Athleten bei den European Championships:Überflieger, Quotenhelden und eine Dreifach-Mama

Athleten bei den European Championships: Unter anderem auf diese drei gilt es aufzupassen: Stabhochsprung-Weltrekordler Armand Duplantis, Beachvolleyballerin Kira Walkenhorst und Tischtennisspieler Dimitri Ovtcharov (von links).

Unter anderem auf diese drei gilt es aufzupassen: Stabhochsprung-Weltrekordler Armand Duplantis, Beachvolleyballerin Kira Walkenhorst und Tischtennisspieler Dimitri Ovtcharov (von links).

(Foto: Jon Olav Nesvold/imago, Felix Koenig/imago, Kin Cheung/dpa)

Am Donnerstag beginnen die European Championships in München. Die Sportredaktion der SZ gibt ein paar Hinweise, wen man nicht verpassen sollte.

Von Stefan Galler, Volker Kreisl, Andreas Liebmann, Ralf Tögel und Sebastian Winter

Am kommenden Donnerstag beginnen die European Championships in München (11. bis 21. August), und die Landeshauptstadt hat sich ordentlich Mühe gegeben, ein guter Gastgeber zu sein. Dabei soll diese Multi-Europameisterschaft keine reine Hochleistungssportveranstaltung sein, sondern ein großes Fest für die Stadt, das an die Olympischen Spiele vor 50 Jahren erinnern und die Menschen einbeziehen soll. Einen ersten Eindruck, was die Besucher neben den Weltklasseathleten erwartet, gibt das große Opening am Mittwochabend (10. August) im Olympiapark. Neben den Sportveranstaltungen wird dort das Festival "The Roofs" eröffnet (18.30 Uhr), Bands, unter anderem Rap-Star Marteria, Artistinnen und Akrobaten sowie Lichtinstallationen bespielen den gesamten Olympiapark. Die Veranstaltung ist wie viele Entscheidungen bei der Multi-EM kostenfrei zu erleben. Im Mittelpunkt der Championships stehen aber die Athletinnen und Athleten, die in neun olympischen Sportarten insgesamt um 177 Medaillensätze wetteifern. Wer es nicht schafft, sich alle Entscheidungen anzusehen, dem gibt die Sportredaktion der SZ eine kleine Entscheidungshilfe, wen man nicht verpassen sollte.

Lara Lessmann, 22, BMX Freestyle

Athleten bei den European Championships: Medaillenanwärterin: Lara Lessmann (hier bei den Olympischen Spielen in Tokio) zählt im BMX Freestyle zu den Favoritinnen.

Medaillenanwärterin: Lara Lessmann (hier bei den Olympischen Spielen in Tokio) zählt im BMX Freestyle zu den Favoritinnen.

(Foto: Frank Hoermann /Sven Simon/Imago)

Der Unterschied zwischen Olympia und der Europameisterschaft? Da muss Lara Lessmann nicht lange überlegen: die Familie, die Freunde. Denn im Gegensatz zu Tokio werden alle da sein in München, der Weg ist ja ungleich kürzer. Die Freude auf die European Championships sei daher riesig, zudem zählt die 22-Jährige zu den Medaillenkandidatinnen im BMX Freestyle. Bei der EM in Moskau 2021 wurde sie Zweite, in Tokio bei Olympia im selben Jahr hatte sie den sechsten Platz erreicht, obwohl sie noch von den Folgen eines Schlüsselbeinbruchs gehandicapt war.

Außerdem hat die Wahl-Berlinerin, die im Alter von 17 Jahren beschloss, wegen besserer Trainingsmöglichkeiten von Flensburg in ein Sportinternat in die Hauptstadt zu ziehen, gute Erinnerungen an München. Beim Munich Mash vor fünf Wochen wurde sie Zweite. Dort werden nur die Weltbesten eingeladen, es sei "nicht ganz so seriös wie eine EM", aber hochklassig besetzt. In Erinnerung ist geblieben, wie Lessmann in inniger Umarmung mit Liszurley Villegas in der Halfpipe stand, die hatte sie gerade geschlagen. Giftige Rivalität sind den BMX-Akrobatinnen fremd, die Liebe zum Sport steht klar im Vordergrund, sagt Lessmann. Die Favoritinnen kommen aus Großbritannien und der Schweiz, sagt sie bescheiden, das war auch die Reihenfolge der Sieger in Tokio. Dabei hat sie diese Konkurrentinnen beim Weltcup im Mai klar geschlagen. Gefahren wird auf dem Olympiaberg, auf dem "wohl größten Parcours, den wir in Deutschland sehen werden", freut sich die 22-Jährige. Im Finale werden zwei Runs gefahren, der Bessere zählt. Das Ziel? Möglichst gut abschneiden, sagt sie, "mal sehen", und ja, es geht schon um mehr als beim Mash.

Kira Walkenhorst, 31, Beachvolleyball

Athleten bei den European Championships: Möchte noch ein paar Gegnerinnen im Sand blocken: Beachvolleyball-Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin Kira Walkenhorst.

Möchte noch ein paar Gegnerinnen im Sand blocken: Beachvolleyball-Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin Kira Walkenhorst.

(Foto: Felix König/Agentur 54 Grad/Imago)

Dass Kira Walkenhorst in München demnächst wieder die Sektkorken knallen lassen kann, wie so oft in ihrer einzigartigen Beachvolleyball-Karriere, ist zugegeben eher unwahrscheinlich. Bei der Europameisterschaft, die im Rahmen der European Championships auf dem sehr vorzeigbaren Königsplatz ausgetragen wird, ist die 31-Jährige mit ihrer Partnerin Louisa Lippmann nur krasse Außenseiterin. Das Interimsduo hat eine Wildcard für die EM bekommen, von Dauer ist die Partnerschaft im Sand ohnehin nicht. Denn die langjährige Hallennationalspielerin Lippmann, die nun den Sprung in den Sand wagt, wird mit Laura Ludwig das Projekt Olympische Spiele in Paris angehen, jener Frau also, die mit Walkenhorst 2016 in Rio de Janeiro Olympiagold gewann.

Dass Walkenhorst überhaupt noch ein internationales Turnier spielt, ist schon eine gute Nachricht für die Beachvolleyball-Gemeinde. Sie hatte sich nach den beiden EM-Titeln 2015 und 2016, dem Olympiasieg von Rio und dem WM-Titel 2017 in Wien aus Verletzungsgründen weitgehend zurückgezogen vom Profisport und mit ihrer Partnerin Maria Kleefisch Drillinge bekommen. Ihr Comeback auf der nationalen Tour gestaltete sich dann schwierig, auch wegen der Corona-Pandemie und damit verbundenen Kita-Schließungen. Zuletzt gewann die gefürchtete Blockerin aber in Hamburg und Bremen wieder zwei Turniere. Und bereichert nun in Abwesenheit von Laura Ludwig (Babypause) die EM in München - als eine der ganz großen Athletinnen ihres Sports. Auch danach will Walkenhorst weitermachen, ihr Fernziel sind, tatsächlich, die Olympischen Spiele in Paris. Mit welcher Partnerin auch immer.

Dimitrij Ovtcharov, 33, Tischtennis

Athleten bei den European Championships: Führt die deutschen Favoriten an: Dimitrij Ovtcharov.

Führt die deutschen Favoriten an: Dimitrij Ovtcharov.

(Foto: Attila Kisbenedek/AFP)

Er kenne diese Sportstätte vom Basketball, hat Dimitrij Ovtcharov kürzlich festgestellt, er finde sie "cool". Für einen PR-Termin mit Jugendlichen besuchte der Tischtennisprofi Anfang Juli die Rudi-Sedlmayer-Halle ("eine Herzensangelegenheit"), in der sonst der FC Bayern Körbe wirft und am 13. August die Tischtennis-Europameisterschaft beginnen wird. Ma Long darf daran aus nachvollziehbaren Gründen ebenso wenig teilnehmen wie all die anderen Chinesen, weshalb Ovtcharov als Weltranglistenneunter klar zu den Favoriten zählt. Als ärgste Widersacher gelten der Slowene Darko Jorgic (1. FC Saarbrücken) und der Schwede Truls Möregardh, Ovtcharovs neuer Teamkollege beim TTC Neu-Ulm. Auch die Deutschen Patrick Franziska, Dang Qiu und (sofern die lädierte Rippe hält) Rekordeuropameister Timo Boll sind Mitfavoriten im Männerfeld, alle unter den Top 15 der Welt. "Wir haben viele Eisen im Feuer", weiß Ovtcharov, 33. Natürlich sei so eine Heim-EM etwas Besonderes, sagt er, viele solche Anlässe gab es nicht im Laufe seiner Karriere. Und diesmal, dank der Multi-EM, sogar mit TV-Bildern! Anders als damals bei der öffentlich-rechtlich ignorierten Team-WM 2012 in Dortmund, einer medial verpassten Chance, obwohl die Deutschen sich doch im Finale gegen China stemmten und die Westfalenhalle voll war. "Ernüchternd" fand er, dass das nicht übertragen wurde.

Ovtcharov hat viel bewegt seitdem. Sein episches Halbfinale gegen Ma Long und der Sieg um Bronze waren Quotenhits bei Olympia in Tokio. Wegen zweier Knöchel-OPs hat er danach lange pausiert, doch er ist zurück: Beim Comeback in Peru erreichte er gleich wieder ein Weltcup-Finale. Er findet, der Moment sei nun günstig, an Tokio anzuknüpfen. Um die Sportart weiter voranzubringen. Seine eigentliche Herzensangelegenheit.

Armand Duplantis, 22, Stabhochspringer

Athleten bei den European Championships: Der große Moment: Armand Duplantis überspringt bei der WM in Oregon als erster Mensch mit dem Stab 6,21 Meter. Was ist in München möglich?

Der große Moment: Armand Duplantis überspringt bei der WM in Oregon als erster Mensch mit dem Stab 6,21 Meter. Was ist in München möglich?

(Foto: Jon Olav Nesvold/Imago)

Er ist der Sonnyboy unter den europäischen Leichtathleten: Stabhochspringer Armand Duplantis, 22, den alle nur "Mondo" nennen, beherrscht nicht nur die weltweite Konkurrenz, wie er zuletzt mit seinem Weltmeistertitel inklusive 6,21-Meter-Weltrekord in Eugene/USA unter Beweis stellte. Der in den Staaten geborene Schwede begeistert die Leichtathletik-Fans auch über seine beiden Heimatländer hinaus. Mit Freundin Desiré Inglander, einem Model und Tiktok-Star, bildet er zudem ein Glamour-Pärchen, das in der schwedischen Öffentlichkeit stets eine gute Figur macht. Duplantis ist kein introvertierter Denker, sondern ein Sportler, der sein Innerstes nach außen kehrt. Er feiert Siege emotional, spricht aber auch offen über Probleme: Vor seinem Olympiasieg 2021 habe er wegen seiner Favoritenrolle einen so großen Druck gespürt, dass er "fast verrückt geworden" wäre, sagte er nach seinem jüngsten WM-Sieg.

Der Sohn eines 5,80-Meter-Springers verinnerlichte die komplizierten Abläufe dieser Disziplin auf der Stabhochsprunganlage im Garten des Hauses seiner Familie und stellte schon als Siebenjähriger die erste Weltbestleistung in seiner Altersklasse aufstellte - 2,33 Meter. Für den schwedischen Verband hatte er sich einst entschieden, um nicht durch die Mühlen der US-Ausscheidungswettkämpfe gehen zu müssen. Bei der EM in Berlin 2018 holte Duplantis mit 6,05 Metern die erste Goldmedaille bei den Erwachsenen. Die Gelegenheit, diesen Titel zum zweiten Mal zu holen, wäre nun in München. Zusätzlichen Glanz gibt "Mondo" der Veranstaltung sowieso.

Lukas Dauser, 29, Geräteturnen

Athleten bei den European Championships: Silber in Tokio: Lukas Dauser bei seinem bislang größten Erfolg.

Silber in Tokio: Lukas Dauser bei seinem bislang größten Erfolg.

(Foto: Sergei Bobylev/Itar-Tass/Imago)

Manche Sportler bleiben. Sie haben zu Hause die erste Bewegungstechnik gelernt, sind dann im Verein gereift, am örtlichen Leistungszentrum zu Medaillengewinnern geworden, und weil alles immer geklappt hat, bleiben sie dort. Bei Lukas Dauser ist das anders, er ist ebenfalls zehn Jahre lang zum Top-Turner geformt worden, von Kurt Szilier am Stützpunkt in Unterhaching, dann aber zog er hinaus. Erst schloss er sich einer Trainingsgruppe in Berlin an, vor zwei Jahren zog er dann nach Halle/Saale, wo er nun von Hubert Brylok trainiert wird. Von allen hat er auf seiner Wanderschaft etwas gelernt, auch weil er selber zum Lernen fähig ist, was sich bei Olympia in Tokio zeigte, wo er seine bislang wichtigste und beste Übung bot: eine nahezu fehler- und wacklerfreie Übung an seinem Lieblingsgerät, dem Barren, es wurde dann die Silbermedaille. Dem Chinesen Zho Jingyuan konnte er das Wasser nicht reichen, aber auch so wurde klar, dass Ortswechsel und neue Impulse ihm viel gebracht haben bei der Reifung in einem Sechs-Geräte-Sport. Wer olympisches Silber am Barren erturnt, der beherrscht mehr als nur die einwandfreie Ausführung, sondern auch die Kunst, elegant Barren zu turnen, also die Fähigkeit, ein Gerät zu lieben, bei dem man aus beachtlicher Höhe auf den Oberarmen landet und dabei noch entspannt lächeln kann. Männer-Bundestrainer Valeri Belenki hat zudem Andreas Toba (Hannover), Glenn Trebing (Hannover) und Nils Dunkel (Erfurt) nominiert. Stand jetzt zählt der weitgereiste Dauser am ehesten zu den Medaillenkandidaten.

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Multi-EM in München
:Der Zeitplan der European Championships

Leichtathletik, Rudern, Tischtennis, Beachvolleyball: In insgesamt neun Sportarten finden vom 11.-21. August Europameisterschaften statt. Hier sehen Sie, wann wo welcher Wettkampf läuft und wann es wo um die Medaillen geht.

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