Europameisterschaft:Fürs Turnier gelitten

Das müde 2:2 im Testspiel gegen Weißrussland verbucht die Nationalelf als Folge des sehr harten Trainings. Joachim Löw antwortet auf das enttäuschende Ergebnis mit einem Versprechen.

Joachim Löw nutzte die Form des Sprechens, die man knödeln nennt. "Och ja", knödelte er, "zweite Halbzeit, die letzten 30 Minuten waren sicherlich ein bisschen enttäuschend." In diesen 30 Minuten hatte die deutsche Mannschaft am Dienstagabend eine 2:0-Führung verspielt, am Ende stand es im Testspiel gegen Weißrussland 2:2. "Wir waren müde", knödelte der Bundestrainer weiter, "wir haben zuletzt viel trainiert." Es ist davon auszugehen, dass Löws Sprechweise seinen Zahnschmerzen geschuldet war und nicht der Spielweise der Nationalmannschaft.

Europameisterschaft: Auch Michael Ballack war die Müdigkeit deutlich anzusehen.

Auch Michael Ballack war die Müdigkeit deutlich anzusehen.

(Foto: Foto: Getty)

Dass es harte Trainingstage gewesen sind auf Mallorca, sah man tatsächlich schnell. Nach durchaus munterem Beginn wirkten viele Spieler bald bemüht, aber müde. Insbesondere in der Abwehr war das zu sehen, und hier im Speziellen bei Christoph Metzelder. Er ist mittlerweile der weltgrößte Experte darin, rechtzeitig zu den großen Turnieren gesund zu werden, und daran, dass er auch fit wird, haben die Trainer in den vergangenen Tagen mit ihm gearbeitet. "Wir haben lange körperlich nicht mehr so gelitten wie heute", sagte er, "aber das wird uns guttun fürs Turnier.

So wie zu Spielbeginn am Dienstagabend wird die Abwehr beim Turnier, der EM also, nicht aussehen. Rechts spielte Philipp Lahm, in der Mitte agierten Metzelder und Per Mertesacker, soweit war alles normal. Die Position des linken Außenverteidigers besetzte allerdings Thomas Hitzlsperger. Das lag daran, dass Marcell Jansen wegen muskulärer Probleme auf der Bank saß und der mögliche Ersatz, Heiko Westermann, auf dem Weg zu seiner Frau war. Die Wehen hatten eingesetzt, und natürlich will Westermann nicht Fußball spielen, wenn seine Frau ein Kind zur Welt bringt.

Hitzlsperger also auf links, das machte ihm nichts aus. Er hätte auch Rechtsaußen oder Torwart gespielt, um dabei zu sein, denn dies war die Phase, in der Bundestrainer Löw die letzten Erkenntnisse sammelte, bevor er an diesem Mittwoch seinen Kader von 26 auf 23 Spieler verkleinert. Es zeigte sich erneut, dass Hitzlsperger in der Abwehr deutlich schlechter spielt als im Mittelfeld. "Das war aus der Not geboren", knödelte Löw, der Hitzlsperger explizit keinen Vorwurf machte.

Abseits oder nicht Abseits?

Sicher gesetzt im Kader ist Miroslav Klose, er konnte also befreit an seiner ehemaligen Wirkungsstätte im Fritz-Walter-Stadion agieren. In der zehnten Minute wurde er von Podolski in Szene gesetzt - Klose tänzelte die Abseitslinie entlang, und erst in der 23. Wiederholung auf den Bildschirmen war zu sehen, dass er im Moment der Ballabgabe tatsächlich auf der richtigen Seite dieser Linie und mithin nicht im Abseits tänzelte. Er lief dann mit dem Ball auf Torwart Chomutowski zu, täuschte diesen und schob die Kugel zum 1:0 ins Netz.

Genau zehn Minuten später setzte sich David Odonkor auf der rechten Seite durch. Odonkor, den Jürgen Klinsmann zur WM 2006 als Überraschung des Kaders präsentiert hatte - er durfte sich beweisen. Er lief im gewohnten Schnellzugtempo die rechte Seite des Feldes entlang, flankte in Bedrängnis und sah dann mit Freude, wie Korytko den Ball zum 2:0 für die Deutschen ins eigene Netz abfälschte (20. Minute). Odonkor jubelte mit Michael Ballack, über das Tor und über die gelungene Aktion, die ihm einige Pluspunkte im teaminternen Verdrängungskampf eingebracht haben dürfte.

Die Partie wurde in der Folge etwas ruhiger. Anfangs waren die Weißrussen noch recht hart zur Sache gegangen, was besonders Bastian Schweinsteiger zu spüren bekommen hatte. Vielleicht war die Mannschaft von ihrem deutschen Trainer Bernd Stange dann etwas zurückgepfiffen worden, denn es hätte auch Stange nicht gefallen, wenn sich ein deutscher Spieler in diesem Freundschaftsspiel ernsthaft verletzt hätte

Fürs Turnier gelitten

Die Deutschen zeichneten in der Folge die eine oder andere nette Kombination auf den Rasen. Zum Beispiel: Ballack auf Frings, Frings auf Ballack, der auf Klose, und dann machte Torwart Chomutowski dem Treiben ein Ende, indem er Klose die Kugel vom Fuß pflückte (33.). Da dachten sich die Weißrussen: Das machen wir jetzt auch mal, Alexander Hleb setzte sich auf der rechten Seite durch und passte auf Bulyga, dessen Schuss aus spitzem Winkel Jens Lehmann parierte (36.). Kurz darauf hatte Lehmann seine beste Szene, als er einen Schuss von Wjatscheslaw Hleb abwehrte (45.).

Es folgte die Zeit der Wechsel. Jermaine Jones und Marko Marin für Ballack und Schweinsteiger, das war der Anfang (46.). Dann Oliver Neuville und Patrick Helmes für Klose und Podolski (54.). Piotr Trochowski durfte für Frings aufs Feld (67.). Schließlich kam Clemens Fritz für Odonkor (79.). Nach und nach schickte Löw also immer mehr Kandidaten für die baldige Abreise aufs Feld, was die durchaus interessante Situation ergab, dass diese miteinander und zugleich gegeneinander spielten.

Marin machte mit einigen schnellen Dribblings auf sich aufmerksam. Trochowski gab einige gute Fernschüsse ab. Die anderen rackerten, klar, keiner wollte nun noch aus dem Kader fliegen. In Anbetracht dieser spannenden Konkurrenzkämpfe fiel es kaum auf, dass die Weißrussen zwischendurch den Anschlusstreffer erzielten: Bulyga war am Sechzehnmeterraum freigespielt worden, Lehmann brachte zwar noch einen Fuß an den Schuss, aber der Ball trudelte dennoch ins Tor (61.).

Die Deutschen taten so, als sei nichts geschehen und setzten ihren internen Konkurrenzkampf fort. Dieses Ignorieren des Gegners rächte sich. Gegen Rodionow konnte Lehmann noch eine exzellente Parade zeigen (84.), aber gegen Bulyga sah er schlecht aus, als dieser aus 16 Metern zum Ausgleich traf (88.). Beim Abpfiff jubelten einige Weißrussen, als hätten sie ein EM-Spiel gewonnen. "In der nächsten Woche werden alle Spieler in besserer Form sein", sagte Löw - er knödelte jetzt nicht mehr - und fügte feierlich an: "Das kann ich versprechen."

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