Final Four der Euroleague:Zu Gast bei 250 000 Basketballtrainern

February 15 2019 Madrid Madrid Spain Johannes Voigtmann 7 of KIROLBET Baskonia during the Co; Johannes Voigtmann

Johannes Voigtmann spielt mit seinem Klub Baskonia nicht beim Final Four - aber er kennt die Atmosphäre in der Halle in Vitoria.

(Foto: imago/ZUMA Press)
  • Beim Final Four der Basketball-Euroleague präsentiert sich mit dem Baskenland Europas basketballverrückeste Region einem großen Publikum.
  • Mit Tibor Pleiss ist auch ein Deutscher dabei - auch Nationalspieler Johannes Voigtmann vom baskischen Klub Baskonia kennt sich bestens im Austragungsort Vitoria aus.
  • An diesem Wochenende kämpfen Real Madrid, ZSKA Moskau, Fenerbahce und Anadolu Istanbul um Europas Basketball-Krone.

Von Jonas Beckenkamp

Diese Geschichte handelt von einer Art gallischem Dorf, das genau genommen gar kein Dorf ist. Und auch gar nicht in Gallien liegt, sondern im Baskenland. Sie handelt von der 250.000-Einwohner-Stadt Vitoria-Gasteiz, die vor "dem größten Sport-Event steht, das diese Stadt je gesehen hat", wie Jose Antonio Querejeta, 62, sagt. Der ehemalige Basketballer aus der benachbarten Region Gipuzkoa gab diese Einschätzung auf einem Termin der Euroleague ab, der höchsten europäischen Spielklasse. Querejeta repräsentierte dabei den Ausrichter der diesjährigen Endrunde, des Final Four; er ist seit vielen Jahren Präsident des Klubs Kirolbet Baskonia.

Vitoria und Basketball, diese Verbindung ist so besonders, dass die Euroleague nicht mehr anders konnte, als den Basken endlich den Zuschlag für das Finalwochenende zu geben. Üblicherweise landet das Final Four, das aus zwei Halbfinals, einer Partie Spiel um Platz drei sowie einem Endspiel besteht, in Europas Metropolen. Wo die sogenannten "großen Märkte" locken, wo ein internationales, konsumfreudiges Publikum sich vergnügen kann. In Vitoria gibt es eher keinen großen Wirtschaftsmarkt, es gibt nichtmal einen bedeutsamen internationalen Flughafen. Aber es gibt Basketball. Und der bestimmt in dieser Region das Leben wie kaum irgendwo anders. Trotzdem hat es lange gedauert, bis die Endspiele der Euroleague den Weg ins grüne Herzland der Basken fanden.

"Vitoria wartet seit 19 Jahren auf dieses Event. In all den Jahren bestand in der Stadt immer der Wunsch, das Final Four auszurichten", sagt Jordi Bertomeu, der Chef der im Jahr 2000 gegründeten Euroleague. Er konnte schon bei der Präsentation des Ausrichters als Botschaft verkünden: "In nur sechs Stunden waren alle verfügbaren Tickets ausverkauft." Die Zuschauer erwartet am 17. und am 19. Mai eine gewaltige Halle.

In der Fernando-Buesa-Arena im Nordosten Vitorias finden mehr als 15.000 Zuschauer Platz - aber sie wirke noch größer, sagt einer, der sich dort auskennt. Johannes Voigtmann, 26, gerät ins Schwärmen, wenn er über seinen Arbeitsplatz erzählt. Der Center der deutschen Nationalmannschaft spielt seit 2016 in Vitoria. Er findet: "Es ist eine der schöneren Hallen in Europa. Ein bisschen älter, richtig hoch und mit einer ganz speziellen Atmosphäre."

Die erzeugen nicht nur renovierte Umkleiden, ein neuer Videowürfel oder hochmoderne LED-Lichtanlagen, sondern vor allem die Menschen, die dort Woche für Woche ihren Volkssport zelebrieren. Basketball ist bei Baskonia eine beinahe spirituelle Angelegenheit. Über Generationen hinweg zieht es Studenten, Arbeiter und Rentner in die Betonschüssel, um ihr Team anzufeuern, um große Siege gegen die vermeintlichen Übermächte aus Madrid, Barcelona oder auch Valencia zu feiern.

Zuletzt warf der Klub 2018 den großen FC Barcelona in den Playoffs der spanischen Liga aus dem Wettbewerb, 2010 gab es die bislang letzte Meisterschaft - auch das Final Four der Euroleague hat die Mannschaft schon mehrmals erreicht. "Jeder hier versteht Basketball", sagt Voigtmann, "die Leute haben ein sehr gutes Grundwissen, und wenn Du vor die Tür gehst, bist Du sofort mit Basketball konfrontiert." Da kann es vorkommen, dass er schon beim Morgen-Kaffee fachsimpeln muss.

So wie der Sport in Deutschland von angeblich 80 Millionen Fußball-Bundestrainern geprägt ist, gibt es in Vitoria 250.000 Basketballtrainer, sagt der in Thüringen geborene Voigtmann. Er spielte zuvor in Frankfurt, einer Großstadt mit deutlich weniger Basketball-Enthusiasten. Am ehesten ist Vitoria mit seiner Tradition fürs Körbewerfen und fürs Toben in der Halle hierzulande wohl mit Bamberg zu vergleichen, der selbsternannten "Freak City".

Marschkapellen in der ganzen Stadt

"Selbst die ganz alten Leute erkennen einen hier", sagt Voigtmann, der mit seinen 2,14 Metern Körpergröße zugegebenermaßen auch kaum zu übersehen ist. Einmal quetschten sich 1500 Baskonia-Aficionados acht Stunden in einen Reisebus und kamen zum Auswärtsspiel nach Andorra mit. "Man wächst hier mit Basketball auf, es ist was Alltägliches", erklärt Voigtmann, "bei Spielen ist die halbe Stadt auf den Beinen." Unvergessen bleibt für ihn, als bei der Pokal-Endrunde eine Marschkapelle durch die Gassen tingelte und ein feiernder Fanpulk die Teams mit Bengalos begrüßte.

Mit dieser Begeisterung, aber auch mit ihrem kritischen Sportsgeist haben die Basken über die Jahre eine enge Beziehung zu ihrem Klub aufgebaut. Spieler kommen und gehen auch dort, aber der Spirit, die Idee des Zusammenhalts und der Anerkennung sind Teil von Vitorias Basketball-DNA. Das erlebten viele Große des Sports bei Baskonia, wie etwa der argentinische Spielmacher Pablo Prigioni, der später in die NBA wechselte. Oder auch der Deutsche Tibor Pleiss, der 2013 dort seine internationale Karriere startete und diesmal mit Anadolu Istanbul beim Final Four dabei ist.

Dank seiner Kultur ist Baskonia zu einem Top-Standort gewachsen, in der aktuellen Saison kämpfte sich die Mannschaft nach einem rumpeligen Start erneut in die Playoffs der besten acht Teams, wo sie dann am Final-Dauergast ZSKA Moskau (neben ZSKA stehen diesmal auch Real Madrid, Anadolu und Fenerbahce in den Endspielen) scheiterte. In Madrid oder Barcelona ist mehr Prominenz versammelt, aber im Baskenland wird eine originäre Idee des Basketballs gepflegt. "Klubs wie Real haben einen festen Kern an Spielern. In Vitoria ist die Fluktuation größer, hier geht es darum, Spieler aufzubauen, sie auf hohem Level zu festigen", sagt Voigtmann. Er selbst ist dafür ein Beispiel.

Ziel des Vereins ist es, mit kleinerem Etat konkurrenzfähig zu sein - doch für ein paar bekannte Namen reicht es in der wirtschaftlich soliden Gegend im Norden Spaniens allemal: In dieser Saison zählen zu Voigtmanns Kollegen der Georgier Tornike Shengelia und der Franzose Vincent Poirier - Profis mit mindestens so viel NBA-Potenzial wie Shane Larkin, der nach einem starken Jahr bei Baskonia 2016/17 zurück in die USA ging und nun Teamkollege von Pleiss in Istanbul ist.

Mit dem Final Four bekommt Vitoria nun weitere internationale Anerkennung, man könnte sagen: Das gallische Dorf macht sich schick für hohen Besuch. "Es ist ein Traum, den wir über Jahre verfolgt haben, und nun wird er wahr", sagt Baskonia-Boss Querejta, "das Final Four wird Vitoria-Gasteiz und das Baskenland auf die Weltkarte setzen." Und die Welt wird erfahren, wie sehr die Basken den Basketball lieben.

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