Es war einmal WM - 1966:Ein Hund rettet England

World Cup Hero

Vierbeiniger Held: Pickles, hier mit seiner Besitzerin Jeanne Corbett, kurz vor Beginn der Weltmeisterschaft in London im Jahr 1966

(Foto: Getty Images)

Die Häme war groß, den Gastgebern war es peinlich: Vor der Weltmeisterschaft 1966 in England stahlen Diebe den WM-Pokal. Scotland Yard suchte vergebens nach der Trophäe. Ein Hund namens Pickles musste das Rätsel lösen.

Es war einmal WM: In einer Serie blicken wir auf komische, merkwürdige, besondere Momente in der Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaften zurück. Teil acht beschäftigt sich mit dem Hund Pickles, der vor dem Turnier in England 1966 den gestohlenen WM-Pokal wiederfand.

Für einen WM-Helden der damaligen Zeit war die Prämie nicht schlecht: ein Platz beim Eröffnungsspiel in der Ehrenloge, eine Rolle in einem Spielfilm und ein Jahr Hundefutter gratis. Dazu gleich zwei Medaillen, eine vom "World Cup Collectors Club", die andere vom Nationalen Hundeschutzverein. Das Salär für den Filmauftritt war übrigens doppelt so hoch wie die gängige Rate für Hunde.

Pickles war ein Star dieser WM: eine schwarz-weiß gefleckte Promenadenmischung aus Süd-London. Vier Monate vor Turnierbeginn hatte der zweijährige Hund beim Gassigehen unter einem Busch den gestohlenen und von Scotland Yard gesuchten WM-Pokal gefunden.

Am 20. März war die Trophäe aus der Ausstellung "Sport und Briefmarken" in der Central Hall in Westminster verschwunden. Briefmarken "im Wert von drei Millionen Pfund hatte der Dieb dagegen unangetastet gelassen", wie der britische Briefmarkensammler-Klub leicht irritiert anmerkte.

Für den Gastgeber war der Verlust peinlich. Was wäre dies für eine Weltmeisterschaft, bei der man den Siegern keine Trophäe überreichen konnte? Eine Trophäe, die der frühere italienische Fifa-Vizepräsident Ottorino Barassi in einem Schuhkarton unter seinem Bett sicher durch den Zweiten Weltkrieg gebracht hatte - und die Engländer ließen sie sich einfach stehlen.

"Kann England die Sicherheit bei der WM gewährleisten?", fragte der Daily Express und schloss, als wäre es das Logischste der Welt, vom Pokaldiebstahl auf Hooligan-Gefahr. Eine Woche später war der Täter gefasst. Edward Betchley, ein 47-Jähriger Dockarbeiter, hatte 15.000 Pfund Lösegeld gefordert, sonst würde er den "Cup einschmelzen".

Pickles, ein englischer Held

Wo der Pokal versteckt sei, verriet er nicht. Die Häme aus aller Welt wuchs. Abrain Tebel vom brasilianischen Sportverband wies in der Times darauf hin, dass Brasilien als Weltmeister den Pokal acht Jahre lang ohne Probleme gehütet habe - und kaum gebe man ihn nach England ... "Das wäre in Brasilien nie passiert. Selbst brasilianische Diebe lieben Fußball. Sie würden niemals solch ein Sakrileg begehen." Ein Satz, der 17 Jahre später besonders ironisch klingen würde, als Diebe den Pokal in Rio de Janeiro stahlen - er sollte nie mehr auftauchen.

Es bedurfte des Instinktes eines Bastards, um die englische Nation zu retten. "Pickles machte mich auf ein eng in Zeitungspapier eingeschlagenes Paket unter dem Busch aufmerksam", berichtete David Corbett, ein 26-Jähriger Themse-Fährmann. "Als ich es auspackte, sah ich eine Statute und dann eingraviert die Namen: Deutschland, Uruguay, Brasilien. Ich wusste sofort, was los war."

Corbett erhielt 3000 Pfund Finderlohn (heutzutage um die 50.000 Pfund), damals der Verdienst von gut vier Jahren für einen Fährmann - und dreimal so viel, wie jeder von Englands Spielern für den WM-Gewinn erhalten sollte.

Pickles blieb bis zu seinem Tod ein englischer Held. Er starb 1973 im Kampf. Er hatte eine Katze verfolgt, meldeten die Zeitungen, war mit der Leine an einem Zaun hängengeblieben - und erwürgte sich selbst.

Aus der SZ-Bibliothek

Teil eins der Serie: Schwarzes Wunder - die Geschichte von José Leandro Andrade, dem ersten Glamour-Star des Fußballs und Weltmeister von 1930.

Teil zwei: Deutschland ehrenvoll ausgeschieden - die erste WM-Teilnahme der Deutschen 1934 zwischen Nazipropaganda und Szepans tollem Spiel.

Teil drei: Torhüter mit gebrochenen Knochen - wie schwer es die besten Torhüter ihrer Zeit in den dreißiger Jahren hatten.

Teil vier: No World Cups, please! - die erste WM-Teilnahme Englands im Jahr 1950 gerät zur Blamage.

Teil fünf: 4:1 für Deutschland - ich bin sprachlos. Wie Gefängnis-Insassen der DDR den WM-Titel 1954 im Radio erleben.

Teil sechs: Trainer, bitte stellen Sie mich nicht mehr auf! - die Geschichte des statistisch wohl schlechtesten Torwarts der WM-Historie.

Teil sieben: Der gekaufte Freispruch - wie Garrincha 1962 trotz Roter Karte im Halbfinale am Endspiel teilnahm.

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