Süddeutsche Zeitung

Ex-Barca-Präsident:Unappetitlicher Verdacht

Sandro Rosell sitzt seit einem Jahr in spanischer U-Haft. Bald muss er sich wegen Bandenkriminalität und Geldwäsche verantworten. Nun ergab sich ein weiter Verdacht.

Von Thomas Kistner

Die Schmutzblase rund um die Fußballgeschäfte von Sandro Rosell wird immer größer. Jetzt erreicht sie Jerome Valcke, den langjährigen, 2016 gefeuerten Generalsekretär des Fußball-Weltverbands Fifa - und sorgt auch anderweitig für besonders unappetitliche Schlagzeilen: im Kontext des Verdachts auf illegalen Organhandel.

Rosell, von 2010 bis 2014 Präsident des FC Barcelona, ist seit einem Jahr in U-Haft, zahlreiche Kautionsanträge wurden wegen Fluchtgefahr abgewiesen. Bald muss sich der Katalane wegen Bandenkriminalität und Geldwäsche von 15 Millionen Euro verantworten, das verfügte Richterin Carmen Lamela am Staatsgerichtshof in Madrid. Angeklagt sind auch Rosells inhaftierte Gattin Marta und vier weitere Personen.

Als das Paar im Mai 2017 geschnappt wurde, fror die Justiz 35 Millionen Euro auf Konten ein. Rosell wird in zwei Komplexen beschuldigt: bei der Vergabe von TV-Rechten für Brasiliens Nationalteam und im Kontext eines Vertrages der Seleção mit dem US-Konzern Nike. Die Deals soll er mit seinem Geschäftsfreund Ricardo Teixeira eingefädelt haben. Teixeira war Boss des Brasilien-Verbands CBF und saß im Fifa-Vorstand; 2012 gab er die Ämter ab.

Spanien und die USA fordern Teixeiras Überstellung. Doch Brasilien liefert Staatsbürger nicht aus; ihm wird zuhause der Prozess gemacht. Teixeira ließ Teile der Auftrittsgagen der Seleção nicht an den CBF zahlen, sondern an eine Firma Rosells in den USA; vorgeschaltet war die Agentur ISE in der Karibik. An die musste 1,6 Millionen Dollar zahlen, wer Neymar und Co. verpflichten wollte. Dokumente zeigen, dass die ISE, hinter der Investoren aus Katar und Saudi-Arabien standen, nur 1,1 Millionen an den CFB weitergab. Der Rest floss an Rosells Firma, die so mindestens elf Millionen Dollar abräumte. Und das ist nur ein Teil der Vorwürfe gegen das Geschäftsduo.

Der Fall Rosell führt auch ins Schattenreich der Sponsorwirtschaft. Die Rolle des ewigen CBF-Ausrüsters Nike interessiert die US-Justiz, sie führt den Konzern bereits in einer Fifa-Gate-Klage. Nike betont, man kooperiere mit den Behörden. Teixeira hatte mit dem damaligen Nike-Agenten Rosell Verträge besiegelt, die dem Konzern enormen Einfluss bis hin zur Teamaufstellung garantierte. Dafür soll er Millionen und andere Gaben erhalten haben, darunter womöglich ein Privatjet.

Auch bei Barça geriet Rosell mit Sponsorendeals in die Kritik. So band er den Klub Ende 2010, nur Tage nach dem WM-Zuschlag 2022 für Katar, für sechs Jahre an die Qatar Foundation. Strafbehörden untersuchen bis heute, ob jenes WM-Turnier gekauft wurde; Katar bestreitet das. Indes soll auch Teixeira, im Fifa-Vorstand damals ein Katar-Wähler, Millionen von Unternehmern des Emirats auf ein Konto in Monaco erhalten haben. Zudem geben mehrere Zeugen an, dass der damalige Fifa-General Valcke, enger Freund Rosells und Teixeiras, schon Monate vor der WM-Vergabe erklärt habe, 2022 sei an Katar vergeben. Nun taucht Valcke, damals oberster Fifa-Hauptamtlicher, im Madrider Schriftsatz auf: als Empfänger von Schmiergeld, das durch Strohfirmen und Steuerparadiese geschleust wurde. Ein Mitangeklagter soll laut Gerichtspapier, das der SZ vorliegt, Überweisungen von 127 000, 227 000 und 370 000 Euro über ein Konto bei der andorranischen Andbank an Valcke veranlasst haben. Gegen Valcke, vermerkt die Madrider Richterin, werde wegen Korruption ermittelt. Damit zielt diese Strafermittlung direkt in die frühere Fifa-Chefetage.

Das Geschäftsbild um das einst mächtige Funktionärstrio Valcke, Rosell und Teixeira ist trüb genug. Trotzdem fand die spanische Justiz noch andere hässliche Verdachtsmomente. Bei kurz vor Rosells Verhaftung im April 2017 abgehörten Telefonaten, berichtet das spanische Blatt El Confidencial, habe Rosell seinen Gesprächspartnern dargelegt, dass er 2012 als Barça-Boss ein illegales Transplantat für den früheren Profi Eric Abidal gekauft habe. Der Fall des französischen Verteidigers, der damals eine neue Leber erhalten hatte, gespendet laut Vereinsmitteilungen von einem Cousin, hatte die Sportwelt aufgewühlt. Bei den von der Justiz abgehörten Telefonaten soll Rosell nun aber wiederholt einen Organkauf auf dem Schwarzmarkt beschrieben haben - mit so expliziten Aussagen, dass Richterin Lamela die Einleitung eines separaten Verfahrens dazu anordnete.

Am Mittwoch bestritt der FC Barcelona die Vorwürfe strikt: Damals sei nichts Illegales gelaufen, der Bericht schade "der Ehre Abidals und aller an der Transplantation Beteiligten". Abidal erklärte via Twitter, er sei "verärgert und traurig". Sein Cousin habe einen Teil der Leber gespendet und ihm das Leben gerettet;alles sei ärztlich dokumentiert. Zugleich berichtet das Sportblatt Marca, die aus Madrid an ein Gericht in Barcelona verwiesene Ermittlung zu Rosells Aussagen sei aus Beweismangel eingestellt worden. Abidal ist seit Juni Sportdirektor bei Barça.

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Quelle:
SZ vom 05.07.2018
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