Euroleague:Ein Abend in Rot

FC Bayern München - Fenerbahce Istanbul

Immer wieder waren es andere Spieler, die in wichtigen Phasen Verantwortung übernahmen: Bayern-Kapitän Danilo Barthel (links) steuerte sechs seiner insgesamt 14 Zähler in der zweiten Overtime bei.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Die Basketballer des FC Bayern München beweisen mit einem grandiosen Auftritt gegen den souveränen Tabellenführer Fenerbahce Endrundentauglichkeit.

Von Ralf Tögel

Und jetzt? Die Playoffs? Oder darf man sogar an das Final Four denken? Immer langsam: "Man muss jetzt nichts Spektakuläres daraus machen. Es war schön, ja, aber das ist unsere Arbeit und am Samstag kommt Jena." Nihad Djedovic sagte das nach dem famosen Sieg der Basketballer des FC Bayern gegen Fenerbahce Istanbul, den souveränen Tabellenführer in der Euroleague, den Topfavoriten auf die Krone im höchsten kontinentalen Wettbewerb, das derzeit wohl beste Team in Europa. Dann ergänzte Djedovic mit ernstem Blick: "Niemand redet bei uns von den Playoffs, wirklich niemand." Kollege Derrick Williams, mit 19 Punkten neben Stefan Jovic einmal mehr Topscorer im Team der Münchner, war schon etwas euphorischer nach dem berauschenden 90:86-Triumph (29:34, 66:66, 80:80) gegen den türkischen Meister, der erst nach der zweiten Verlängerung feststand: "Dieser Sieg war ein Statement an die Liga", sagte der NBA-erfahrene Flügelspieler, "Playoff-Teams gewinnen solche Spiele."

Dass die Debatte um den Einzug der ersten deutschen Mannschaft in die K.o.-Runde der Euroleague nun erst so richtig Fahrt aufnimmt, wird indes kein Spieler der Bayern verhindern, und mögen sie noch so nüchtern bilanzieren. Vladimir Lucic etwa, der die Bayern mit seinem Dreier vier Sekunden vor dem Ende der ersten Overtime im Spiel hielt, fand: "Es war nicht das schönste Spiel, aber ich denke, wir haben den Sieg nach der zweiten Verlängerung verdient. Du weißt nie, wie so ein enges Spiel ausgeht." Der Flügelspieler sah den Erfolg als logische Konsequenz aus den Leistungen vom vergangenen Wochenende: "Wir haben schon bei den Siegen in Bayreuth und Moskau Charakter gezeigt, heute haben wir da weitergemacht." Dann sagte Lucic sehr ernst: "Es wäre das Schlimmste, jetzt zu denken, dass wir etwas Großes geschafft haben. Der Zeitplan ist sehr hart, am Samstag geht es weiter."

Vielleicht sprach auch ein bisschen die Erschöpfung aus den Bayern-Spielern, denn die beiden Konkurrenten taumelten wie zwei Schwergewichtsboxer durch die beiden je fünfminütigen Nachspielzeiten, teilten aus, steckten ein, wirkten angezählt, kamen zurück. Einen derart intensiven Schlagabtausch zweier so starker Mannschaften hat der Audi Dome wohl noch nie zu Gesicht bekommen, entsprechend aufgeheizt war die Atmosphäre. Woran die anhand ihrer blau-gelben Vereinsfarben leicht auszumachenden etwa 1000 türkischen Fans, die mit ihrem Gebrüll den Ihren von Beginn an fast eine Heimspielatmosphäre vermittelten, großen Anteil hatten. Immer wieder standen die Bayern-Akteure in einem gellenden Pfeifkonzert an der Freiwurflinie, was vielleicht die schwache Quote in dieser Disziplin erklärt. Allein neun Punkte ließen die Gastgeber bei Strafwürfen liegen - fast die Hälfte. Auch die Dreier-Quote war mit elf Treffern bei 28 Versuchen nicht berauschend, dennoch behielte der FCB dank einer tadellosen kämpferischen Einstellung die Oberhand.

Trainer Dejan Radonjic, der nach der fordernden Partie richtig erledigt wirkte, sah in der Defensive den Schlüssel zum Sieg: "Unsere Abwehr war schon in Moskau sehr gut, aber das heute war unsere beste Leistung bisher." In der Tat, hielt der FCB Moskau schon bei 60 Punkten, gestatteten die Bayern Fenerbahce in der regulären Spielzeit nur sechs Zählerchen mehr, wobei man erwähnen muss, dass der türkische Meister deutlich mehr Talent in der Offensive hat. Was vor allem Topscorer Ali Muhammed - der mit dem Wechsel von der amerikanischen zur türkischen Staatsbürgerschaft auch den Namen Robert Lee Dixon ablegte - mit 23 Punkten unter Beweis stellte. Zwar fehlte Fenerbahce in Center Jan Vesely ihr derzeit wohl bester Akteur verletzt, aber auch die Münchner mussten kurzfristig auf den erkrankten Maodo Lo verzichten. Devin Booker, bei der knappen 84:88-Hinspielniederlage noch bester Bayern-Akteur, steigt nach seiner schweren Sprunggelenkverletzung erst gerade wieder ins Training ein.

Dass auch die Bayern trotz ihrer Offensivqualitäten nach 40 gespielten Minuten nur auf 66 Punkte kamen, ist im Umkehrschluss Beleg für die Qualität der Fenerbahce-Defense. Beide Teams verfügen neben großer Offensivwucht also über die im internationalen Vergleich nötigen Abwehrqualitäten. Die Bayern sind nun Siebter, mit 11:10 Siegen, da noch neun Partien ausstehen. Fenerbahce hätte mit einem Sieg die Playoffs bereits gebucht, entsprechend schmallippig gab sich Coach Zeljko Obradovic, dessen Gesichtsfarbe bei seinen Wutanfällen an der Seitenlinie des öfteren in ein ungesundes Rot changierte: "Wir fahren heim, trainieren hart und versuchen zu verstehen, was wir falsch gemacht haben. Aber wir haben auch ohne Vesely genügend Qualität im Kader."

Aber auch die Bayern haben nicht zuletzt mit diesem grandiosen Euroleague-Abend Endrundentauglichkeit bewiesen, was nicht nur an den starken Auftritten von Williams und Jovic lag. "Das war eine Mannschaftsleistung", betonte Williams, und in der Tat war neben Leidenschaft und Kampfgeist die Ausgeglichenheit im Kader der große Trumpf. Immer wieder waren es andere Spieler, die in wichtigen Phasen Verantwortung übernahmen. Wie Nemanja Dangubic, der nicht nur wegen seiner elf Punkte seine bisher beste Leistung zeigte. Oder Kapitän Danilo Barthel, der sechs seiner insgesamt 14 Zähler in der zweiten Overtime beisteuerte.

Wenigstens Marko Pesic bemühte angesichts des bewegenden Abends kurz etwas Pathos: "Das war historisch heute", fand der Geschäftsführer, um umgehend an das Samstagsspiel (20.30 Uhr) gegen Jena zu erinnern. "Auch in solchen Momenten steht uns etwas Demut gut zu Gesicht", sagte er noch, "ich habe nicht vergessen, wo wir vor drei Jahren waren." Selbst der Präsident, dem man ansah, wie ihn der Abend beseelte, erinnerte an das große Ganze: "Nicht nur dieser Sieg, sondern die Art und Weise, wie sich diese Mannschaft schon die ganze Saison präsentiert, das macht mich stolz", sagte Uli Hoeneß. Und bevor er Marko Pesic in die Arme fiel, sagte er noch: "Jetzt wollen wir uns für die Playoffs qualifizieren." Na also, geht doch.

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