RB Leipzig in der Europa League:"Von der Stimmung her war es ... öhm, ja"

RB Leipzig in der Europa League: Geht das nicht lauter? Domenico Tedesco wünscht sich etwas mehr Stimmung von den Rängen.

Geht das nicht lauter? Domenico Tedesco wünscht sich etwas mehr Stimmung von den Rängen.

(Foto: Maja Hitij/Getty Images)

Nach dem 1:0 gegen die Glasgow Rangers überrascht Leipzigs Trainer Tedesco mit Äußerungen zur Stimmung auf den Rängen - und löst einige Irritation aus.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Es dauerte nur 59 Sekunden, bis Giovanni van Bronckhorst im Presseraum der Leipziger Arena ein Wort ins Spiel brachte, von dem er sich Magie verspricht: "Ibrox." So heißt verknappt jener Tempel, in dem seine Mannschaft Glasgow Rangers beheimatet ist, und der ein Ort ist, an dem sich schon wundersame Dinge ereignet haben. Das Wort purzelte dann immer wieder aus dem Mund des Trainers van Bronckhorst, und auch sein Offensivspieler Ryan Kent benutzte es, als fröne er einem Ritual, das eine übergeordnete Macht beschwört.

Mit 0:1 (0:0) hatten die Rangers das Halbfinal-Hinspiel der Europa League gegen RB Leipzig verloren. Und die obligatorische Frage nach der Stimmung wäre angesichts der Leipziger Überlegenheit an diesem Abend vielleicht nachrangig gewesen, wenn sie nicht auch auf Seiten des Siegers eine Rolle gespielt hätte - ausgelöst durch anderthalb Sätze von Leipzigs Trainer Domenico Tedesco.

Ob dieser Sieg gegen die Schotten, der für den DFB-Pokal-Finalisten RB nun auch das Tor zum Europa-League-Endspiel am 18. Mai in Sevilla weit aufstößt, denn der größte Sieg seiner Karriere gewesen sei, wollte eine Field-Reporterin des Senders RTL wissen. Und Tedesco ließ seine Trainerstationen Revue passieren: Erzgebirge Aue, Schalke 04, Spartak Moskau - das waren ausnahmslos Standorte, an denen man bei nichtigeren Anlässen als einem Europa-League-Halbfinale Gänsehaut bekommen kann.

Wer weiß, welche Szenen genau vor dem inneren Auge Tedescos abliefen. Aber plötzlich landete er bei einer nicht zum Anlass des Abends passenden Wahrheit: "Von der Stimmung her war es heute ... öhm, ja. Es gibt bessere Stimmungen, sage ich Ihnen ganz ehrlich", sagte Tedesco zur Atmosphäre in der Leipziger Arena. Damit überraschte er die Zuhörer. Denn eingedenk der empfindlichen Seelen, die auch die härtesten Fußballfans haben, und gemessen daran, dass diese keine Vergleiche mögen, bei denen sie schlecht abschneiden, lag die Tedesco-Aussage auf der nach oben offenen Leiter politisch unkorrekter Äußerungen von Fußballtrainern ziemlich weit oben. Es war wohl nicht als Rüffel gemeint, aber dass der Field-Moderator Arnd Zeigler sich verwundert fragte, woher wohl diese "leise Kritik" Tedescos am Publikum herrühre, war nachvollziehbar.

"I just kicked it", sagte Torschütze Angeliño

Welche Folgen das haben wird? Gute Frage. RB Leipzig ist ja eine Art Lokal mit neuer Bewirtschaftung, ein sehr frisch aufgeforstetes Biotop voller alter Wurzeln, man denke nur an die Traditionsklubs Chemie oder Lok Leipzig. Womöglich geraten Tedescos Äußerungen, die anderswo zu schwersten Umweltzerstörungen geführt hätten, bald in Vergessenheit. Denn der Trainer steht ja vor allem für die Rückkehr der neulich noch unter Vorgänger Jesse Marsch taumelnden Leipziger in die Erfolgsspur. Neben dem Finaltermin in Berlin, am 21. Mai gegen den SC Freiburg, ist nun auch ein Endspiel in Sevilla ganz nah.

RB Leipzig in der Europa League: Gut gekickt: Leipzigs Angeliño (vorne) bei seinem sehenswerten Treffer.

Gut gekickt: Leipzigs Angeliño (vorne) bei seinem sehenswerten Treffer.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

Dass auch Leipzig im Hinspiel seinen Beitrag zu einem möglichen "deutschen Finale" gegen Frankfurt leistete, lag am spektakulären späten Tor von Linksverteidiger Angeliño (1:0/86.). Obwohl bedrängt, erwischte der Spanier einen unzureichend abgewehrten Eckball voll mit dem Spann. "I just kicked it", sagte er, "ich hab einfach geschossen", und viel mehr gab es zur Entstehung nicht zu sagen: Sein Volley-Schuss flog aus 20 Metern ins Netz und sorgte für späte Gerechtigkeit. Denn es hatte zuvor nur eine Mannschaft gegeben, die danach trachtete, nach vorne zu spielen: RB Leipzig.

Die Gastgeber hatten Chancen, Tedesco monierte hinterher nur zart, dass sein Team in bestimmten Situationen den Ball schneller hätte bewegen müssen, um die Rangers stärker zu bedrängen. Den Riegel der Schotten hätte er liebend gern früher geknackt als in der 86. Minute. Doch das späte Tor lässt Leipzig hoffen, in Glasgow mehr Räume zu bekommen, um Angriffe auszuspielen. "Die Rangers müssen irgendwann anders spielen. Irgendwann müssen sie kommen", sagte Tedesco.

Van Bronckhorst wiederum erinnerte an die jüngste der Wundernächte im Ibrox Stadium - den Abend, an dem die Rangers ein 0:1 im Hinspiel gegen Sporting Braga durch ein 3:1 im Rückspiel noch drehten. Tedesco wurde gefragt, ob sein junges Team der Energie des Ibrox nervlich standhalten könne. Er sagte, da sei er sich sicher. Seine Mannschaft schaue auf das Spiel "nicht mit Angst, sondern mit Freude" - allein der Stimmung wegen.

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