Es war einmal WM - 1934:"Deutschland ehrenvoll ausgeschieden"

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Ein Spiel später war dann Schluss: Die deutschen Spieler Paul Zielinski, Fritz Szepan, Willy Busch und Torhüter Willibald Kress (v.l.) verlassen nach dem Sieg gegen Schweden im Viertelfinale das Spielfeld in Mailand (Foto: picture alliance / dpa)

Erster Auftritt einer deutschen Nationalmannschaft bei einer Fußball-WM: Die Nazis zetern 1934 gegen Profi-Spieler im Ausland und nutzen ihre Staatsamateure für die Ideologie. Nach dem überraschend guten Auftritt reagieren die heimischen Medien wie gewünscht.

Es war einmal WM: In einer Serie blicken wir auf komische, merkwürdige, besondere Momente in der Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaften zurück. Teil 2 beschäftigt sich mit dem ersten Auftritt einer deutschen Mannschaft bei der WM und den Reaktionen auf das Ausscheiden im Halbfinale gegen die Tschechoslowakei (1:3) in nationalsozialistischen Zeiten.

Anfang der dreißiger Jahre herrschte Streit in Fußball-Deutschland: Dürfen Fußballspieler Geld bekommen? Ein Gehalt? Prämien? Sachleistungen? Diese Fragen wurden immer drängender - und erhielten mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 eine Antwort: Nein! Die braunen Ideologen nutzten den Sport für ihre Propaganda, Reichsportkommissar Hans von Tschammer und Osten gab die Linie vor: "Turnen und Sport sind nicht dazu da, um das persönliche Wohlergehen zu fördern; die Leibeserziehungen bilden vielmehr einen wichtigen Teil des Volkslebens und sind ein grundlegender Bestandteil des nationalen Erziehungssystems ... Für die männliche Jugend müssen die Stätten der Leibesübungen Pflanzstätten soldatischer Tugenden und Schulen staatlichen Geistes sein."

Gewinnen aber, das sollten die Deutschen schon. Und da es zum Beispiel in Österreich, Italien und der Tschechoslowakei Profi-Ligen gab, entwickelte sich in Deutschland ein recht verlogenes System der Staatsamateure. Der Deutsche Fußball-Bund wurde zerschlagen und zum "Fachamt Fußball" umbenannt, plötzlich waren die Mittel schier unbegrenzt. Auch den Spielern fehlte es an nichts, die Mär von den guten Amateuren wurde dennoch weiterhin gepflegt.

Reichstrainer Otto Nerz hatte Zeit und Geld, die besten Spieler des Landes für die erste WM-Teilnahme 1934 in Italien auszusuchen. Er wählte den jüngsten Kader, der jemals für Deutschland bei einer WM antreten sollte. Im Trainingslager herrschte Kasernenhofton. Drill und strenge Speisepläne prägten das Leben der Fußballer. Dennoch dankten die Nationalspieler ihren neuen Mäzenen aus der Politik und hoben stets brav den rechten Arm während der Nationalhymne.

Mit einem überragenden Schalker Fritz Szepan, mit den groß aufspielenden Talenten Ernst Lehner aus Augsburg, Edmund Conen aus Saarbrücken und Otto Siffling aus Mannheim scheiterten die als Außenseiter gestarteten Deutschen erst im Halbfinale an der Tschechoslowakei mit 1:3. Das Spiel entschieden die Torhüter: Während František Plánička für die Tschechoslowaken mit phänomenalen Aktionen weitere deutsche Tore verhinderte, hatte Willibald Kreß keinen guten Tag.

Überragend bei der WM 1934 in Italien: Fritz Szepan auf einem undatierten Foto in den 1930er Jahren (Foto: picture alliance / Schirner)

Weil die Deutschen aber im Spiel um Platz drei das österreichische Wunderteam schlugen, war die Heimat hoch zufrieden. Im Finale standen mit Italien und der Tschechoslowakei ja nur zwei der angeblich so seelenlosen Profimannschaften. Die Münchner Neuesten Nachrichten, der Vorgänger der Süddeutschen Zeitung, berichtete nach dem Halbfinale ganz im Sinne der nationalen Politik:

"Deutschland ehrenvoll ausgeschieden - Als die deutsche Ländermannschaft zu den Weltmeisterschafts Spielen nach Italien fuhr, war man sich darüber klar, daß es sich gegen die besten Professionalmannschaften des festländischen Europa nur darum handeln konnte, einen möglichst guten Platz zu erkämpfen. Das ist im vollen Maße gelungen! Von allen teilnehmenden Amateurmannschaften der Welt kam Deutschland am weitesten.

Mit den Berufsspielermannschaften von Italien, der Tschechei und Österreich spielte sich die deutsche Elf in ruhmvoller Weise zu den letzten Vier durch und ist in der Vorschlussrunde mit fliegenden Fahnen untergegangen. Aber unsere wackeren Spieler haben sich heldenmütig geschlagen. Bis eine Viertelstunde vor Schluss war es zweifelhaft, wer den Sieg erringen würde, so tapfer kämpfte die deutsche Elf.

Es liegt eine tiefe Tragik darin, daß eine sehr zweifelhafte Schiedsrichterentscheidung, die vom italienischen Publikum mit stärkstem Widerspruch aufgenommen wurde, dem Kampf die für uns unglückliche Wendung gab, die Tschechen in Vorsprung brachte und damit entscheidend für den Ausgang ins Gewicht fiel.

Aber unsere Fußball-Länderelf hat bewiesen, daß der Geist, der im neuen Deutschland in unseren Sportmannschaften lebendig ist, uns überall zu einem zu fürchtenden Gegner macht und dem Ausland Achtung abnötigt.

Am Donnerstag hat die deutsche Elf nun in Neapel gegen Österreich um den dritten Platz der Weltmeisterschaft anzutreten."

Der Völkische Beobachter wurde noch deutlicher:

"Ein Erfolg, der in erster Linie dem durch den Nationalsozialismus geschaffenen neuen deutschen Lebensgefühl der Bereitschaft und des Kampfes zuzuschreiben ist."

Und weiter: "Jeder deutsche Spieler, der jetzt gegen einen Ausländer startet, weiß zweierlei: Wenn du kämpfst, kämpfst du für dein Land, für sein Ansehen und für seine Ehre. Und während du kämpfst, warten 60 Millionen Deutsche in starkem Vertrauen zu dir auf deinen Sieg."

Teile dieses Textes sind dem Buch Süddeutsche Zeitung WM-Bibliothek 1930-1950 und darin einem Beitrag von Ludger Schulze entnommen.

Teil eins der Serie: Schwarzes Wunder - die Geschichte von José Leandro Andrade, dem ersten Glamour-Star des Fußballs und Weltmeister von 1930.

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