Ex-Wada-Chef zum Fall Lance Armstrong:"Das interessiert die Kriminalbehörden"

Jahrelang gelang es dem Rad-Profi Lance Armstrong, ein Dopingsystem aufzubauen und alle zu narren. Als Konsequenz fordert der Anti-Doping-Vorkämpfer Richard Pound im SZ-Interview einen Umbruch im Radsport-Weltverband und glaubt, dass die Vorgänge auch strafrechtliche Konsequenzen haben werden.

Der Sturz des siebenmaligen Tour-de-France-Siegers Lance Armstrong reißt den gesamten Radsport in eine Krise. Die amerikanische Anti-Doping-Agentur Usada hat in ihrem Bericht ein detailliertes und professionelles Dopingsystem bloßgelegt. Auch der Radsport-Weltverband UCI steht unter Verdacht, die Machenschaften im früheren US Postal Team gedeckt zu haben. Wie geht es nun weiter im Radsport? Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung weist der frühere Chef der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, Richard Pound, einen Weg aus dem Doping-Dilemma. Und mutmaßt, dass sich bald auch die Kriminalbehörden einschalten könnten.

Der kanadische Anwalt kennt die Doping-Kontrollsysteme - und deren Schwächen. Als Chef der Wada hatte er sich für härtere Kontrollen bei der UCI-Führung eingesetzt - und wurde ignoriert. "Sie haben es nicht kommentiert, außer dass sie ständig darauf hinwiesen, sie seien der einzige Verband, der so viele Kontrollen mache. Ihr Testprozedere haben sie nicht verändert." Nach den Geständnissen im Zuge der Armstrong-Affäre sei zum Leidwesen aller jetzt "völlig klar, wie schlimm die Dopingzustände immer waren und noch sind", so Pound.

Wie schlimm die Zustände sind, kam jetzt auch bei den zahlreichen Sponsoren Armstrongs an. Nike hatte Lance Armstrong gefeuert und wirft dem Tour-Helden nun öffentlich vor, den Sportartikelhersteller über ein Jahrzehnt lang getäuscht zu haben. Glaubwürdig erscheint im Moment im Radsport niemand - aber die Glaubwürdigkeit müsse der Radsport unbedingt zurückgewinnen, sagt Richard Pound und warnt davor, die Vergangenheit einfach auszublenden.

"Wenn es ein neues Kapitel geben soll für den Radsport, dann wird das zuvor die absolute Aufklärung und Aussöhnung von allen brauchen. Und das gilt nicht nur für die Fahrer." Damit griff er die Führungsspitze der UCI zwar nicht direkt an. Er stellte aber auch klar, dass "die Verbindungen der Leute in diesem Sport zu eng waren und die Interessenkonflikte zu offensichtlich", um nicht zu bemerken, was in Armstrongs Team abgelaufen sei.

Diese Vorgänge können auch bald strafrechtliche Konsequenzen haben. Denn der Anti-Doping-Vorkämpfer vermutet in den Vorgängen rund um den Radzirkus kriminelles Potenzial: "Mutmaßliche Meineide, Renn-Manipulationen, Transaktionen rund um Drogensubstanzen - die Kriminalbehörden in einigen Länder könnten Interesse daran haben."

Wenn am Ende des Monats die UCI zu der Affäre seine Stellungnahme abgibt, könnte auch die letzte Schutzmauer um Armstrong fallen. "Einige Politiker werden merken, wie lächerlich sie sich gemacht haben, als sie Armstrong schützen wollten", ist sich Pound sicher. Er nennt Armstrong einen "Doping-Vollstrecker im eigenen Rennteam". Trotzdem findet er auch einen positiven Aspekt: "Willige Politiker" hätten nun gute Argumente für eine "unabhängige, gut finanzierte Anti-Doping-Agentur".

Das komplette Interview lesen Sie in der Süddeutschen Zeitung vom 19. Oktober 2012 und im iPad.

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