Europa League:Verlängerung erwünscht

Europa League: Ungewohnt freigiebig: Leverkusens Kai Havertz (links) ließ gleich vier Großchancen gegen die Glasgow Rangers aus.

Ungewohnt freigiebig: Leverkusens Kai Havertz (links) ließ gleich vier Großchancen gegen die Glasgow Rangers aus.

(Foto: Martin Meissner/AP)

Leverkusen qualifiziert sich als einziger Bundesligist für die K.-o.-Phase der Europa League - und trifft auf Inter Mailand.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Manchmal ist ein Schritt zurück angebracht, um zu erkennen, wie außergewöhnlich die Lage ist. Während also Eintracht Frankfurt (0:1 in Basel) und der VfL Wolfsburg (0:3 in Donezk) ihre Spielzeiten 2019/2020 mit mehr als zweimonatiger Verspätung beendet haben, sorgten die Spieler von Bayer Leverkusen dafür, dass ihre dritte Saisonvorbereitung in diesem Jahr gefruchtet hat, wenigstens kurzfristig. Bald nach Weihnachten 2019 ging das erste Trainingslager los, nach der Corona-Pause wurden die Liga und der nationale Pokalwettbewerb beendet, und auf die großen Enttäuschungen in den entscheidenden Momenten (Platz fünf in der Liga, ein 2:4 im Pokal-Finale gegen den FC Bayern) sowie einen Mini-Urlaub folgt nun die letzte Phase des Europapokals. Dort hatte die Werkself im September 2019 mal in der Champions League angefangen, bevor sie in die Europa League abstieg, wo sie nun auf die Glasgow Rangers traf, die ihrerseits am vergangenen Wochenende schon wieder den Liga-Betrieb in Schottland aufgenommen haben. Wohlgemerkt für die Saison 2020/2021.

Die Spieler des Bundesligisten hätten also Grund gehabt, verwirrt zu sein. Stattdessen entledigten sie sich der Aufgabe erstaunlich konzentriert, wobei die Hitze am Rhein mehr Widerstand leistete als der kreuzbrave Gast von der Insel. Dessen bester Spieler saß als Trainer auf der Bank: Steven Gerrard, einst in Liverpool die Verkörperung englischer Noblesse im Mittelfeld, sah ungerührt zu, wie sein Team vergeblich versuchte, das 1:3 aus dem März noch umzubiegen. Damals nahmen viele in Europa das Coronavirus immer noch nicht für voll, im Ibrox-Stadium tobte auf den Rängen eine wild wogende Meute, und man ist noch heute glücklich, dass der Abend keine Folgeketten auslöste.

Der Unterschied zum stillen Geisterspiel am Donnerstag am Rhein hätte kaum größer sein können. In jeder Hinsicht übrigens. Niemand hätte es zugegeben, aber der Bundesligist übte beim ungefährdeten 1:0 (0:0) gegen die Rangers schon für die K.-o.-Phase, die am Montagabend fast in Schussweite auf nordrheinwestfälischem Boden beginnt. Üben ging freilich nur bedingt. In Düsseldorf, keine 30 Kilometer Luftlinie von der BayArena entfernt, steht eine unvergleichlich härtere Aufgabe bevor: Inter Mailand reist als Zweiter der soeben beendeten Serie A an, und auch wenn das Team aus der Lombardei am Ende des zermürbenden Programms im Liga-Endspurt mitunter ziemlich müde wirkte, besitzt das Team den Kader eines Champions-League-Teilnehmers - kein Wunder, tatsächlich begann auch Inter die endlose Saison im höchsten Klub-Wettbewerb. Vor allem die Offensive, mit Athleten wie Lukaku, Martínez und Eriksen, lässt eine andere Schlagzahl erwarten - deshalb war Glasgow kein angemessener Sparringspartner für Bayers mitunter wacklige Defensive. "Es war kein guter, aber ein solider Auftritt", bilanzierte Bayer-Trainer Peter Bosz, der selten zufrieden ist: "Wir können es besser und müssen uns am Montag steigern." Dennoch hat der Bundesligist einen namhaften Fan. Steven Gerrard lobte: "Sie haben eine gute Spielweise, agieren sehr aggressiv mit dem Ball, sie haben fantastische Spieler im letzten Drittel. Wenn ihnen alle wichtigen Spieler zur Verfügung stehen, haben sie eine große Chance auf den Titel."

Gegen Inter wird das schon nicht klappen, da Mittelfeld-Abräumer Charles Aránguiz gelb-gesperrt ist. Andererseits dürfte es nicht so schnell wieder vorkommen, dass Nationalspieler Kai Havertz gleich vier Großchancen ungenutzt lässt. Das Kuriose am Standort der K.-o.-Runde ist, dass die leeren Stadien den Leverkusenern zum Vorteil gereichen könnten: Wären Fans zugelassen, wären viele Düsseldorfer (und Kölner) gegen den Rivalen gewesen. So aber spielt Leverkusen in der Heimat in Stadien, in denen die Werkself viele Erfolgserlebnisse hatte.

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