Europa League, Zwischenrunde:Kleine Lichtblicke in Lissabon

Beim 1:2 gegen Benfica freut sich der kriselnde VfB Stuttgart über das starke Debüt eines Japaners, doch am Ende überwiegt der Ärger über eine unnötige Niederlage. Leverkusen trotzt dem bitterkalten ukrainischen Winter und gewinnt bei Metalist Charkow souverän mit 4:0.

Während andere Teams an diesem Zwischenrunden-Spieltag der Europa League strapaziöse Reisen in unbekannte Gefilde mit eisigen Temperaturen antreten mussten, hatte der VfB Stuttgart Glück: Die Schwaben durften in Lissabon spielen, was im Vergleich zu den Borissows und Charkows dieser Fußballwelt ein wahrer Segen hätte sein können, wenn man nicht unnötigerweise mit 1:2 verloren hätte. Die Benfica-Angreifer Oscar Cardozo und Franco Jara vermiesten dem Bundesliga-Abstiegskandidaten einen greifbar nahen Achtungserfolg.

Benfica's Salvio challenges VfB Stuttgart's Okazaki during their Europa League last 32, first leg soccer match at Luz stadium in Lisbon

Endlich spielberechtigt: Stuttgarts Japaner Shinji Okazaki zeigte gegen Benfica ein vielversprechendes Debüt.

(Foto: REUTERS)

Die lange überzeugenden Stuttgarter mussten sich Portugals Rekordmeister nach 1:0-Führung noch geschlagen geben, sie dürfen sich in dieser Form aber durchaus Chancen für das Rückspiel am kommenden Donnerstag ausrechnen. "Was die ersten 70 Minuten betrifft, war das ein Fortschritt", sagte Trainer Bruno Labbadia. "Ich bin nur mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Andererseits können wir mit einem 1:0 im Rückspiel weiterkommen. Das wird sehr sehr interessant."

Die nach dem jüngsten 1:4-Heimdebakel gegen den 1. FC Nürnberg nicht wieder zu erkennende Mannschaft von Trainer Bruno Labbadia trumpfte vor allem in der ersten Halbzeit überraschend stark auf und ging durch einen phantastischen Heber von Martin Harnik (21. Minute) in Führung. Oscar Cardozo (70.) und Jara (81.) drehten vor 45.000 Zuschauern im Estádio da Luz die Partie für die nach erst nach dem Wechsel überzeugenden Portugiesen, die nun seit 17 Spielen ungeschlagen sind.

Eine freudige Nachricht gab es für die Schwaben immerhin am Nachmittag. Wenige Stunden vor dem Anpfiff erteilten Fifa und Uefa dem japanischen Neuzugang Shinji Okazaki die provisorische Spielerlaubnis, nachdem dessen bisheriger Klub bislang die Freigabe verweigert hatte. Der 24-Jährige stand nicht nur in der Startelf, er hatte auch nach einer Viertelstunde die bis dato beste Tormöglichkeit der überraschend kreativen und spielfreudigen Gäste. Nach feiner Einzelleistung scheiterte der Asien-Cup-Sieger an Torwart Roberto.

Okazakis starker Auftritt

Okazaki lieferte ein beeindruckendes Debüt: Der Mittelfeldmann rackerte unermüdlich, machte viel Druck nach vorne und erwies sich als echte Bereicherung für die zuletzt so schwachen Stuttgarter. Der Vorletzte der Fußball-Bundesliga war dem Tabellenzweiten Portugals zunächst ein ebenbürtiger Gegner. Mehr noch: In den ersten 45 Minuten diktierten die Stuttgarter das Tempo und bestimmten das Geschehen. Und das obwohl in Timo Gebhart, Christian Gentner und Arthur Boka drei weitere Stammkräfte im Mittelfeld fehlten, Stürmer Pawel Pogrebnjak mit einem Rippenbruch ausfiel und Angriffskollege Ciprian Marica wegen Egoismus aus dem Kader verbannt worden war.

"Sie rufen die Qualität heute sehr gut ab", sagte VfB-Sportdirektor Fredi Bobic zur Pause beim TV-Sender Sky. "Ich hoffe, dass wir in der zweiten Halbzeit irgendwie noch mal eiskalt zuschlagen können." Das schafften die nachlassenden jedoch Schwaben nicht. Glück hatten sie drei Minuten vor dem Halbzeitpfiff, dass Schiedsrichter Eric Bramhaar nach einer Attacke von VfB-Torwart Sven Ulreich gegen Fabio Coentrao auf Schwalbe und Gelb für den portugiesischen Nationalspieler und nicht auf Elfmeter entschied.

In einer hitzigen Partie behielten die Schwaben die Nerven gegen permanent provozierende Portugiesen. Nach dem Wechsel sahen die Zuschauer im Estádio da Luz endlich den erwarteten Benfica-Angriffswirbel. Der starke Ulreich rettete im Minutentakt bei einem Freistoß von Nicolas Gaitan (59.), einem platzierten Schuss von Pablo Aimar (60.) und erneut gegen Gaitan (61.).

Die Stuttgarter standen nun stark unter Druck und konnten sich kaum noch befreien. Fast schon folgerichtig fiel dann der Ausgleich durch Oscar Cardozo - Ulreich war erstmals machtlos. Die Gastgeber drängten den VfB nun stets in deren Hälfte und wurden durch den Abstauber von Jara in der 81. Minute erneut belohnt.

Erfolg im Eisschrank

Die Härtesten waren an diesem klirrend kalten Tag in Charkow die Ultras des ukrainischen Erstligisten Metalist: Oben ohne feierten sie ihr Team, obwohl es sich gegen Leverkusen ziemlich bald in aussichtsloser Position befand. Im "Kühlschrank Charkow" schaffte Bayer ein hervorragendes Ergebnis, um den Achtelfinal-Einzug in der Europa League im Rückspiel klarzumachen.

Europa League - FC Metalist Charkow - Bayer 04 Leverkusen

Eren Derdiyok und Renato Augusto freuen sich über einen der vier Leverkusener Treffer in Charkow - und spenden sich gegenseitig ein bisschen Wärme.

(Foto: dpa)

Bei Temperaturen von minus zwölf Grad siegte die Elf von Trainer Jupp Heynckes beim ukrainischen Klub nach einer souveränen Vorstellung 4:0 (1:0), blieb damit auch im neunten Europapokal-Spiel der Saison ungeschlagen und erspielte sich vor dem zweiten Treffen beider Teams am 24. Februar (19:00 Uhr) eine äußerst angenehme Ausgangsposition. "Wir waren besser, cleverer und effektiver. So ein hohes Ergebnis war nicht vorhersehbar", sagte Bayer-Trainer Jupp Heynckes nach dem unerwartet leichten Sieg. Auch Sportchef Rudi Völler war von der Leistung angetan: "Ich bin beeindruckt, dass die Mannschaft sich von diesen Bedingungen nicht beeinflussen ließ. Jetzt dürfen wir nichts mehr anbrennen lassen", sagte der frühere DFB-Teamchef.

Vor 33.000 Zuschauern im Metalist-Stadion, das zugleich Spielort bei der EM-Endrunde 2012 ist, machten der Schweizer Nationalspieler Eren Derdiyok (23.), Gonzalo Castro (72.) und zweimal Sidney Sam (90. und 90.+2) den 63. Sieg im 146. Europapokalspiel der Leverkusener Vereinsgeschichte perfekt. Zugleich konnten die Rheinländer, die ohne den verletzten Michael Ballack die 2000 Kilometer lange Reise angetreten hatten, ein wenig Kräfte für das Spiel am Sonntag gegen den VfB Stuttgart schonen.

Denn über weite Strecken machte den Leverkusenern die Kälte mehr zu schaffen als die Spielstärke des Tabellendritten der ukrainischen Premjer Liha. Die Heynckes-Elf präsentierte die reifere Spielanlage, ließ in der Defensive kaum etwas anbrennen und wusste im Spiel nach vorne schnell das Mittelfeld zu überbrücken. Ähnlich fiel auch das Bayer-Führungstor: Nach einer sehenswerten Kombination über Renato Augusto und Hanno Balitsch brauchte Derdiyok den Ball aus kurzer Entfernung nur noch über die Linie drücken (23.).

Zuvor hatte bereits Balitsch nach Freistoß von Arturo Vidal die Chance zu Führung, doch sein Kopfball landete in den Armen von Vladimir Disljenkovic (18.). Auf der Gegenseite wurde es in den ersten 45 Minuten nur einmal gefährlich, als sich der Brasilianer Taison auf der linken Seite durchsetzte und den Ball aus spitzem Winkel an den Pfosten schoss. Bayer-Keeper René Adler hatte sich bei der Aktion ein wenig verschätzt. Am Spielverlauf änderte sich auch im zweiten Durchgang nicht viel.

Derdiyok, Castro und Sam treffen

Bereits wenige Sekunden nach dem Wiederanpfiff tauchte Derdiyok gefährlich vor dem Metalist-Tor auf, doch Andrej Beresowtschuk klärte in höchster Not. Auf der Gegenseite wurde Adler durch einen Distanzschuss von Cristian Villagra geprüft (53.). Gefährlich wurde es zudem, als Sergej Waljajew frei vor Adler auftauchte, doch Domagoj Vida hatte beim Schuss noch seinen Fuß dazwischen (61.). Die Entscheidung fiel 18 Minuten vor Schluss. Nach einer Kombination über Derdiyok, Sidney Sam und Renato Augusto drückte Castro den Ball über die Linie und erzielte seinen zweiten Treffer im 30. Europacup-Spiel.

Kurz darauf vergab Derdiyok eine weitere Großchance (76.), ehe Sam mit zwei Treffern in der Schlussphase für deutliche Verhältnisse sorgte. Nahezu die gesamte Leverkusener Mannschaft hatte sich mit Extra-Schals gegen die klirrende Kälte ausgestattet. Nachdem tagsüber noch die Sonne geschienen hatte, wurde es mit Einbruch der Dunkelheit immer kälter. Die Europäische Fußball-Union Uefa hatte deshalb bereits die Partie um vier Stunden auf 18:00 Uhr Ortszeit (17:00 Uhr MEZ) vorverlegt.

Die Leverkusener Spieler waren ohnehin schon kälteerprobt, in der Gruppenphase hatte im Spiel bei Rosenborg Trondheim das Thermometer minus 15 Grad angezeigt. Und die sechs Südamerikaner im Charkow-Team sind auch andere Temperaturen gewöhnt. Bender und Renato Augusto verdienten sich beim Bundesliga-Zweiten die Bestnoten. Auf Seiten der Ukrainer waren Taison und Blanco die stärksten Akteure.

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