FC Bayern Muenchen - Bundesliga

Quelle: Bongarts/Getty Images

Am Ende hat Elkin Soto sein Abschiedsgeschenk bekommen. Wenn auch nur für ein paar Sekunden, aber er durfte beim 0:0 gegen Hertha BSC am letzten Spieltag in der Nachspielzeit auf den Platz. Vor einem Jahr hatte sich der Kolumbianer so schwer am Knie verletzt, dass man vom Ende seiner Karriere ausgehen musste. Und was machte der FSV? Verlängerte den wenige Wochen später auslaufenden Vertrag des Mittelfeldspielers um ein weiteres Jahr. Damit Soto in Mainz wiederhergestellt werden konnte.

Es gelang: Im April stieg er ins Mannschaftstraining ein. "Ich bin total froh, wieder mit den Jungs auf dem Platz zu stehen", sagte er. Er wollte im letzten Saisonspiel noch einmal ein paar Minuten auf dem Platz stehen - es klappte nicht. Gebührend verabschiedet wurde Elkin Soto trotzdem: von 30 000 Mainzer Fans.

(fued)

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André Hahn

Borussia Mönchengladbach - FC Schalke 04

Quelle: dpa

Die Bilder des Fouls liefen auf allen Kanälen, aber niemand hat sie mit einem Warnhinweis versehen. Niemand hat Minderjährigen mitgeteilt, dass sie sich diese Szene jetzt besser nicht ansehen. Der zehnte Spieltag, Gladbach gegen Schalke, die 80. Minute: André Hahn, 25, hatte einen hochfliegenden Ball angenommen, da sprang Schalkes Johannes Geis heran. Geis kam zu spät, er drückte Hahn die Schuhsohle aufs Knie, das Bein knickte durch. Die Folge: Außenmeniskusriss, Fraktur des Schienbeinkopfes, fast fünf Monate Pause.

Erst am 27. Spieltag kehrte Hahn zurück, und wenige Wochen später liefen wieder Bilder von ihm auf den einschlägigen Kanälen. Es waren die Bilder eines Comebacks, das viel zu ausgedacht klingt, um wahr zu sein. Es waren die Bilder eines Torschützen. Ein Tor gegen Hoffenheim, ein Tor gegen Bayern, zwei Tore gegen Leverkusen, ein Tor gegen Darmstadt. Hahn traf im Saison-Finale derart zuverlässig, dass Gladbach die Saison auf dem vierten Platz beendet - dem Playoff-Rang für die Champions League.

(chge)

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Max Kruse

1899 Hoffenheim v VfL Wolfsburg - Bundesliga

Quelle: Bongarts/Getty Images

Ach, Max Kruse. Bleiben wir kurz bei seiner Leistung auf dem Platz. War manchmal nicht so doll, bei der Premierensaison im Trikot des VfL Wolfsburg, jedenfalls nur selten so esprit- und elanvoll, wie man ihn aus Gladbach kannte. Oft saß er nur auf der Bank oder wurde eingewechselt - dass er trotzdem mit zur EM nach Frankreich fahren möchte, zeugt eindeutig von Selbstbewusstsein.

Abseits des Platzes war Kruse jedoch eine Granate, vor allem für den Boulevard. Nachts im Taxi hat er die unglaubliche Summe von 75 000 Euro vergessen, wenig später sich ebenfalls nachts im Club mit einer Reporterin gezofft. Und dann gab es ja auch noch diese Filmaufnahme, in der Kruse ... ach, lassen wir das. Wir wünschen ihm für die kommende Spielzeit mehr Nachrichten auf den Sportseiten, über Tore und tolle Vorlagen. Vorlagen fürs Boulevard hat er erst einmal genug gegeben.

(ebc)

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Sandro Wagner

1. FSV Mainz 05 v SV Darmstadt 98 - Bundesliga; Wagner

Quelle: Bongarts/Getty Images

Er ist wohl eher nicht der Typ, der auf Ratschläge hört. Gib der Bild-Zeitung mal lieber kein Interview darüber, dass zwölf Millionen Euro für einen Fußballprofi zu wenig Geld sind! Lauf nach einem Tor gegen Berlin lieber nicht zur Hertha-Fankurve und provoziere! Vielleicht auch: Geh lieber nicht nach Darmstadt, wo du so wenig verdienst! Oder: Arbeite an deinen Schwächen, so wird das nichts! Wenn irgendjemand dem Stürmer des SV Darmstadt diese Ratschläge gegeben hat, dann waren sie Wagner ziemlich wurscht.

Das Ergebnis: Sandro Wagner, 28, hat alles richtig gemacht. Er hat 14 Tore in 32 Spielen geschossen, ohne sich zu verändern. Er ist immer noch der gleiche 1,94 Meter große, ballsichere, aber lauffaule Angreifer, der einst den FC Bayern verließ und bei der Hertha in der Amateurmannschaft spielen musste. Wagner hat auf seine Chance gewartet, mit den Schultern gezuckt und sie einfach genutzt. Bald bezahlt wohl ein Premier-League-Klub viele Millionen Euro für ihn - also viel zu wenig Geld.

(fse)

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Claudio Pizarro

Werder Bremen - Claudio Pizarro

Quelle: dpa

Neun Minuten. Claudio Pizarro brauchte tatsächlich nur neun Minuten, um seinen Zweiflern ein seeliges Grinsen aufs Gesicht zu zaubern. Es gab ja manchen Werder-Fan, der bei aller Wertschätzung für die Vereinslegende leise Bedenken hatte, ob ein fast 37-Jähriger bei seinem vierten (!) Engagement in Bremen der Mannschaft tatsächlich noch einmal helfen könnte. Pizarro machte sich nichts draus - und wischte die Zweifel in neun Minuten allesamt vom Platz.

Im September, kurz nach seinem Wechsel, brachte ihn Werder-Trainer Skripnik in der 82. Minute der Auswärtspartie in Hoffenheim. Und der alte Mann legte los. Erst verpasste Pizarro selbst knapp einen Treffer. In der zweiten Minute der Nachspielzeit setzte er sich dann gegen drei Hoffenheimer durch, steckte durch auf Antony Ujah, der zum 2:1 einschob. Kurz darauf, Hoffenheim schien noch geschockt von Pizarros Anwesenheit, ergänzte Zlatko Junuzovic gar das 3:1. So ging es weiter. 14 Saisontore schoss Pizarro noch ... und half kräftig mit, Werder vor dem Abstieg zu bewahren.

(ebc)

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Robert Lewandowski

Robert Lewandowski

Quelle: dpa

Pep Guardiola hat in seinem Leben wundervollste Fußballkunst gesehen. Er lebte als Nachwuchs-Coach in Barcelona, als der heilige Messi das Maradona-Tor von 1986 kopierte. Er durfte die Tikis und Takas von Xavi/Iniesta von der Seitenlinie bestaunen - aber so einen Meteoriten-Einschlag hatte auch er noch nicht erlebt. Als Guardiola zum Zeugen Lewandowskis wurde, machte er ein Micky-Maus-Gesicht.

Fünf! Gottverdammte! Tore! In! Neun! Minuten! Sowas hat es überhaupt noch nie gegeben. Sowas kann eigentlich nur glauben, wer auch Marsmenschen für möglich hält. Beim 5:1 gegen Wolfsburg explodierte Lewandowski kurz nach der Pause, er verwandelte sich in ein Tor-Monster, einen hupenden Road-Train, der über den VfL hinweg ratterte. Und draußen an der Linie stand Guardiola, der aus dem Staunen über die Wucht des Polen nicht mehr herauskam. Heilige Kuh, was für ein Spektakel!

(jbe)

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Fritzle

VfB Stuttgart v HNK Rijeka - UEFA Europa League Play-Offs: Second Leg

Quelle: Daniel Kopatsch/Getty Images

Mit dem Fahrrad über lebende Hindernisse springend oder verwegen auf dem Skateboard fahrend, hat man Fritzle in der Stuttgarter Fußball-Arena nie gesehen. Der Alligator des VfB Stuttgart kommt im Vergleich zu seinen hippen Maskottchenkollegen aus dem Basketball eher bieder daher. Vielleicht liegt es auch daran, dass er in den vergangenen Jahren müde und desillusioniert geworden ist. Auch ein bisschen hager. Der immer wiederkehrende Abstiegskampf zehrt auch an einem starken Tier.

Immer wieder nach außen lächeln, wenn es einem nach innen elend zu Mute ist, kann auf Dauer ziemlich anstrengend und zermürbend sein. Nach der Niederlage in Mainz am vorletzten Spieltag und dem damit verbundenen Absturz des VfB in die Zweitklassigkeit lehnte er im Bauch des Stadions an der Wand, allein, ohne jeden Beistand. Fritzle vergoss Alligatortränen. Wer tröstet eigentlich das Maskottchen?

(schma)

© Süddeutsche.de/ebc/jbe/jobr
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