Es war einmal WM: In einer Serie blicken wir auf komische, merkwürdige, besondere Momente in der Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaften zurück. Teil neun beschäftigt sich mit Bobby Moore, der englischen Fußballlegende, die 1970 unschuldig in eine Diebesgeschichte verwickelt wurde.
Bobby Moore, Sinnbild für englischen Sportsgeist und Höflichkeit, sollte ein Dieb sein? Sechs Tage vor Beginn der WM 1970 wurde der Kapitän der englischen Mannschaft bei einem Zwischenstopp in Bogotá, Kolumbien, verhaftet und unter Hausarrest gestellt.
Der Vorwurf: Moore habe eine Woche zuvor, als die Engländer wegen eines Testspiels in der kolumbianischen Kapitale gewohnt hatten, im Schmuckgeschäft auf dem Hotelgelände ein Smaragd-Armband im Wert von 1500 US-Dollar gestohlen.
Moore bestritt die Anschuldigungen. Niemand glaubte die Diebstahl-Version, schon gar nicht daheim in England. Mitspieler Alan Mullery argumentierte: "Sie machen wohl Spaß? Moore hat so viel Geld, dass er das ganze Hotel kaufen könnte." Der Abwehrmann von West Ham United galt wegen seiner Werbeverträge und seiner Nebengeschäfte als einer der reichsten Fußballer Europas.
Dennoch landete sein Nationalteam ohne ihn in Mexiko - Moore wurde wegen seines vermeintlichen Vergehens festgehalten. Die Verkäuferin Clara Padilla sagte aus, sie habe den Engländer gesehen, wie er das Armband in seine Jackentasche gesteckt hatte. Das Problem allerdings: An Moores Klamotte fehlten jegliche Taschen. So klärte sich die Geschichte auf.
Nach vier Tagen unter Beobachtung durfte Moore zur WM nach Mexiko fliegen. Er stellte sich heraus, dass der Ladenbesitzer die Verkäuferin und einen weiteren angeblichen Zeugen zur Falschaussage angestiftet hatte - vermutlich, um von Moore Schadenersatz fordern zu können.
Die Verkäuferin floh daraufhin in die USA, der Laden existierte bald nicht mehr. Moore allerdings hörte erst mehr als fünf Jahre später von der kolumbianischen Polizei, dass seine Akte nun geschlossen worden sei.
Dieser Text ist dem Buch Süddeutsche Zeitung WM-Bibliothek Mexiko 1970 entnommen.
Teil eins der Serie: Schwarzes Wunder - die Geschichte von José Leandro Andrade, dem ersten Glamour-Star des Fußballs und Weltmeister von 1930.
Teil zwei: Deutschland ehrenvoll ausgeschieden - die erste WM-Teilnahme der Deutschen 1934 zwischen Nazipropaganda und Szepans tollem Spiel.
Teil drei: Torhüter mit gebrochenen Knochen - wie schwer es die besten Torhüter ihrer Zeit in den dreißiger Jahren hatten.
Teil vier: No World Cups, please! - die erste WM-Teilnahme Englands im Jahr 1950 gerät zur Blamage.
Teil fünf: 4:1 für Deutschland - ich bin sprachlos. Wie Gefängnis-Insassen der DDR den WM-Titel 1954 im Radio erleben.
Teil sechs: "Trainer, stellen Sie mich bitte nicht mehr auf" - wie der Torhüter Heinrich Kwiatkowski 14 Gegentore in zwei WM-Einsätzen kassiert.
Teil sieben: "Ein Tritt, ein Flug" - die Geschichte des brasilianischen Dribblers Garrincha, der 1962 kaum mit fairen Mitteln zu fassen war.
Teil acht: "Hund Pickels findet WM-Pokal" - über die Suche nach dem verlorenen gegangenen Pott in England 1966.